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Rassismus bei der Polizei? - Landesjugendvorsitzender Back im ausführlichen Interview beim Tagesspiegel

„Es gibt institutionellen Rassismus bei der Polizei. Wollen Sie das verleugnen?“ Der Anwalt Biplap Basu wirft der Polizei vor, Menschen mit dunkler Hautfarbe zu diskriminieren – Der GdP-Landesjugendvorsitzende und Polizist Norman Back widerspricht. Ein Streitgespräch.

Kürzlich hat eine Journalistin der „taz“ Polizisten auf die Mülldeponie gewünscht – „unter ihresgleichen“. Die Gewerkschaft der Polizei hat sie deshalb angezeigt, von einem menschenverachtenden Text gesprochen. Warum wird die Debatte um Polizeigewalt so erbittert geführt?

Norman Back: Der Tod des US-Amerikaners George Floyd hat aus meiner Sicht zu dieser Debatte geführt. Ich identifiziere mich null mit der amerikanischen Polizei. Dieses Video hat mich genauso erschüttert wie alle. Es ist mir unerklärlich, wie ein Polizist so lange auf einem Menschen hocken kann, obwohl der sagt, dass er keine Luft bekommt. Aber ich sehe den Bezug zur Berliner Polizei nicht – wir sind hier nicht in den USA.

Biplap Basu: Kennen Sie wirklich nur dieses Video? Erinnern Sie sich nicht an die Szene am Kottbusser Tor vor ein paar Jahren?

Das war 2018. Ein Video zeigt zwei Polizisten in der Nähe des Kottbusser Tors in Kreuzberg. Sie knien auf einem Schwarzen, der sich wehrt. Er soll ein Fahrrad geklaut haben. Ein Polizist prügelt auf ihn ein, als er schon am Boden liegt, andere stehen daneben.

Back: Ich kenne das Video. Aber ich kann mich nicht an Details erinnern. Das ist zwei Jahre her.

Basu: Ich erinnere mich an jedes Detail aus diesem Video. Ich sehe vor meinen Augen, wie der Polizeibeamte auf diesen Mann einprügelt. Ich habe damals Anzeige wegen Körperverletzung erstattet. Was haben Polizei und Staatsanwaltschaft gemacht? Gar nichts.


Back: In unserem Rechtsstaat wird niemand aufgrund von Videoaufnahmen verurteilt, sondern weil eine unabhängige Justiz über die Rechtmäßigkeit entscheidet, auch über die von polizeilichen Maßnahmen, die selten schön aussehen. Der Fall von George Floyd hat eine völlig andere Dimension. In den USA ist ein Mensch gestorben.

Basu: Ich führe seit Jahren eine Chronik über rassistische Polizeigewalt, es sind mittlerweile mehr als dreihundert Seiten. Sie werden die letzten Worte von George Floyd – „Ich kann nicht atmen” – darin mehr als 20-mal finden. Ausgesprochen von Menschen hier in Deutschland.

Haben Sie deshalb kürzlich gesagt, Sie halten die Erzählung, die Polizei sei „Freund und Helfer“, für Unfug?

Basu: Weißen Menschen wird das in Deutschland schon im Kindergarten erzählt. Viele sehen Uniformträger deshalb nicht nur als Autorität, sondern auch sehr unkritisch. Ich verstehe die Polizei als Dienstleister – genau wie eine Bäckerin. Die ist kein Freund und Helfer, sondern der Mensch, der mir ein Brötchen verkauft. Gerade eine staatliche Institution sollte nicht als Freund gesehen werden. Es fehlt der kritische Blick. Der wäre in einer Demokratie aber sehr gesund.

Back: Herr Basu hat recht, wir sind in erster Linie Dienstleister. Unsere Aufgabe ist es, die Bösen festzunehmen und zu versuchen, potenzielle Opfer zu schützen. Wenn mich jemand als Freund und Helfer bezeichnet, empfinde ich das als Lob meiner Arbeit. Wenn jemand das nicht so sieht? Okay. Wir sind ein freies Land.

Herr Basu, Sie arbeiten als Anwalt. Warum haben Sie im Jahr 2002 mit Ihrer Chronik begonnen?

