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Landesjournal Niedersachsen Juli 2011 -
UNTERNEHMENSKULTUR & GESUNDE ARBEIT -
Umgang mit Beschäftigten - nicht nur ein Problem der freien Wirtschaft!

Firmen der freien Wirtschaft werden immer wieder kritisiert, weil sie mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgehen, als wären sie reine Kostenfaktoren. Der Aufschrei ist dann immer groß und Politiker/-innen aller Parteien stimmen sofort lautstark mit ein.


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Dietmar Schilff, Landesvorsitzender der GdP Niedersachsen (Foto: Archiv)
Dietmar Schilff, Landesvorsitzender der GdP Niedersachsen (Foto: Archiv)

Wenn man Medienberichte der letzten Jahre verfolgt, so wird immer wieder das asoziale Verhalten von Firmen beschrieben, ob Lidl, KiK oder ganz aktuell Alstom, dem Salzgitteraner Zugbau-Unternehmen. Bei vielen Firmen gibt es keinen Betriebsrat, der die Interessen der Beschäftigten ohne Angst unter Zuhilfenahme von Gewerkschaften vertreten kann. Und dort, wo es von jeher ein gutes Miteinander zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten gab, werden aufgrund von Umstrukturierungsmaßnahmen und Verkäufen an ausländische Unternehmen die Mitbestimmung und das einvernehmliche Miteinander zum Wohle des Betriebes und der Beschäftigten in Frage gestellt. Dann geht es nur noch um Abbau von Arbeitsplätzen, Kostenreduzierungen, höhere Produktivität und Erhöhung des „Shareholder Value“, also des Aktionärswertes der Firma.


 
 
Negativfall Alstom: Gewinnmaximierung versus Lebensgrundlage für hunderte Familien

Ein erschreckendes Beispiel ist hier das Traditionsunternehmen Linke-Hofmann-Busch. Das Eisenbahnwerk wurde mehrfach umstrukturiert, und seit 1996 hatte das international agierende französische Unternehmen Alstom 100% der Aktien erworben. Trotz guter Auftragslage soll nunmehr der Stahl-Rohbau nach Polen verlagert werden, um damit 700 der 2800 Arbeitsplätze in Salzgitter einzusparen. Die IG Metall und der Betriebsrat befürchten sogar den Abbau von 1400 Arbeitsplätzen, der den gesamten Standort in Frage stellen und umliegende Firmen und Betriebe ebenfalls hart treffen würde. Außerdem haben die Arbeitnehmerschaft sowie die Familien natürlich Angst bei dem Gedanken an den Verlust des Arbeitsplatzes.

Das Management von Alstom hatte wochenlang Vorschläge der IG Metall und des Betriebsrates zur Standortsicherung verworfen, und der Geschäftsführer des Werkes in Salzgitter hat immer wieder unmissverständlich klargemacht, dass er sich auf keinerlei Angebote einlassen werde.

Der Aufschrei durch alle Parteien war groß. Im Nds. Landtag wurden dazu Debatten geführt und Solidaritätsbekundungen abgegeben. Ministerpräsident David McAllister sagte dazu am 06.05.2011: „Die gesamte Politik steht hinter den Forderungen der Beschäftigten, denn das Verhalten der Manager in Paris ist nicht nachvollziehbar und völlig inakzeptabel.“1 Und auch bei der Großdemo am 25.05.2011, wurden die Beschäftigten vom MP McAllister, vom SPD-Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel und anderen Parlamentariern unterstützt. Alle forderten zu Recht Gesprächsbereitschaft des Managements und dauernde Beteiligung der Beschäftigtenvertretungen ein. Sie forderten dazu auf, die Betonmentalität aufzugeben und geißelten das abgehobene Verhalten der Betriebsleitung.

So geht es also in der freien Wirtschaft zu, nimmt man als glücklicher Beschäftigter des öffentlichen Dienstes kopfschüttelnd zur Kenntnis.

Maßstab gilt auch für Polizei

Gut, dass es so etwas bei uns nicht gibt, dass Politiker und insbesondere Minister Beteiligung und Vorschläge der Beschäftigtenvertretungen ernsthaft prüfen und im Falle einer anderen Entscheidung diese vorher darüber informieren.

Schön wär's! Leider ist das Gegenteil bei der Polizei der Fall, immer und immer wieder. Und leider nimmt sich der Ministerpräsident dieser Sachen nicht so an, wie der Ungerechtigkeit in Salzgitter.

