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Gewalt gegen Einsatzkräfte

Durch das Forschungsprojekt AMBOSafe zu neuen Ansätzen der Prävention

Von Anne Herr und Prof. Dr. Clemens Lorei

Foto: jd-photodesign/stock.adobe.com
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Das Forschungsprojekt „AMBOSafe“ untersucht Angriffe auf Bedienstete von Organisationen mit Sicherheitsaufgaben. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist als assoziierter Partner an dem Projekt beteiligt. Für die Befragung „Lagebild“ werden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte für eine freiwillige Teilnahme gesucht. Die Einmalbefragung ist anonym, dauert circa 20 Minuten, und es sind keine Rückschlüsse auf die Behörde, Dienststelle oder Person möglich.

Als Staatsbedienstete setzen sich Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte für den Schutz und die Sicherheit der Gesellschaft ein. Geht es um das Erfüllen dieser Aufgaben und die Durchsetzung von Recht und Ordnung, muss dies in einigen Fällen auch gegen den Willen des Gegenübers und unter Eingreifen in dessen Grundrechte geschehen. Dabei muss mit Gegenwehr des Gegenübers gerechnet werden, sodass der Umgang mit Widerstandsdelikten und Eingriffstechniken in Form von unmittelbarem Zwang bereits in der polizeilichen Ausbildung ein wichtiges Thema ist. Berufsbedingt gehört Gewalt daher zu einem gewissen Anteil zum Polizeialltag dazu.

Doch wie sieht es mit Angriffen gegen Polizeibedienstete aus? Der Bedarf und das öffentliche Interesse am Thema Gewalt gegen Einsatzkräfte erscheint groß. Auch in der wissenschaftlichen Forschung ist es daher in den Fokus gerückt. Die Studienlage zu Gewalt gegenüber Polizei ist im Vergleich zu anderen Berufsgruppen, wie der Feuerwehr oder Rettungskräften, am weitesten ausgebaut und es liegen bereits wichtige Erkenntnisse über die Art und Weise solcher Angriffe vor. Die bisherigen Daten ähneln im Grundsätzlichen dem, was man bereits aus Kriminalitätstheorien über bestimmte Deliktarten weiß und sich auch in der jährlichen PKS widerspiegelt. Die angreifenden Personen handeln in den meisten Fällen allein, sind hauptsächlich männlich und befinden sich überwiegend im jungen Erwachsenenalter. Die Personen stehen häufig unter Alkoholeinfluss und die meisten Angriffe entwickeln sich auf öffentlichen Plätzen und wenn Streitigkeiten im Vorhinein bereits stattgefunden haben.


Wieso braucht es also wieder eine neue Studie?
Zum 1. September 2020 hat mit der Studie AMBOSafe erneut ein umfangreiches Forschungsprojekt begonnen, das in verschiedenen Bereichen um eine freiwillige Teilnahme von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten bittet.

Die bekannten Studien zum Thema Gewalt gegen Polizei liegen mittlerweile bereits 5 – fast 20 Jahre zurück. Seit dem hat sich sowohl gesellschaftlich als auch bei der Polizei einiges verändert. Es ist daher unklar, in wie weit die bisherigen Erkenntnisse so noch zutreffend sind. Neben den bekannten Merkmalen über angreifende Personen und Einsatzarten sind auch noch viele Fragen offen: zum Beispiel, wie sich Angriffe aus Einsatzsituationen heraus entwickeln und wodurch sie beeinflusst werden können. Zentral ist, was man dagegen tun kann. Hier knüpft die Studie AMBOSafe an. Sie unterscheidet sich in vielen Aspekten von den bisherigen Studien.

In einer Kooperation des Bayerischen Roten Kreuzes, der Kriminologischen Zentralstelle in Wiesbaden und der Hessischen Hochschule für Polizei und Verwaltung werden Angriffe auf Mitarbeitende von Organisationen mit Sicherheitsaufgaben untersucht. Gefördert wird das Projekt im Rahmen „Anwender-Innovativ: Forschung für die zivile Sicherheit II“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Dabei werden nicht nur Berufsgruppen der polizeilichen und nicht-polizeilichen Gefahrenabwehr untersucht, sondern auch solche, die bislang weniger in der Forschung berücksichtigt wurden. Die Studie richtet sich daher auch an Mitarbeitende von Verkehrs- und Sicherheitsunternehmen, Notaufnahmen, dem Technischen Hilfswerk oder der kommunalen Ordnungsdienste, die ebenfalls in helfender oder normdurchsetzender Funktion in Konflikt mit ihrem Gegenüber geraten können. Durch eine einheitliche Erhebung in den betreffenden Berufsgruppen können Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Angriffen und wichtige Aspekte der Zusammenarbeit miteinbezogen werden. Damit ist ein übergreifendes Bild skizzierbar und es bieten sich Möglichkeiten für Gegenmaßnahmen auf breiter Ebene.

