Zum Inhalt wechseln

Reichsbürger und kein Ende

Die TOP-6-Mythen der „Reichsbürger“

Am Ende des letzten Jahres kam es zu einigen Einsätze im Zusammenhang mit Reichsbürgern, die schwer eskalierten.
Nicht erst seit dieser Zeit sind immer wieder immer wieder Fragen zu Thesen und Behauptungen der „Reichsbürger“ an uns herangetragen worden.

Auf meine Bitte hat sich das Journalistenbüro kevennau.press mit den Thesen und Behauptungen der Reichsbürger beschäftigt und sich mit dem Wahrheitsgehalt auseinandergesetzt.

Wir werden in dieser und den nächsten Ausgaben seine Antworten zu den TOP 6 der Mythen der „Reichsbürger“ in der Deutschen Polizei veröffentlichen.

Achtung, der Umgang mit „Reichsbürgern“ ist schwierig, sie sind rationellen Argumenten meist nicht zugänglich. Diskussionen sind wenig zielführend.

Bei dienstlichen Auseinandersetzungen mit „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ ist z. B. der Flyer „Was ist zu tun?“ des Verfassungsschutzes Sachsen-Anhalt hilfreich.

Dieser Ratgeber und weitere Hinweise findet ihr auch im INTRAPOL der Polizei oder auf der Webseite der GdP.


Die Behauptungen der „Reichsbürger“ im Fakten-Check:

Das Deutsche Reich ist nicht untergegangen“, „Das Grundgesetz ist nicht gültig“: „Reichsbürger“ ergehen sich in absurden Ansichten.

Auch wenn die Zahl der „Reichsbürger“ in Sachsen-Anhalt im bundesweiten Vergleich gering ist - im Netz erlangen sie immer mehr an Bedeutung. Man stößt immer wieder auf ihre Thesen. Polizisten im Alltag haben die Herausforderung, mit diesen umzugehen. Was kann man entgegenbringen? Dazu haben wir eine sechs-teilige Serie gestartet, die die Mythen der „Reichsbürger“ aufgreift und dabei unterstützen soll, diese im Dienstalltag zu widerlegen.

Mythos 1: „Das Grundgesetz ist nicht gültig“

Mythos 2: „Deutschland hat keinen Friedensvertrag!“

Mythos 3: „Die Bundesrepublik Deutschland ist eine Firma (BRD-GmbH)“

Mythos 4: „Das Grundgesetz besitzt keine direkte demokratische Legitimation“

Mythos 5: „Das Grundgesetz ist nicht mehr gültig, da kein Geltungsbereich zusammen mit dem Artikel 23 GG der alten Fassung aufgehoben wurde“

Mythos 6: „Das Grundgesetz ist keine Verfassung“ (Artikel 146 GG)

Auf den Seiten des gemeinnützige Organisation "DER GOLDENE ALUHUT" gibt es die interessante Broschüre: "Der Reichsbürger-Leitfaden" zum Download.


Mythos 1: „Das Grundgesetz ist nicht gültig“

Kern dieser Behauptung ist der Glaube, der Name Grundgesetz (GG) deute bereits darauf hin, dass es sich nicht um eine Verfassung handele. Dazu wird gern auch der Artikel 146 GG von den Reichsbürgern zitiert:

„Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“ (GG, Art. 146)

Diese Aussage, das „Grundgesetz ist nicht gültig“, ist falsch. Richtig ist: Die Verbündeten haben nach dem Zweiten Weltkrieg explizit eine verfassungsgebende Versammlung, den Parlamentarischen Rat, gefordert. Zu damaliger Zeit war die Namensgebung ein politisches Geschenk an die Ost-Zone durch die deutschen Ministerpräsidenten gewesen. Die baldige Wiedervereinigung streute Zuversicht, die nicht sinnbildlich durch den Erlass einer Verfassung gedrückt werden sollte. Die durch den Parlamentarischen Rat erstellte „Konstitution“ (Verfassung) ist durch die Alliierten bewilligt worden. Mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes wurde die Weimarer Verfassung aufgehoben, da lediglich nur eine Verfassung in der Republik ausgefüllt werden kann. Der Artikel 146 GG deutet auf die Zuversicht einer erneuten Vereinigung der deutschen Staatsgebiete hin, die anderen Staaten zugwiesen wurden, nach Ende des zweiten Weltkrieges. 1990 wurde das Ziel, mit Anklang der Oder-Neiße-Grenze, zwischen Deutschland und Polen offiziell fallen gelassen.

