Landesjournal Niedersachsen Juli 2023 - Leitartikel - Anforderungen an Dienstkleidung - Qualität und Funktionalität im Fokus
Thomas Prange: Es ist richtig, dass wir vordergründig eine wesentliche Preissteigerung im LZN bei der Bekleidung zu verzeichnen haben. Warum diese Preissteigerung vorhanden ist, muss allerdings differenziert betrachtet werden.
Seit etwas mehr als zehn Jahren haben wir einen Paradigmenwechsel bei der Gestaltung und Beschaffung der Dienstbekleidung vorgenommen. Vorher war Dienstbekleidung tatsächlich nur die optische Ausgestaltung behördlichen Handelns. Polizei musste als Polizei erkennbar sein. Funktionale Eigenschaften sowie die Qualität wurden bei der Beschaffung fast durchgängig außen vor gelassen. Das Hauptaugenmerk lag auf dem Kauf möglichst preisgünstiger Produkte.
Heute sind wir so weit, dass wir in Workshops Bedarfe ermitteln und die Anwendenden ob der Bedarfe direkt fragen. Kleidung soll funktional und gendergerecht gestaltet sein, die alltägliche Arbeit unterstützen, kompatibel mit den vorhandenen FEM sein, bekleidungsphysiologische Eigenschaften besitzen – das heißt zum Beispiel, dass eine Winterjacke im Winter auch wärmen soll – und zu guter Letzt auch qualitativ hochwertig sein. Zudem spielen die Faktoren der nachhaltigen Produktion sowie des modernen äußeren Erscheinungsbildes auch eine zunehmend wichtigere Rolle.
Es geht somit nicht mehr darum, günstig einzukaufen, sondern anforderungsgerecht. Und dies hat selbstverständlich seinen Preis. Andere Materialien und Qualitäten sind von sich aus eben teurer. Die Bekleidung von vor zehn Jahren ist mit der heutigen nicht mehr ansatzweise vergleichbar.
DP: Aber die Preise der Hersteller werden doch über die letzten Jahre trotzdem generell gestiegen sein?
Prange: Die Preise der Hersteller sind in den letzten Jahren auch per se gestiegen. Die Corona Pandemie sowie der Russland-Ukraine-Krieg haben dazu geführt, dass eine deutliche Knappheit an Grundstoffen am Markt vorhanden ist, Lieferwege zusammengebrochen sind, Transportwege sich immens verteuert haben und Fertigungsstätten komplett weggebrochen sind. Zudem haben einige Firmen die schwere Zeit wirtschaftlich nicht überstanden und mussten schließen. Weniger Hersteller bedeutet mehr Monopole – und die Hersteller bestimmen den Preis!
Da hilft uns immer noch der Bekleidungsverbund mit den anderen Bundesländern, denn Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Niedersachsen und Thüringen nutzen gemeinsam das Angebot des LZN. Aufgrund der gemeinsam höheren Beschaffungsmenge können wir gemeinsam vom Preisvorteil profitieren. Allerdings ist es leider in einigen Bereichen so, dass wir als Polizei froh sein müssen, überhaupt ein Angebot der Hersteller zu bekommen. Wir sind als Polizei am Markt leider nicht so attraktiv, wie viele glauben.
DP: Und wie setzt sich der Preis im Webshop zusammen?
Prange: Zu Einkaufspreisen des LZN kommen noch die Mehrwertsteuer und der sogenannte Gemeinkostenzuschlag (GKZ) des LZN. Der GKZ deckt die Kosten des LZN für die Durchführung der Vergabeverfahren, den Betrieb des Webshops nebst Bestellprozess, die Logistik, die Lagerung und die Verwaltung.
DP: Wird es damit nicht teurer als auf dem freien Markt, also zum Beispiel bei Zalando?
Prange: Gängige Onlineanbieter müssen sich auch nicht an Richtlinien halten, die für uns entweder zwingend vorgegeben oder selbstverständlich sind. Wenn wir einen Zuschlag zur Produktion erteilen, dann holen wir zum Beispiel Nachweise zum Ausschluss von Kinderarbeit oder Zahlung des im Herstellerland vorgeschriebenen Mindestlohns ein. Und auch die Umweltzertifikate, die wir verlangen, spielen bei vielen Bekleidungsshops keine Rolle. Trotzdem können wir mit den Preisen am Ende mithalten!
DP: Kommen wir zur neuen Sportbekleidung. Hier gab es zuletzt einen deutlichen Preissprung...