Wie hebt sich die Studie AMBOSafe ab?
Um in der Durchführung die Forschung und Praxis möglichst eng miteinander zu verzahnen, handelt es sich um ein Projekt mit Verbundpartnern aus unterschiedlichen Disziplinen. Dazu ist durch zahlreiche Behörden, Organisationen und Verbände Unterstützung zugesagt worden. Dadurch sollen Erkenntnisse erlangt werden, die nicht nur in der Theorie eine Rolle spielen, sondern sich auch in der Praxis umsetzen lassen. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP), die sich seit vielen Jahren mit der Problematik der Gewalt gegen Beschäftigte auseinandersetzt, unterstützt das Projekt AMBOSafe als assoziierter Partner.

Als ersten Teil der Befragungen hat das „Ereignisprotokoll“ Anfang Mai 2021 begonnen und erfasst erstmalig das Vorkommen von Angriffen im Dienst in einem längeren Zeitraum. Über vier Monate hinweg geben Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte an, ob sie in der vergangenen Woche Angriffe erlebt haben oder nicht. In dieser Erhebung ist die Definition des Wortes „Angriff“ weiter gefasst. Neben offensichtlich aggressiver Formen von körperlicher Gewalt oder Gewalt gegen Sachen, zählen auch verbale Angriffe, Diebstahl oder das bewusste Behindern und Stören von Maßnahmen dazu. Wohingegen körperliche Angriffe einen vergleichsweise geringeren Anteil der Angriffe ausmachten, so wurden Beleidigungen und Bedrohungen zwar sehr häufig berichtet, aber kaum systematisch erfasst. Konkrete Zahlen darüber, wie häufig diese verbalen Angriffe im Berufsalltag vorkommen, liegen bislang nicht vor. Durch die regelmäßige und zeitnahe Rückmeldung sämtlicher Erlebnisse können verlässliche Zahlen über die Häufigkeit von verbalen und körperlichen Angriffen im Dienst erfasst werden.

Um die persönlichen Erlebnisse individueller untersuchen zu können, werden die Befragungen durch Interviews auf drei Ebenen ergänzt. Zum einen werden Interviews mit Betroffenen geführt, die körperliche Angriffe im Dienst erlebt haben und von diesem Vorfall aus ihrer persönlichen Sicht berichten. Zum anderen ergänzen Interviews mit angreifenden Personen die Sichtweise zu Motiven und Hintergründen der Ereignisse. Interviews mit Expertinnen und Experten bieten als dritte Perspektive die Möglichkeit, Angaben zu vorhandenen Maßnahmen und dem internen Ablauf nach einem Angriff machen zu können. Als vierten Baustein werden durch die systematische Analyse von Strafverfahrensakten Einblicke in die polizeiliche Verarbeitung der Vorfälle und den Verlauf vor Gericht möglich.

Aktuell: Teilnehmende für Befragung gesucht

Für alle Berufsgruppen in helfender und normdurchsetzender Funktion ist für den Zeitraum August bis September 2021 eine deutschlandweite Befragung vorgesehen, auch von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten („Lagebild“). Diese Befragung setzt einen anderen Fokus: Einsatzkräfte der Polizei, des Rettungsdienstes oder der Feuerwehr treffen berufsbedingt in den meisten Fällen in ihren Einsätzen auf Personen in Notsituationen. Personen, die aufgewühlt sind, unter Stress stehen oder wütend sind. Solche emotional aufgeladenen Situationen können sich leicht aufschaukeln und bergen eine Gefahr für Einsatzkräfte. Trotzdem gehören Angriffe, Gewalt und Widerstandsdelikte aber auch bei der Polizei glücklicherweise nicht zum Hauptteil der täglichen Arbeit. Daraus kann man schlussfolgern, dass im Berufsalltag bereits sehr viele Konflikte gelöst und gefährliche Situationen durch die Beamtinnen und Beamten im Vorfeld entschärft werden können, sei es durch die Inhalte der Aus- und Fortbildung, Berufserfahrung oder auch „Bauchgefühl“. Kaum eine Studie hat bisher jedoch untersucht, durch welche effektiven Maßnahmen kritische Momente gelöst werden können und welche Arten der Deeskalation sich gut anwenden lassen.

Dennoch zeigen sowohl die Medien, als auch die Forschungslage, dass es Situationen gibt, in denen ein körperlicher Angriff nicht mehr verhindert werden konnte. Einsatzkräfte berichten dazu häufig, dass diese Angriffe überraschend passiert seien. In dieser Befragung sollen neben der Deeskalation daher auch körperliche Angriffe mit einbezogen werden. Das Ziel ist es herauszufinden, was diese unterschiedlichen Verläufe ausmacht und ob beispielsweise eine Kombination bestimmter Faktoren Warnsignale darstellt, die eine besondere Gefahr für Einsatzkräfte darstellen. Wenn es möglich wäre, diese Warnsignale spezifischer abbilden zu können, wären dies konkrete Anknüpfungspunkte für die Praxis, um die Aus- und Fortbildung in diesen Berufsgruppen zu ergänzen und das Sicherheitsempfinden von Einsatzkräften zu erhöhen.
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