Basu: Die Polizei respektiert an bestimmten Stellen unsere Bürgerrechte nicht. Sie tritt als Befehlshaber auf. Polizisten fühlen sich nicht verpflichtet, sich zu erklären. Uns werden keine Gründe für Maßnahmen erklärt.

Wen meinen Sie mit „uns“?

Basu: Ich meine Menschen wie mich: nicht-weiße Menschen. People of Color – Schwarze, Türken, Araber, Sinti und Roma. Einige sprechen schlecht Deutsch, werden von Polizisten einfach mitgenommen, wissen überhaupt nicht, was mit ihnen geschieht.

Back: Es gibt in Deutschland mehr als 300.000 Polizisten, und ich kann nicht für jeden sprechen. Aber wir sind bis auf wenige Ausnahmesituationen verpflichtet, jeden Menschen über seine Rechte zu belehren. Wenn wir das nicht machen, verliert eine Maßnahme jede Rechtssicherheit, und wir machen uns angreifbar.

Basu: Es passiert aber täglich – an Orten wie dem Alexanderplatz. Kollegen von Ihnen laufen dort mit Zetteln für Platzverweise rum. Da steht einfach „Alexanderplatz“ drauf und dass die Leute sechs Monate nicht wiederkommen dürfen.

Back: Diese Zettel würde ich gern sehen. Das ist nicht erlaubt.

Basu: Ich weiß. Ich weiß, dass das nicht erlaubt ist. Aber es wird gemacht. People of Color sind jeden Tag damit konfrontiert.

Die Polizei Berlin geht anders gegen People of Color vor als gegen Weiße?

Basu: Ja.

Back: Mit Sicherheit nicht. Das Grundgesetz sieht in Artikel 3 vor, dass ich alle Menschen gleich zu behandeln habe. Wenn ich also Personen aufgrund ihrer Hautfarbe anders behandele, dann handele ich rechtswidrig. Das habe ich in meiner Dienstzeit so nicht erlebt.

Basu: (lacht) Ich höre ständig, dass in Deutschland alle an Recht und Gesetz gebunden sind. Meinen Sie ernsthaft, in den USA ist das nicht so? Denken Sie, dort steht, lieber Polizist, bitte behandle einen Schwarzen anders als einen Weißen?

Back: Die Ausbildung in Amerika ist deutlich anders. Ich befinde mich gerade im Studium zum gehobenen Dienst, an einer Freien Hochschule. In Amerika wird man teilweise in einem halben Jahr zum Polizisten ausgebildet, wir machen hier eine zweieinhalbjährige Ausbildung oder ein dreijähriges Studium.

Und das verhindert jeden Rassismus?

Back: Das ist eine Fangfrage, finde ich.

Basu: Das ist keine Fangfrage. Ich war 2018 an Ihrer Polizeihochschule hier in Berlin eingeladen, um vor Studierenden in einem Seminar zu Rassismus und Racial Profiling zu reden. Erst hat kaum einer zugehört; ich weiß, so sind Studenten. Aber als ich angefangen habe, über Rassismus zu sprechen, wurde ich dermaßen verbal angegriffen, dass sich die Dozentin am Ende bei mir entschuldigt hat. Sie hat mich sogar gefragt, ob ich eine Anzeige wegen Beleidigung erstatten will.

Was hat die Studierenden so aufgeregt?

Basu: Ich habe ein Video aus einer Filiale von Kentucky Fried Chicken am Alexanderplatz gezeigt, dass sich damals im Internet verbreitet hatte. Sechs britische Touristen sollten den Laden verlassen, wollten aber nicht gehen. Das Video zeigt die Situation, als die Polizisten kommen und die Ausweise sehen wollen. Die sechs Briten sind alle schwarz. Ich wollte darüber diskutieren, ob das rassistisch war – und das Verhalten der Polizeibeamten falsch. Sofort ging ein Aufruhr los.


Back: Es geht nicht, dass Kollegen Sie deshalb beleidigen. Aber Sie müssen auch verstehen, dass dort sehr junge Menschen sitzen, die stolz darauf sind, Polizisten zu werden. Die haben gerade den Einstellungstest bestanden, für die geht ein Traum in Erfüllung. Das Video wurde damals wochenlang diskutiert, Sie können davon ausgehen, dass die Studierenden es kannten. Und dann wird dieser Generalvorwurf erhoben.