Prange: … und einen Sprung in Sachen Qualität! Die bisherige Sportkleidung war vor allem billig und nicht ansatzweise funktional! Wir wollten bedarfsgerechte Artikel für Hallen- und Laufsport. Bei der Auswahl hat uns wieder einmal die Einbindung der Kolleginnen und Kollegen sehr geholfen, wie wir es seit einigen Jahren mit unseren FEM-Workshops machen. So konnten wir die Bedarfe erkennen und ausgehend davon einen Rahmenvertrag über eine gesamte Sportkollektion abschließen.
Thomas Wolff: Dabei gab es übrigens auch die Überlegung, die Kleidungsstücke zum Beispiel mit einem Polizeistern individueller zu gestalten. Wir haben uns aber dagegen entschieden, weil die Artikel auch privat genutzt werden. Dabei war uns die Wirkung wichtig. Es würde durch das Tragen eines auf die Polizei zurückzuführenden Kleidungsstückes eine Erwartungshaltung entstehen. Außerdem möchte vielleicht nicht jede und jeder privat als Polizist erkennbar sein.
DP: Könnte man den Kolleginnen und Kollegen das Geld für individuelle Artikel wie den Laufschuh denn alternativ einfach erstatten?
Wolff: Der Nachweis und die Verrechnung würde einen erheblichen Verwaltungsaufwand bedeuten, außerdem werden dann die von unserer Dienstkleidung geforderten Standards nicht unbedingt eingehalten.
DP: Warum stellt man neu eingeführte Artikel, wie die Außentragehülle oder die Funktionsjacke nicht allen Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung?
Wolff: Wie schon in den vergangenen Jahren erfolgt die Einführung solcher neuen Artikel sukzessive. Eine zentrale Finanzierung kann aufgrund der verfügbaren Haushaltsmittel nicht erfolgen. Um eine Einführung trotzdem vornehmen zu können, müssen wir dies schrittweise tun. Letztlich müsste zentrales Geld aus dem Polizeihaushalt erwirtschaftet werden müssen und an anderer wichtiger Stelle fehlen.
Prange: Für alle, die jetzt neu in die Polizei kommen, gehört stattdessen die neue Funktionsjacke zur Grundausstattung, die sie mit Beginn des Studiums erhalten.
DP: Für alle anderen kostet die Beschaffung der Funktionsjacke aber über 400 Euro.
Prange: Das stimmt. Ich komme noch einmal auf die Steigerung bei der Qualität zu sprechen: Die Funktionsjacke ist die beste Jacke, die wir bei der Polizei Niedersachsen jemals hatten! Das spiegelt sich dann im Preis wider. Und die Kosten-Nutzen-Relation ist damit auch gegeben.
DP: Abschließend noch eine Frage zu den Lieferzeiten: Welche Rolle spielen hier die Folgen von Corona und des russischen Angriffskrieges?
Prange: Wie schon oben erwähnt, hat beides zu großen Problemen geführt! Aufgrund von Firmenschließungen im Rahmen von Corona gab es Stoffe, die global nicht mehr verfügbar waren. Mit dem Krieg sind dann weitere Lieferketten zusammengebrochen. Bei der Einsatzkombi stammten zum Beispiel die Stoffe aus China, die Verarbeitung fand in Firmen in der Ukraine statt. Doch auch die Handelsbeschränkungen gegen Russland haben ihre Auswirkungen auf die Lieferzeit. Vor einigen Jahren konnten Containerschiffe am Hamburger Hafen innerhalb eines Tages entladen werden. Da einige Lagerplätze jedoch mit russischen Containern belegt sind, dauert das Entladen nun teilweise bis zu drei Wochen. Ein Umstand, der sich auf Lieferzeiten und Preise niederschlägt.
Wir versuchen aber gemeinsam alles, um die Lieferzeiten so gering wie möglich zu halten. Dafür sind wir im engen Austausch mit dem LZN. Vielfach sind wir leider fremdbestimmt was das angeht. Es ist auch wirklich vielfach schwer zu vermitteln, dass ein Online-Premium-Dienst 24 Stunden für eine Lieferung braucht und das LZN Wochen oder gar Monate. Das Backend ist aber ein komplett anderes und die Rahmenbedingungen sowie die Lieferprozesse sind nicht ansatzweise vergleichbar. Das LZN bemüht sich wirklich sehr, lieferfähig zu sein und die Bestellungen „as soon as possible“ ausliefern zu können.
DP: Vielen Dank euch beiden für eure Zeit und das informative Gespräch!
Philipp Mantke, Landesredakteur
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