Landesjournal Niedersachsen Dezember 2022 - Leitartikel - Koalitionsvertrag – was nun?

seit einem Monat liegt der Koalitionsvertrag der neuen Landesregierung nun vor und bei dessen Bewertung aus unserer Perspektive stellt sich die altbekannte Frage nach dem Wasserglas, das entweder halb voll oder halb leer ist. Einerseits werden diverse unserer Anliegen aufgegriffen, andererseits bleibt der Eindruck, dass wenig greif- und belastbare Zusagen in dem Dokument fixiert sind. Aber der Reihe nach:
Schneller als von vielen gedacht wurde bereits vier Wochen nach der Wahl der Koalitionsvertrag vorgestellt. In Form einer „Rettungsoffensive für die Polizei Niedersachsen“ hatte die GdP den Fraktionen zu den Verhandlungen ein Papier mitgegeben. Darauf standen unsere Forderungen nach verschiedenen Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung der Polizei als Arbeitgeber, mehr Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements bei der Gewerkschaftsarbeit, einer Digitalisierungsoffensive, Investitionen in die Sanierung von Liegenschaften und eine vorausschauende Stärkung der Krisenfestigkeit der Polizei. Uns war es wichtig, dass wir die Forderungen, soweit möglich, mit konkret messbaren Werten hinterlegt haben, wie zum Beispiel die Anhebung der Polizeizulage auf 228 Euro, den Beginn des Freisetzungsprogrammes mit 650 Freisetzungsmöglichkeiten, mindestens 100 Millionen Euro zum Erhalt der digitalen Infrastruktur oder mindestens 300 Millionen Euro für Investitionen in Liegenschaften.
Im Koalitionsvertrag werden nun viele der Themen, die uns am Herzen liegen, auch tatsächlich aufgegriffen. Die Landesregierung bekennt sich darin zur niedersächsischen Polizei und drückt den Beschäftigten ihre Wertschätzung aus. Das zeigt sich auch in diversen Absichtserklärungen, die zeigen, dass unsere Forderungen gehört werden. So will die neue Landesregierung unter anderem die personelle und technische Weiterentwicklung vorantreiben, ein neues Stellenhebungsprogramm einführen, die Polizeizulage erhöhen und deren Ruhegehaltsfähigkeit wiedereinführen, ein höheres Bekleidungsbudget zur Verfügung stellen, ein Investitionsprogramm zur Sanierung von Liegenschaften unter klimapolitischen Gesichtspunkten starten, die Digitalisierung in allen Bereichen stärken und die Initiative „Polizeischutz für die Demokratie“ fortsetzen und stärken. Dass diese Themen angepackt werden sollen, ist eine gute Nachricht und stimmt optimistisch. Aber: Absichtserklärungen alleine werden nicht ausreichen. Im Gegensatz zu den konkreten Forderungen, die wir formuliert haben, sind die Ankündigungen im Koalitionsvertrag oft vage, die Formulierungen bieten Raum zur Interpretation. Es ist zu oft von „wollen“ und zu wenig von „werden“ die Rede – es droht, dass es am Ende am „können“ scheitert.
Während man also einerseits optimistisch gestimmt sein darf, weil die Politik in diversen Punkten guten Willen in unserem Sinne signalisiert, kann man andererseits kritisieren, dass die Hoffnungen auf handfeste Versprechen, an denen man die Ergebnisse auch messen kann, nicht erfüllt wurden. Aber was bedeutet diese Erkenntnis nun für uns?
Es bedeutet, dass es in den nächsten Jahren unsere Aufgabe sein wird, weiterhin engagiert zu bleiben, immer wieder auf die drängenden Anliegen hinzuweisen und die Ankündigungen in diesem Koalitionsvertrag nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. In meinen politischen Gesprächen in den letzten Wochen habe ich immer wieder erfahren, dass unsere Expertise und unser Engagement in der Politik gefragt sind und fraktionsübergreifend unsere gewerkschaftliche Arbeit nicht nur Anerkennung findet, sondern auch Handfestes bewegen kann. Darauf werden wir aufbauen und die positiven Ansätze im Koalitionsvertrag weiter vorantreiben. Gleichzeitig müssen wir uns auch mit den Themen auseinandersetzen, die nicht in unserem Sinne sind. So finden sich auch einige kritikwürdige Passagen, etwa zur geplanten Kennzeichnungspflicht, der Einrichtung einer Ombudsperson oder zu neuen Regelungen zum Vermummungsverbot oder von Onlinedurchsuchungen. Ein besonderes Augenmerk müssen wir vor allem auch auf die Dinge legen, die gar nicht in dem Papier stehen – hier geht es unter anderem um verschiedene Anliegen der Tarifbeschäftigten und Pensionäre. Auch dazu werden wir weiter aktiv bleiben und mit der Erfahrung unserer über 15.000 Beraterinnen und Berater unsere Stimme erheben.
In der Frage, ob das Glas nun halb voll oder halb leer ist, gibt es nämlich noch einen anderen Ansatz. Zu der optimistischen und der pessimistischen Sichtweise kann man auch die realistische hinzuziehen: Das Glas ist voll – halb mit Wasser und halb mit Luft. Unser Ziel muss es sein, die Luft zu verdrängen und aus der guten Grundlage, die der Koalitionsvertrag geschaffen hat, das Beste zu machen. Daran werden wir gemeinsam arbeiten.
Herzliche Grüße
Kevin Komolka
Landesvorsitzender
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