Basu: Was für ein Generalvorwurf?

Back: Sie wissen nicht, wie die Situation abgelaufen ist, keiner von uns war dabei. Und dann werden die Studierenden gleich Rassismusvorwürfen konfrontiert. Ich sehe nicht, dass sich die Polizisten in dem Video falsch verhalten. Der Filialeiter hatte die Polizei gerufen, weil er die Gäste aus dem Haus haben wollte, die blieben aber. Der Mann hat das Hausrecht, dadurch bin ich als Polizist zum Handeln verpflichtet.

Selbst wenn der Filialleiter womöglich ein Rassist ist?

Back: Wir können niemanden anders behandeln, weil er vielleicht Rassist ist. Wir müssen uns neutral verhalten und seinem Hausrecht nachkommen. Wenn er sagen würde, er will keine People of Color in seiner Filiale haben, würden wir natürlich sagen: In welcher Welt lebst Du denn?

Basu: Ich habe dieses Video gezeigt, um eine Diskussion anzufangen. Und sofort hieß es: Ausländer machen uns immer Rassismusvorwürfe. Der Sinn eines Studiums ist aber, damit kritisch umzugehen, das zu hinterfragen. Wenn jemand sagt „Polizisten sind Rassisten“, müssen Beamte lernen, damit umzugehen und nicht „Halt die Fresse” zu schreien.

Warum, glauben Sie, gibt es diese Abwehrhaltung?

Basu: Polizisten können die Worte Rassismus und Polizei zusammen nicht tolerieren. Sie wollen das nicht hören. Sie sind tief davon überzeugt, dass die Polizei nicht rassistisch sein kann. Dieses Verleugnen ist das Grundproblem. Vom Bundesinnenminister bis zu den Landesministern wird den Polizisten gesagt, dass es ja das Grundgesetz gibt und dass es keinen Rassismus geben kann. Aber wo leben wir denn? Nur weil Verbrechen verboten sind, passieren sie doch trotzdem.

Welche Rolle spielt das Thema Rassismus denn in der Polizeiausbildung, Herr Back?

Back: Es ist ein Dauerthema, dass es diese Vorwürfe gibt und wir unsere Arbeit kritisch hinterfragen müssen. Wir hatten Lehrgänge zu interkultureller Kompetenz, wir haben mit Holocaustüberlebenden gesprochen. Das war wahnsinnig spannend. Ich kann nicht in den Kopf jedes einzelnen Polizisten hereinschauen, aber die Behörde macht sehr viel, um Rassismus zu thematisieren. Ja, wir haben das Gewaltmonopol. Aber es geht nicht um Macht und Unterdrückung. Wir sind Servicemitarbeiter und so wollen wir den Menschen begegnen.

Basu: Sie haben von interkultureller Kompetenz gesprochen. Sie müssen aber nicht lernen, wie ein Türke isst, tanzt und betet. Das ist natürlich auch gut. Vor allem müssen Sie aber verinnerlichen, dass ein Türke genauso viele Rechte hat wie alle anderen.

Back: Herr Basu, das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass man bei der Polizei angenommen wird.

Basu: Ich werfe Ihnen, Herr Back, nicht vor, ein Rassist zu sein – wir kennen uns nicht. Aber ihre Behörde handelt rassistisch. Es gibt institutionellen Rassismus. Wollen Sie das verleugnen? In Großbritannien wurde das schon Ende der 1990er Jahre akzeptiert, es wurden seitdem unabhängige Untersuchungsstellen für Polizeiarbeit geschaffen.

Sie meinen den Macpherson-Report, der 1999 in Großbritannien nach dem Mord an einem Schwarzen veröffentlicht wurde. Er benannte institutionellen Rassismus als landesweites Problem der Polizei. Was verstehen Sie darunter?

Basu: Die Praxis zeigt, dass im Handeln der Polizei Unterschiede zwischen Weißen und Nicht-Weißen gemacht werden. Nicht jeder muss ein Rassist sein in der Behörde – aber die Institution als Ganzes agiert rassistisch. Ein Beispiel aus einem anderen Bereich: Wenn jahrzehntelange Studien zeigen, dass Migrantenkinder in der Schule immer hinten runterfallen, muss es einen Grund dafür geben. Es liegt wahrscheinlich nicht daran, dass alle Migranten keine Lust auf Schule haben. So funktioniert institutioneller Rassismus – er hat dutzende Facetten. Das fängt schon im Aufbau einer Behörde an.