Hintergrund: „Reichsbürger“ ist der Oberbegriff, unter dem sich verschiedene Gruppierungen vereinen, diese sehen sich als Bürger des so genannten „Deutschen Reiches“. Für diese existiert die Bundesrepublik Deutschland nicht. Alle Gesetze und steuerlichen Abgaben sowie Zahlung von Sozialabgaben und Bußgeldern in der Bundesrepublik haben für „Reichsbürger“, laut Ihrer Auffassung, keine Gültigkeit.


Mythos 2: „Deutschland hat keinen Friedensvertrag!“

Die Argumentation teilt sich in zwei Alternativen ein: Erst wird behauptet, dass schon seit dem ersten Weltkrieg kein Friedensvertrag mit Deutschland und den Alliierten bestünde. Der „Versailler Vertrag“ wurde vom US-Kongress nicht ratifiziert, demnach befindet sich Deutschland mit den USA immer noch im Krieg. Dies entspricht einerseits der Wahrheit und anderseits basierend auf Fehlinformationen. Es ist richtig, dass der US-Kongress den „Versailler Vertrag“ nicht ratifiziert hat. Allerdings wurde im Jahr 1921 ein gesonderter Frieden zwischen dem Deutschen Reich und den USA geschlossen.

Als zweite Argumentation geht es um den Nichtabschluss eines Friedensvertrags im zweiten Weltkrieg. Demzufolge habe am 08. Mai 1945 lediglich die deutsche Wehrmacht kapituliert, jedoch nicht das Deutsche Reich. Auch hier besteht die Behauptung aus gefährlichem Halbwissen und falsch wiedergegebenen Fakten: Richtig ist: Einen konkreten Friedensvertrag gibt es nicht. Aber: Es wurden jedoch von den Alliierten einseitige Friedensverträge erlassen. Die Friedenserklärungen erfolgten von Seiten der Westalliierten im Jahr 1951, die Sowjetunion folgte 1955. Ein Vertrag folgte jedoch im Jahr 1990 mit dem 2+4-Vertrag, dieser wurde zwischen Deutschland und den ehemaligen Alliierten geschlossen, somit wurde ein gesonderter Friedensvertrag hinfällig.

Was ist eigentlich der 2+4-Vertrag? In Zehn Artikeln des Vertrags werden die einvernehmlichen und außenpolitischen Aspekte wie auch sicherheitspolitischen Bedingungen der deutschen Vereinigung hinsichtlich seiner Wirkung als Friedenserklärung zwischen Deutschland und den Siegermächten des zweiten Weltkrieges behandelt


Mythos 3: „Die Bundesrepublik Deutschland ist eine Firma (BRD-GmbH)“

„Reichsbürger“ behaupten, die Bundesrepublik Deutschland sei kein Staat, sondern eine Firma. Grundlage dieser Behauptung ist der Eintrag von Bundes- und Landesbehörden sowie Kommunen in so genannten Firmenverzeichnissen. Die Behauptung ist falsch! Behörden von Bund und Ländern lassen sich in Firmenverzeichnissen finden.

Allerdings, sind auch amtliche Stellen Beteiligte im Wirtschaftssystem und deshalb in Registraturen zu finden. Im nationalen und internationalen Warenverkehr unterliegen Ämter den gleichen Regeln wie kleine und mittelständische sowie Großunternehmen, was sie jedoch nicht zu Firmen macht. Ähnliche Behauptungen gibt es für die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern von Regierungsstellen auf Bund- und Landesebene.

Eine noch lächerlichere Version der Argumentation verdeutlicht sich bei dem Titel des „bundesdeutschen Personalausweises“. Dieser soll die Besitzer als „Personal der BRD“ ausweisen. Diese Aussage ist falsch. Richtig ist, das Wort Personal bezieht sich lediglich auf die im Ausweis stehenden Personalien.


Mythos 4: „Das Grundgesetz besitzt keine direkte demokratische Legitimation“

Das ist richtig, Allerdings: Ist eine demokratische Legitimation für eine Verfassung – wie der unseren – nicht erforderlich. Da die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg die Staatsgewalt besaßen, oblag das Vorgehen zur Verfassungsgebung ihnen alleine. Dagegen kann von einer „indirekten Legitimation des Grundgesetzes“ unmittelbar ausgegangen werden.

