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Jede Stunde wird ein Berliner Polizist Opfer einer Straftat

Nicht nur warme Worte – GdP fordert Novellierung des Dienstunfallrechts und mehr Vorsorge

Berlin. Im vergangenen Jahr wurden 8.048 Polizistinnen und Polizisten in der Hauptstadt angegriffen. Das sind mehr als 22 jeden Tag und fast eine/r jede Stunde. Damit stieg die Zahl des vergangenen Jahres um 540 Fälle, 2019 waren es mehr als 20 Prozent weniger. Die Gewerkschaft der Polizei spricht von einem Alarmsignal für unser demokratisches Zusammenleben und fordert von der Politik mehr als warme Worte. Neben einer Distanzierung von sämtlichen Übergriffen bedarf es eine Überarbeitung der Vorschriften zur Anerkennung von Dienstunfällen und Dienstunfähigkeit und ein verbindliches Recht auf Vorsorgekuren für Kolleg*Innen zur körperlichen und seelischen Gesunderhaltung. Außerdem sollte das Land Berlin Angreifende in Zukunft zur Kasse bitten.

100 Sozialstunden für mehrere Gesichtsfrakturen

„Momentan ist die Gewalt gegen meine Kolleginnen und Kollegen in aller Munde. Wir spüren Rückendeckung und viele warme Worte, was nach diesem grauenhaften Doppelmord in Kusel auch wichtig ist. Klar ist aber auch, dass es damit nicht getan ist. Wir zweifeln nicht an der Wertschätzung, wenn zwei Menschen im Dienst getötet werden, wir zweifeln wenn es bei den Hunderten Angriffen tagtäglich mucksmäuschenstill ist. Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten wird oftmals totgeschwiegen, obwohl sich im Regelfall der Frust über politische Entscheidungen an uns entlädt. Allein in Berlin werden täglich mehr als 20 meiner Kolleginnen und Kollegen wegen ihres Dienstes für die Sicherheit angegriffen. Viele dieser Taten finden nicht mal Erwähnung, obwohl sie Spuren hinterlassen und sich die Betroffenen jahrelang mit den Folgen herumplagen“, so GdP-Landeschef Norbert Cioma am Mittwochvormittag. In der Tat kam es 2021 in 3.811 Fällen (+306), bei denen Polizistinnen und Polizisten attackiert wurden. In vielen dieser Fälle aber versanden die Ermittlungen, werden durch die Staatsanwaltschaft eingestellt oder vor Gericht dann milde sanktioniert. Beispielhaft zu nennen ist der Angriff eines Drogendealers, der einer Kollegin mehrere Gesichtsknochen brach und dafür 100 Sozialstunden bekam. Die Kollegin unterzog sich mehreren schmerzhaften Operationen, ist mittlerweile frühpensioniert und nimmt Jahre nach der Tat noch Schmerzmittel. „Der Gesetzesrahmen wurde nach unserem Druck verändert, aber abschreckend wirkt das noch nicht. Das Land Berlin sollte endlich anfangen, die Täterinnen und Täter dann auch zur Kasse zu bitten und Schadensersatz für den entstandenen Dienstausfall und etwaige Behandlungskosten einklagen. Außerdem sollte man Kolleginnen und Kollegen bei Adhäsionsverfahren unterstützen“, so Cioma.

GdP: „Wir sind Menschen“

Noch wichtiger sei es aber, die Kolleginnen und Kollegen nicht im Regen stehen zu lassen, sondern wirkliche Hilfe zu geben. Die GdP fordert deshalb eine Überarbeitung der Vorschriften zur Anerkennung von Dienstunfällen und Dienstunfähigkeit, ein verbindliches Recht auf Vorsorgekuren, ein größeres Portfolio an betriebsärztlichen Vorsorgeuntersuchungen sowie die lückenlose Einführung einer Vorsorgekartei. „Es spricht Bände, dass sich Kolleginnen und Kollegen jahrelang mit der Dienstunfallfürsorge und der Beihilfe um die Erstattung von Kosten herumplagen müssen oder jetzt noch Kollegen um Anerkennung eines Dienstunfalls kämpfen müssen, weil der Einsatz am Breitscheidplatz vor mehr als fünf Jahren zu psychischen Erkrankungen geführt hat“, so Cioma. Zwar sei bei der Berliner Polizei in den letzten Jahren einiges angeschoben worden, gerade beim Umgang mit psychischen Erkrankungen bei Polizistinnen und Polizisten herrsche aber noch großer Nachholbedarf. In mehreren Bundesländern versucht die GdP seit Jahren für die Problematik zu sensibilisieren. Es sei nun aber auch an der Zeit, dass hier politisch auf die Entwicklungen reagiert wird. Cioma abschließend: „Wenn man verbal und körperlich attackiert wird, hinterlässt das nicht immer sichtbare Spuren und oftmals zeigt sich das erst Jahre später. Wir können nicht immer ausblenden, wenn wir beschimpft, bespuckt und geschlagen werden, wir sind Menschen“.
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