Sind die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes etwa Menschen zweiter Klasse, mit denen man so umspringen kann oder ist das Interesse der Öffentlichkeit und der Medien etwa entscheidend für ein gedeihliches und beschäftigtenfreundliches Miteinander und für die Skandalisierung der betreffenden Unternehmenskultur der Privatunternehmen durch die Politik?

Es scheint fast so. An drei Beispielen von vielen wird das deutlich:

    1. Das Dienstpostenkonzept A 11 wurde ohne Schlussinformation des Polizeihauptpersonalrates (PHPR) eingeführt, obwohl seitens des PHPR dem Minister ein Kompromissvorschlag übergeben wurde. (siehe DP Okt. 2010)
    2. Die 100%-ige Vergütung von Bereitschaftszeiten wurde von der GdP vor dem OVG Lüneburg erstritten. Am 14.02.2011 informierte der Innenminister die Presse über eine fragwürdige Abrechnung der restlichen noch ausstehenden Stunden bis zur Revisionsverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, ohne den PHPR nur mit einem Wort vorher darüber zu informieren, geschweige denn ihn zu beteiligen. (siehe DP März 2011)
    3. Am 09.05.2011, fast ein Jahr nach dem tragischen Unglück in Göttingen, bei dem drei Kollegen des Kampfmittelbeseitigungsdienstes (KBD) bei einer Bombenräumung ihr Leben lassen mussten, verkündete Innenminister Schünemann erneut eine Veränderung über die Köpfe der Personalvertretungen und Beschäftigten hinweg, die sie wie einen Schlag ins Gesicht traf: Der KBD soll zum 01.01.2012 aus der ZPD verlagert und in weiten Teilen privatisiert werden. Niemand aus den Interessenvertretungen wurde vorher beteiligt, niemand der Beschäftigten hatte das erwartet. Arbeitsplatzangst griff sofort um sich. (Pressemeldung GdP Niedersachsen 10.05.2011)

Dies sind nur drei Beispiele von etlichen in den letzten Jahren, die zeigen, dass es nicht weit her ist mit den geäußerten Forderungen an Private einerseits und der Umsetzung in eigene Unternehmenswerte andererseits.

Betroffene und Personalvertretungen erfahren von Privatisierung des KBD aus den Medien

Wir haben MP McAllister umgehend angeschrieben und den Umgang mit den Mitarbeitern des KBD als unwürdig bezeichnet. Nach unserer Auffassung wurde mit der öffentlichen Mitteilung, dass die Aufgaben durch private Anbieter besser erfüllt werden könnten, eine neue Qualität des respektlosen Umgangs mit Beschäftigten des öffentlichen Dienstes erreicht. Unseres Erachtens sollte niemand von dem Umstand, dass er für überflüssig erachtet wird, aus der Presse erfahren, egal ob bei Alstom, wo sich McAllister ja mächtig in die Bresche geworfen hat, oder bei der Polizei.

Vertrauen und Engagement der Beschäftigten wurden wieder einmal mit Füßen getreten. Die GdP hat Innenminister Schünemann aufgefordert, den Betroffenen umgehend „reinen Wein einzuschenken“ und endlich auch die Personalvertretung zu beteiligen. Elisabeth Heister-Neumann, MdL und Ministerin a.D., sagte zum Fall Alstom, es mache sie wütend, die Sprachlosigkeit und mangelnde Kooperationsbereitschaft des Managements der Firma Alstom ggü. den Betriebsräten und Gewerkschaften zu sehen. Dem kann man nur zustimmen. An eben diesem Maßstab muss allerdings auch der Umgang mit den Angehörigen der Polizei gemessen werden.

Das Verhalten und die Äußerungen des Innenministers sorgen indessen für starke Irritationen. Die Gewerkschaft der Polizei und die gewählten Vertreter/-innen lassen sich jedenfalls nicht den Mund verbieten oder sich einschüchtern, wenn es um die Interessen ihrer Mitglieder geht. Die lange Liste der Ungerechtigkeiten und der äußerst fragwürdige Umgang mit Beschäftigten werden wir in den nächsten Monaten verstärkt auch öffentlich kommunizieren.

Die GdP weiß nicht, wie die Situation in anderen Ressorts aussieht, aber unabhängig davon erwarten die Beschäftigten, die Personalvertretungen und die GdP, dass die berechtigten Forderungen der Politik an Privatunternehmen endlich auch Einzug bei der Hausspitze des Innenministeriums finden.

Herr Ministerpräsident, machen Sie von Ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch!

Dietmar Schilff,
Landesvorsitzender

1 Pressemitteilung der Stk vom 24.05.2011 (http://www.stk.niedersachsen.de/live/live.php?navigation_id=1130&article_id=96624&_psmand=6)

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