Die zwischen 1945 und 1948 demokratisch gewählten Delegierten der Landtage arbeiteten das Grundgesetz aus und waren parallel Mitglieder des Parlamentarischen Rates. Ebenfalls richtig ist, dass die Alliierten spezielle Vorgaben zur Ausarbeitung des Grundgesetzes gaben. Jedoch: Ist dies nicht absonderlich, war doch erst das Ende des Zweiten Weltkrieges vier Jahre her, bei dem Deutschland großes Leid verursachte.


Mythos 5: „Das Grundgesetz ist nicht mehr gültig, da kein Geltungsbereich zusammen mit dem Artikel 23 GG der alten Fassung aufgehoben wurde“

Die Reichsbürger vertreten die Auffassung, dass durch den ehemaligen US-Außenminister James Baker am 17. Juli 1990 die Anweisung erfolgte, den Art. 23 Grundgesetz (räumlicher Geltungsbereich des Grundgesetzes/ der Bund und die Länder) durch die Bundesregierung seiner früheren Fassung aufzuheben. Durch die Aufhebung des Geltungsbereiches wurde parallel dazu auch das Grundgesetz außer Kraft gesetzt. Diese Behauptung ist falsch.

Richtig ist: Ohne ausführlichen „räumlichen Geltungsbereich“ haben Verfassungen gleichwohl ihre Gültigkeit. Zudem ist dieser „Geltungsbereich“ in der Präambel des Grundgesetzes verankert.

Abgesehen davon, sichert die so genannte Ewigkeitsklausel* den Fortbestand des Grundgesetzes:

„Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“ (GG, Art. 79)

Die Auflösung des Art. 23 – in der alten Fassung – stand im Zusammenhang mit der Vereinigung der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland. Am 17. Juli 1990 fanden in Paris die Gespräche zum 2+4-Vertrag statt – dieser regelt den Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik. Dieses Datum wird in den Augen der Reichsbürger als das Ende der Bundesrepublik Deutschland gesehen.

Hintergrund:

Was ist die Ewigkeitsklausel? Über diese wird immer wieder einmal gesprochen im Zusammenhang mit dem Grundgesetz. Gemeint ist damit, dass einige Bestimmungen, die im Grundgesetz festgelegt sind, niemals aufgehoben werden können. Sie sind „ewig“, das heißt, sie sind wirksam, solange das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gilt. Dazu gehört unter anderem das Grundrecht: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Es ist in unserer Verfassung in Artikel 1 niedergeschrieben.

(Quelle: Gerd Schneider / Christiane Toyka-Seid: Das junge Politik-Lexikon von www.hanisauland.de, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2017.)


Mythos 6: „Das Grundgesetz ist keine Verfassung“ (Artikel 146 GG)

Behauptet wird, dass der Name „Grundgesetz“ nicht auf eine Verfassung deute. Hierzu wird von den Reichsbürgern gern der Artikel 146 GG zitiert, darin heißt es:

„Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“ (GG, Art. 146,1)

Diese Aussage, das „Grundgesetz ist nicht gültig“, ist falsch. Richtig ist: Die Verbündeten haben nach dem Zweiten Weltkrieg explizit eine verfassungsgebende Versammlung, den Parlamentarischen Rat, gefordert. Zu damaliger Zeit war die Namensgebung ein politisches Geschenk an die Ost-Zone durch die deutschen Ministerpräsidenten gewesen. Die baldige Wiedervereinigung streute Zuversicht, die nicht sinnbildlich durch den Erlass einer Verfassung gedrückt werden sollte. Die durch den Parlamentarischen Rat erstellte „Konstitution“ (Verfassung) ist durch die Alliierten bewilligt worden. Mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes wurde die Weimarer Verfassung aufgehoben, da lediglich nur eine Verfassung in der Republik ausgefüllt werden kann. Der Artikel 146 GG deutet auf die Zuversicht einer erneuten Vereinigung der deutschen Staatsgebiete hin, die anderen Staaten zugewiesen wurden, nach Ende des zweiten Weltkrieges. 1990 wurde das Ziel, mit Anklang der Oder-Neiße-Grenze, zwischen Deutschland und Polen offiziell fallen gelassen.


Keven Nau und Rocco Pfaff | kevennau.press

Zum Downloaden der Datei, einfach auf das Bild klicken!

©Gewerkschaft der Polizei (GdP) Landesbezirk Sachsen-Anhalt
©Gewerkschaft der Polizei (GdP) Landesbezirk Sachsen-Anhalt
This link is for the Robots and should not be seen.