Back: Ein gutes Drittel der Berliner Polizisten hat einen Migrationshintergrund, im letzten Jahrgang war es fast jeder Zweite. Das mag in Sachsen anders sein, aber gerade uns in Berlin strukturellen oder institutionellen Rassismus vorzuwerfen, finde ich ein bisschen sportlich. Und wir haben natürlich Führungspersonal mit Migrationshintergrund. Das war vor 20 Jahren anders, und wir sind noch nicht am Ziel – aber schon längst auf dem richtigen Weg.

Lassen Sie uns konkret werden. Einer der letzten dokumentierten Fälle in ihrer Chronik geht so, Herr Basu: „Gegen 16:30 fand im Görlitzer Park auf Höhe des Eingangs Oppelner Straße ein Polizeieinsatz statt, bei dem Beamt*innen mit Hunden nach Drogen suchten. Außerdem kontrollierten sie zwei schwarze Männer, die wie viele andere weiße Personen, auf der Wiese saßen. Ohne dass etwas gegen sie vorlag, wurde ein Platzverweis für 24 Stunden erteilt. Andere Personen wurden nicht kontrolliert. (...)“ Sie schreiben, das sei rassistisch. Racial Profiling. Was sagt der Polizist dazu?

Back: Ich war nicht dabei. Aber Racial Profiling heißt aus meiner Sicht, wenn ich jemanden nur wegen seiner Hautfarbe kontrolliere. Ich würde People of Color also kontrollieren, weil sie dunklere Haut haben. Das wäre rechtswidrig, in Deutschland verboten.

Wie kommt die Polizei dazu, einen Schwarzen im Görlitzer Park zu kontrollieren?

Back: Ich war selbst im Görlitzer Park im Einsatz. Vor allem Menschen aus Afrika dealen dort mit Drogen. Bin ich rassistisch, wenn ich dort einen Schwarzen … sagt man eigentlich Schwarzer? Farbiger sagt man ja nicht mehr, habe ich gelesen – und das Wort Schwarz wird groß geschrieben, weil es nicht um die Hautfarbe, sondern um die Identität geht, richtig?

Basu: Genau. Ich sage das genauso.

Back: Okay. Wenn jetzt also eine Schwarze Person im Görlitzer Park kontrolliert wird, hat das einen anderen Grund als nur seine Hautfarbe. Wir wären aber überhaupt nicht handlungsfähig, wenn wir Schwarze nicht mehr kontrollieren würden. Rassistisch wäre es, wenn wir ausschließlich sie kontrollieren. Wenn sich dort aber Menschen aufhalten, die einer bestimmten Tätergruppierung angehören …

Basu: Genau das meine ich: Tätergruppierung. Weil die Menschen Schwarz sind, gehören für Sie alle zu einer Gruppe.
Back: Sie verstehen mich falsch. Wir wollen die Kriminalität an diesem Ort bekämpfen. Wir wollen, dass sich alle Menschen dort sicher fühlen. Wenn ich eine Person feststelle, die am Parkeingang herumlungert und Passanten anspricht, dann ist mir die Hautfarbe egal – ich kontrolliere sie genauso, wenn sie weiß ist.

Basu: Ach kommen Sie. Das geht komplett an der Realität vorbei. Noch ein Beispiel aus meiner Arbeit: Ein junger Student verabredet sich mit Kommilitonen. Sie wollen im Görlitzer Park picknicken. Er ist der einzige Schwarze und wartet allein im Görli auf seine Freunde, die ein bisschen später kommen. Dann gibt es eine Großrazzia. Zwei Polizeibeamte nehmen ihn mit, er wird vor seinen Freunden in Handschellen abgeführt und durchsucht. Es werden Fotos gemacht. Die Polizisten finden natürlich nichts, er kann gehen. Aber er ist völlig fertig. Er wurde vor seinen Freunden in Handschellen abgeführt. Wissen Sie, was das mit einem macht?

