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Stand der Dinge: Vorratsdatenspeicherung

Nach EuGH-Urteil: Quo vadis, Vorratsdatenspeicherung?

Foto von Chris Yang auf Unsplash

Die andauernde Kontroverse um die Vorratsdatenspeicherung und die damit verbundene Personalisierbarkeit von IP-Adressen beschäftigt auch den FA Kripo der GdP Niedersachsen. Aktuellen Anlass dazu gibt das im September 2022 veröffentlichte Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Vorratsdatenspeicherung, das derzeit bei der Gestaltung der nationalen Gesetzgebung zur Vorratsdatenspeicherung eine wesentliche Rolle spielt.

Nils Padeken
Um die Gesetzgebung zu unterstützen, hat der FA Kripo entschieden, sich näher mit dieser speziellen Thematik zu beschäftigen und Anforderungen für eine praxistaugliche gesetzliche Regelung in einem Positionspapier zu formulieren. In einem Online-Vortrag stellte Oberstaatsanwalt Carsten Rosengarten von der Generalstaatsanwaltschaft Celle am 11. Mai 2023 aus juristischer Perspektive die Entwicklung der nationalen Gesetzgebung dar und gab den Teilnehmenden einen Ausblick in die Zukunft.

Der FA Kripo der GdP Niedersachsen hatte sich aufgrund der Wichtigkeit des Themas entschieden, bundesweit allen interessierten GdP-Mitgliedern die Teilnahme zu ermöglichen, was trotz des speziellen Themas eine erfreulich hohe Resonanz bewirkte, sodass etwa 50 interessierte Kolleginnen und Kollegen teilnahmen.

Deutlich wurde in dem Vortrag, dass eine praxistaugliche nationale Regelung zur Vorratsdatenspeicherung von entscheidender Bedeutung ist, wenn die Ermittlungsbehörden in der Lage sein sollen, erfolgreiche Ermittlungsverfahren zu führen. IP-Adressen fallen heute bei jeder Art von digitaler Kommunikation an und bieten den Ermittlungsbehörden darum einen wesentlichen Ermittlungsansatz. Entscheidend dafür ist allerdings, dass IP-Adressen rückwirkend (retrograd) personalisiert werden können. Dafür ist es notwendig, dass auch die zu den IP-Adressen gehörenden Portnummern gespeichert und zugänglich gemacht werden. Andernfalls, so verdeutlichte Rosengarten in seinem Vortrag, hätte dies den Effekt, als ob bei der Überwachung eines Stadtteils zwar die Straßennamen gespeichert würden, in denen sich strafrechtlich relevante Vorfälle ereignen, nicht aber die dazugehörenden Hausnummern. Provider nutzen technische Möglichkeiten, um mehreren Nutzern gleichzeitig eine IP-Adresse zuzuweisen. Eine Personalisierung funktioniert jedoch häufig nur im Zusammenspiel mit der Portnummer.

Derzeit ist geplant, dass eine Vorrats¬datenspeicherung ohne Verwendungszweck nur in Fällen einer schweren, räumlich und zeitlich zu begrenzenden Gefahr für die öffentliche bzw. nationale Sicherheit (z. B. Terrorlagen) möglich sein soll. Unabhängig von den Überlegungen zur gesetzlich verpflichtenden Vorratsdatenspeicherung ist den Providern bereits heute die Möglichkeit eingeräumt, Vorratsdaten für eigene Zwecke (z. B. Rechnungslegung) für maximal sieben Tage zu speichern. Eine gesetzliche Verpflichtung dazu existiert aber nicht und daher wird diese Frist auch in unterschiedlichem Umfang genutzt. Liegen die Daten bei dem Provider vor, können die Ermittlungsbehörden im Bedarfsfall darauf zugreifen.

Diese Möglichkeit der Datenerlangung durch Ermittlungsbehörden, die auf der zufälligen Verfügbarkeit je nach Provider beruht, ist seit Jahren gängige Praxis, entspricht jedoch eindeutig nicht dem Anspruch der Ermittlerinnen und Ermittler. Der EuGH hat ausdrücklich entschieden, dass „Quell-IP-Adressen“ zumindest bei schweren Straftaten sowie Gefahren für die öffentliche Sicherheit gespeichert und beauskunftet werden können (erweiterte Bestandsdatenauskunft). Darum fordert die GdP eine nationale gesetzliche Grundlage in Übereinstimmung mit EU-Recht, welche grundsätzlich die in die Vergangenheit gerichtete Personalisierbarkeit von IP-Adressen ermöglicht.

Laut EuGH-Urteil soll die dafür notwendige Speicherfrist nicht unnötig lang, aber so gestaltet sein, dass Ermittlungen erfolgreich geführt werden können. Der FA Kripo plädiert dafür, diesen Zeitraum anhand von Erfahrungen aus der Praxis festzulegen, welche durch konkrete Beispiele aus der Ermittlungspraxis erhoben werden. Als wenig sinnvoll werden die von der Bundesregierung derzeit geplanten Ansätze zur Gestaltung der durch das Urteil des EuGH eröffneten Möglichkeiten zum sogenannten „Quick-Freeze“ bewertet, bei dem vorliegende Verkehrsdaten in bestimmten Fällen bei den Providern „eingefroren“ und dadurch zwar längerfristig verfügbar werden, aber keinen Blick in einen sinnvollen Zeitraum in der Vergangenheit zulassen.

Der Vortrag des Oberstaatsanwalts Rosengarten hat einen wichtigen Beitrag für das Ziel des FA Kripo der GdP Niedersachsen geleistet, ein möglichst konkretes, objektives und faktenbasiertes Positionspapier zu formulieren, mit dem die Argumente der GdP beim anstehenden Gesetzgebungsprozess für eine rechtssichere und praxistaugliche Lösung beitragen. Andernfalls droht neben fortschreitendem Verdruss bei den Ermittlerinnen und Ermittlern ein schmerzlicher Vertrauens- und Ansehensverlust der Polizei in der Bevölkerung.

Nils Padeken, FA Kripo
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