WSP aktuell vom 20.12.2012
"Schiffe versenken?: GdP-Umfrage zur "Reform" der Wasserschutzpolizei offenbart erhebliche Mängel
Auf Beschluss der niedersächsischen Landesregierung vom 05.10.2010 wurde die wasserschutzpolizeiliche Aufgabenwahrnehmung in Niedersachsen in 2011 neu ausgerichtet.
Maßgebliche Änderungen waren eine drastische Personalreduzierung von über 40 % und die Trennung der Fachaufgabe Wasserschutzpolizei in einen Küsten- und Binnenbereich. Während die Küste weiterhin als Aufgabenschwerpunkt unter einheitlicher Führung durch das Kompetenzzentrum in Wilhelmshaven steht, sind die Binnendienststellen der Führung durch die jeweiligen Flächendirektionen unterstellt. Eine stärkere Verzahnung mit der Schutzpolizei sollte Synergien herstellen.
Die Gewerkschaft der Polizei hat schon vor der Neuausrichtung auf mögliche Konsequenzen und Gefahren hingewiesen. Um eine Einschätzung zu bekommen, wie sich die Neuausrichtung bei der Schifffahrt, bei Behörden, Verbänden und Vereinen rund ums Wasser bemerkbar macht, ob gar positive Entwicklungen festzustellen seien, startete die Gewerkschaft der Polizei im Mai 2012 eine schriftliche Umfrage bei über 200 Adressaten.
Nur jede fünfte Rückmeldung sah keine Veränderung in der wasserschutzpolizeilichen Aufgabenwahrnehmung. 80 % der Rückmeldungen, die meist ein gesammeltes Meinungsbild der Vereine oder Verbände widerspiegelte, sahen die neue Ausrichtung der Wasserschutzpolizei durchaus kritisch.
Für eine Auswertung der Rückmeldungen wurden die genannten Kritikpunkte nach jeweiligem örtlichen Zuständigkeitsbereich gegliedert und und nachfolgend aufgelistet:
PD Göttingen
- keine oder weniger Kontrollen durchgeführt. Das führt dazu, dass schneller und undisziplinierter gefahren wird.
- Anwesenheit der Beamten deutlich geringer geworden
- Streifenfahrten auf der Hamme nur noch sehr selten
- mehr Verstöße im Bereich Geschwindigkeit, Liege-/Anlegeverbote, unerlaubtes Entsorgen von Abfällen
- ohne WSP kein Sicherheitsgefühl auf der Oberweser
- Zunahme von Geschwindigkeitsüberschreitungen auf der Oberweser
- Präsenz der WSP in Langwedel sehr selten geworden
- auf der Weser wird mit Booten gerast und Wasserski gefahren, seit sich herumgesprochen hat, dass die WSP nur noch in Nienburg beheimatet ist
- kein persönlicher Kontakt mit der WSP mehr vorhanden
- WSP fast unsichtbar, weil sie kaum Präsenz zeigt
- weniger Kontrollen und Präsenz
- Präventionsarbeit merklich weniger geworden
- Die Beamten kommen nur, wenn wir sie rufen
- WSP nachts nicht zu erreichen
- keine Ansprechpartner bekannt
- polizeiliche Streifentätigkeit deutlich verringert
- keine kompetenten Ansprechpartner in der Schutzpolizei
- Belästigung der Schifffahrt durch Badende
- deutlicher Anstieg der Einbruchs- und Diebstahlkriminalität
- hoher Bedarf an Streifenfahrten in Hafenbereichen
- überhöhte Geschwindigkeit wegen geringerer Präsenz der WSP, dadurch Schäden an fest liegenden Booten durch sehr starke Bewegungen
- Zunahme an Schwarzanglern, überhöhte Geschwindigkeit von Berufsschiffen, illegale Müllentsorgung
- verlängerte Reaktionszeit bspw. bei Gewässerverunreinigungen
- ausbleibende Geschwindigkeitskontrollen
- fehlende Präsenz vor Ort
- Schäden an Festliegern durch Sog und Wellenschlag zu schnell fahrender Schiffe
- Mangel im Informationsfluss zwischen den Standorten der WSP
- Fachwissen der Schutzpolizei nicht ausreichend
- nautischer Sachverstand vor Ort von außerordentlicher Wichtigkeit
- Boot der WSP Brake nicht zeitnah einsatzbereit
- Zusammenarbeit der Hafenbehörde mit der WSP nach Feierabend und am Wochenende sehr zum Nachteil entwickelt
- Streifenpräsenz vor Ort kaum noch wahrzunehmen
- Schäden durch mit unangemessener Geschwindigkeit fahrender Binnenschiffe
- polizeiliche Präsenz geringer geworden
- fachkundige Personen für die Abwicklung von Einsätzen erforderlich
- starke Präsenz vor Ort nicht mehr vorhanden
- ständig wechselnde Ansprechpartner
- Zunahme von Vandalismus
- örtliche Polizei mit WSP-Gegebenheiten nicht vertraut
- Informationswege sehr lang und kompliziert geworden
- Schutzpolizei sieht keinen Schwerpunkt einer Streifenpräsenz im Hafen Papenburg
- Wettbewerbssituation verschlechtert, weil Gastlieger im Hafen Papenburg ausbleiben
- vermehrte Präsenz von Streifenwagen am Kanalweg in WHV fällt auf
- Präsenz der WSP in Norddeich stark abgenommen
- regelmäßige Besprechungen mit WSP finden nicht mehr statt
- Boot der WSP nicht verfügbar, wenn an Bremen ausgeliehen
- kein direkter Ansprechpartner in Norddeich
- kein persönliches Verhältnis zu den Kollegen in WHV
- wenig Kontakte zur WSP
- Präsenz oder Regattabegleitung ist nicht mehr wahrnehmbar
- geringere Präsenz durch WSP-Einheiten im Wattenmeer
- Präsenz der WSP im Hafen hat deutlich abgenommen
- keine Reaktion auf Einladungen
- telefonisch schwer zu erreichen
- Bearbeitung von maritimen Ereignissen nicht mehr vollständig gesichert
- Präventionsarbeit oder Streifendienst haben erheblich nachgelassen
Zusammenfassend kann aus Sicht der GdP festgestellt werden, dass die beabsichtigten Ziele der Neuausrichtung der WSP sich nicht erfüllt haben. Erhoffte Synergien zwischen Schutzpolizei und WSP haben sich nicht eingestellt. Die Wahrnehmung der wasserschutzpolizeilichen Aufgaben hat durch die Organisationsänderung der niedersächsischen CDU-FDP-Landesregierung massiv gelitten. Mit dem derzeit zur Verfügung stehenden Personalbestand ist eine ausreichende Präsenz der WSP nicht mehr zu gewährleisten.
Die Forderungen an eine zukunftsorientierte Wasserschutzpolizei sind durch die Umfrageergebnisse deutlich formuliert worden:
- regelmäßige wasserschutzpolizeiliche Präsenz und Kontakt zur Schifffahrt
- Erhalt der wasserschutzpolizeilichen Fachkompetenz in der Zusammenarbeit mit den Schifffahrtstreibenden
- einheitliche Führung zur optimalen Aufgabenwahrnehmung
dafür spricht auch, dass Niedersachsen nach Bekanntwerden der ungenügenden Aufgabenwahrnehmung an der Oberweser (eine einzige Bootsstreife in 2011!) nun die Zuständigkeit auf der Oberweser ab Karlshafen sowie Werra und Fulda an das Land Hessen abgegeben hat.
Michael Kock
Fachausschuss Wasserschutzpolizei der GdP Niedersachsen
20.12.2012