Back: Wenn ihn sich die Kollegen nur herausgepickt haben, weil er schwarze Haut hatte, dann geht das nicht. Aber womöglich wurde er vorher beobachtet, weil er dort gewartet hat. Wenn ich dort gestanden hätte, wäre ich womöglich genauso kontrolliert worden.

Basu: Dann präsentieren sie uns doch mal eine Statistik. Wie viele People of Color hat die Polizei im vergangenen Jahr im Verhältnis zur Gesamtzahl der Kontrollen überprüft?
Back: Warum sollten wir das Merkmal der Hautfarbe bei Kontrollen vermerken? Wäre das nicht rassistisch? Ich würde das als höchstproblematisch empfinden. Tut mir leid, Herr Basu.

Basu: Ich gebe Ihnen noch ein Beispiel: Ich sitze mit meiner Tochter im Zug an der Grenze zu Deutschland. Es kommen zwei Polizeibeamte herein, und ich sage zu meiner Tochter: Die werden uns kontrollieren. Meine Tochter sagt: Ach, Papa – sei nicht so kritisch. Wissen Sie, was passiert ist? Die beiden Polizeibeamten waren sehr höflich, aber wir wurden als einzige im ganzen Abteil kontrolliert. Alle anderen waren Weiße. Ich habe diese Polizisten verklagt – wegen Racial Profiling. Am Verwaltungsgericht wurde die Klage abgewiesen, weil der Eingriff in mein Persönlichkeitsrecht nicht tiefgehend genug gewesen sein soll. Ich bin jetzt bis vor den Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg gegangen. Die haben den Vorschlag gemacht, dass die Bundespolizei mir als Entschädigung für die Kontrolle 7000 Euro zahlt.

Warum ziehen Sie wegen einer Kontrolle durch einen Polizisten bis vor den Menschenrechtsgerichtshof?

Basu: Weil Racial Profiling eine der schlimmsten Formen von Rassismus ist. Nicht weil körperliche Gewalt stattfindet, sondern weil es meine Menschenwürde angreift. Weiße Menschen sehen so etwas nicht.

Herr Back, können Sie verstehen, dass sich People of Color durch so eine Kontrolle erniedrigt fühlen? Können Sie die Wut nachvollziehen?

Back: Ja, natürlich – das ist ja nur menschlich. Ich kann aber auch die Kommilitonen an der HWR verstehen, die sich missverstanden fühlen. Und ich kann auch verstehen, wenn die Bundespolizisten, die Sie verklagt haben, diese Routinekontrollen durchführen. Was glauben Sie, wie die sich jetzt fühlen? Sie waren nett zu Ihnen und werden von Ihnen verklagt. Vielleicht hatten Sie, Herr Basu, sich zuvor nervös verhalten.

In Berlin gilt auch für solche Fälle seit Kurzem das Landesantidiskriminierungsgesetz – kurz: LADG. Es soll Menschen, die sich diskriminiert fühlen, Beschwerden gegen Behörden erleichtern. Die CDU hat das Gesetz „Anti-Polizeigesetz“ genannt, die GdP spricht von „negativen Folgen für die tägliche Arbeit der Polizei“. Herr Basu, Sie finden das Gesetz gut, nehme ich an?

Basu: Ja. Sehr gut. Es liegt auf einer Linie mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz – nicht mehr oder weniger. Das hat bislang nur für Privatpersonen gegolten, nun werden auch Staatsbedienstete erfasst. Sie werden jetzt genauso behandelt wie zum Beispiel Vermieter, die rassistisch handeln.

Back: Aus meiner Sicht ist das LADG ein Bürokratiemonster. Es bindet Ressourcen, die wir woanders einsetzen könnten – in der Kriminalitätsbekämpfung oder in der Prävention. Rassismus hat in der Polizei keinen Platz. Wir haben alle einen Eid abgelegt auf unsere freiheitlich demokratische Grundordnung. Es darf keinen Millimeter Platz für Rassismus geben.

Wie erklären Sie sich dann die Rechtsextremisten in der Polizei Berlin? Es gab allein im vergangenen Jahr 19 Verdachtsfälle, in denen die Polizei behördenintern gegen Mitarbeiter wegen rechtsextremistischer Tendenzen ermittelt hat.

Back: Erst mal sind das Verdachtsfälle. Aber natürlich ist so etwas nicht ausgeschlossen. Wenn das herauskommt, geht die Berliner Polizei strikt dagegen vor. Die Behörde besteht aus 26.000 Menschen – da gibt es sicherlich Leute, die sind Rechtsextremisten, und es gibt Leute, die sind korrupt. Entscheidend ist, wie die Behörde reagiert und dass diese Menschen aus dem Dienst entfernt werden. Die Berliner Polizei toleriert keinen Rassismus.

Basu: Das ist doch kindisch. Dass Sie verleugnen, dass die Polizei Probleme mit Rassismus hat. Wenn die Polizei keine Probleme hat, brauchen sie keine Angst vor dem LADG haben.

Back: Ich habe keine Angst. Ich muss abends in den Spiegel schauen können und ich bin bereit, mich für Fehler zu verantworten. Aber das Problem beim LADG ist, dass bereits der Verdacht von Diskriminierung ausreicht, um ein Verfahren zu eröffnen. Wir laufen also Gefahr, dass wir nicht den echten Rassisten aus der Behörde herausfischen. Wir gehen stattdessen gegen Kollegen vor, die vielleicht zu Unrecht beschuldigt werden. Es gibt eine faktische Beweislastumkehr. Ich muss als Polizist beweisen, dass ich unschuldig bin vom Diskriminierungsvorwurf. Das finde ich krass. Als ich noch auf der Straße war und der Rassismusvorwurf im Raum stand, musste ich mir die Finger wund schreiben, um das auszuräumen.

Basu: Sie haben das falsch wiedergegeben: Es gibt keine Beweislastumkehr, es gibt eine Erleichterung. Ich sage Ihnen noch etwas: Wenn ich meinen Klienten rate, eine Beschwerde an die Polizei zu schreiben, kann ich Ihnen gleich dazu schreiben, welche Antwort sie bekommen.

Welche ist das?

Basu: Die Beamten haben keinen Fehler gemacht. Sie haben das falsch verstanden, und die Vorwürfe sind deshalb nicht richtig. Aber wenn People of Color seit Jahren die gleichen Geschichten erzählen, kann man doch nicht sagen: Wir haben den Artikel 3 des Grundgesetzes, alle Menschen sind gleich – und Schluss mit der Diskussion.

Gab es deshalb so einen Aufschrei, als die SPD-Vorsitzende Saskia Esken der deutschen Polizei einen „latenten Rassismus“ unterstellte, Herr Back?

Back: Ich identifiziere mich mit dieser Behörde. Ich lebe diesen Beruf. Die Rassismusvorwürfe meinen mich vielleicht nicht persönlich, aber ich empfinde das so – daher kommen die Emotionen in dieser Debatte. Ich frage mich, wie Frau Esken auf diesen Vorwurf kommt? Wenn Politiker mit unserem Handeln nicht einverstanden sind, dann müssen sie uns andere Werkzeuge an die Hand geben. Als Polizeibeamter bin ich es leid, zu hören, dass Politiker uns Rassismus vorwerfen. Uns fehlt Rückendeckung.

Wie könnte die Polizei mehr Rückendeckung bekommen, Herr Basu?

Basu: Erstens darf Rassismus nicht länger verleugnet werden. Zweitens muss die Polizei mit allen Bürgern in einen Dialog treten, um das Vertrauen zu stärken – dafür braucht es eine bessere Dokumentation der Arbeit. Drittens braucht es komplett unabhängige Gremien, die die Polizeiarbeit bewerten.

Was würden Sie sagen, Herr Back?

Back: Das unabhängige Gremium ist das Berliner Abgeordnetenhaus. Wir finden es aber richtig, dass jetzt mit dem Bürgerbeauftragten in Berlin eine Mediationsstelle geschaffen wird, an die sich auch Polizisten wenden können. Wir brauchen Aufklärung darüber, was zu Rassismus führt. Wir müssen Rassismusvorwürfe konsequent verfolgen und alles dafür tun, rassistische Beamte strikt aus dem Dienst zu entfernen. Wir leisten seit Jahren unseren Teil dazu.

Link zum Interview im Tagesspiegel:
https://plus.tagesspiegel.de/berlin/aktivist-und-polizist-im-streitgespraech-es-gibt-institutionellen-rassismus-bei-der-polizei-wollen-sie-das-verleugnen-19113.html
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