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Geltendmachung von Besoldungsansprüchen im Jahr 2021

Wiesbaden.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wie schon in den vergangenen Jahren, so stellt sich auch zum Ende des Jahres 2021 die Frage, ob Beamtinnen und Beamte mit Blick auf die Frage der Amtsangemessenheit der Besoldungshöhe erneut und für das Jahr 2021 Ansprüche geltend machen sollten. Die Entscheidung muss von jeder und jedem selbst getroffen werden. Im Nachgang zu den fünf Klagen der GdP Hessen vor den hessischen Verwaltungsgerichten gegen das Besoldungsdiktat von 1 % und die Nullrunde, hat der Innenminister am 05.12.2016, auf die Einrede der zeitnahen Geltendmachung von Rechtsansprüchen verzichtet. Somit waren Einzelwidersprüche von allen Kolleginnen und Kollegen sowie den Versorgungsempfängerinnen und -empfänger, nicht notwendig. Wie wir erst kürzlich erfahren haben, erstreckt sich dieser Verzicht nicht mehr auf das Jahr 2021 und die sich aus neuen Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes ergebenden möglichen Ansprüche. Wir möchten deshalb über die aktuelle Situation informieren und eine Entscheidungshilfe an die Hand geben.

Vorsorglich können die folgenden Gruppen vor dem 31.12.2021 einen Antrag auf amtsangemessene Alimentation für das Jahr 2021 und die Folgejahre stellen:
a) Beamtinnen und Beamte des Landes Hessen, sowie Landesversorgungsempfängerinnen und -empfänger, die in den vergangenen Jahren 2016/2017 keinen Antrag gestellt haben/in Widerspruch gegangen sind, weil sie sich auf den Verzicht der zeitnahen Geltendmachung von Rechtsansprüchen des Innenministers berufen konnten.

b) Beamtinnen und Beamte, sowie Versorgungsempfängerinnen und -empfänger der Hessischen Kommunen oder anderer Hessischer Dienstherren,

c) Beamtinnen und Beamte mit drei oder mehr Kinder

d) Beamtinnen und Beamte auf Probe

Nachstehend ein kurzer Überblick über den aktuellen Sachstand:

1. Allgemeines

Im Dienstrecht - insbesondere im Besoldungsrecht - gilt der Grundsatz der „zeitnahen Geltendmachung“. D. h., ist die Beamtin bzw. der Beamte mit der Besoldungsentwicklung bzw. mit ihrer/seiner konkreten Besoldung nicht einverstanden, weil sie bzw. er z. B. für verfassungswidrig zu niedrig hält, muss sie bzw. er eine verfassungsgemäße Besoldung „zeitnah“ geltend machen. D. h., der Anspruch ist im Laufe eines Kalenderjahres geltend zu machen und wirkt dann, soweit berechtigt, auf den Anfang des Haushaltsjahres zurück (BVerfG v. 19.06.2012, ZBR 2013, S. 31 <36>; BVerwG v. 06.04.2017, ZBR 2017, S. 418 <422>).

Die Geltendmachung wirkt dann grundsätzlich so lange, wie die angegriffene Besoldungserhöhung gilt. Bei einer neuen Entwicklung, z. B. der Erhöhung der Besoldung im laufenden Jahr, muss man den evtl. Anspruch dann erneut geltend machen.

Parallel dazu ist die besoldungsrechtliche Verjährungsfrist nach § 13 HBesG zu beachten. Trotz einer Geltendmachung muss ggf. wie im Tarifrecht auch, der Anspruch gerichtlich geltend gemacht werden, soll er nicht verfallen (§ 13 Satz 2 HBesG i. V. m. §§ 199 Abs. 1; 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Das gilt dann nicht, wenn der Dienstherr entweder global und generell z. B. durch einen Erlass o.ä. oder aber im Einzelfall schriftlich und damit nachweisbar erklärt hat, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. In diesem Fall kann dann der Ausgang des Verfahrens auch dann abgewartet werden, wenn es über die Dauer der 3jährigen Verjährungsfrist hinausgeht.

2. Besoldungsentwicklung Hessen der Jahre 2016 bis 2018

Die DGB-Gewerkschaften haben eine Auseinandersetzung mit Landesregierung und Landtag hinsichtlich der Besoldungsentwicklungen in den Jahren 2015 bis 2018 (u. a. Null-Runden und 1 %-Steigerung) geführt. Dem VG Frankfurt a. M. lagen (mindestens) zwei Klagen vor, mit denen festgestellt werden sollte, dass die hessische Besoldungsentwicklung ab dem 01.07.2016 gegen die Vorgaben mehrerer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG v. 09.02.2010 bzw. 14.02.2012 und insbesondere v. 05.05.2015, ZBR 2015, S. 250 ff. zur R-Besoldung und v. 17.11.2015, ZBR 2016, S. 89 ff. zur A-Besoldung) verstößt. Das hat das Gericht in beiden Fällen verneint (VG Frankfurt a. M. v. 12.03.2018, Az.: 9 K 324/17.F; sowie vom gleichen Tag Az.: 9 K 324/17). Die Berufung zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof (HessVGH) wurde zugelassen und auch eingelegt. Darüber ist noch nicht abschließend entschieden. Nach im Jahr 2020 ergangenen Entscheidungen des BVerfG rechnen wir damit, dass der HessVGH über die beiden Frankfurter Verfahren im Laufe des Jahres 2021 entscheidet.

3. Was ist neu an der Rechtsprechung?

Am 04.05.2020 hat das Bundesverfassungsgericht zwei Grundsatzentscheidungen gefällt. Die wesentliche Entscheidung betrifft die R-Besoldung des Landes Berlin zwischen 2009 und 2015 (BVerfG v. 04.05.2020 - 2 BvL 4/18 -). Dabei hat das BVerfG geurteilt, dass das „Mindestabstandsgebot“ einen eigenständigen Grundsatz des Alimentationsprinzips darstellt. Bekräftigt wurde, dass der Mindestabstand in der untersten Besoldungsgruppe und -stufe als absolute Untergrenze der Besoldung 15% zur Grundsicherung zu betragen habe (so schon BVerfG v. 17.11.2015 – 2 BvL 19/09 – ZBR 2016, S. 89 ff.) Dem Gesetzgeber wurde zusätzlich aufgegeben, seine Erkenntnismöglichkeiten hinsichtlich der realitätsgerechten Ermittlung des Grundsicherungsniveaus auszuschöpfen. Dafür reiche der Rückgriff auf den Existenzminimumbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales nicht, vielmehr seien u.a. die tatsächlich anerkannten Kosten der Unterkunft einzubeziehen. Beispielsweise in der Begründung zum Gesetzentwurf für ein Gesetz über die Anpassung der Besoldung und Versorgung in Hessen in den Jahren 2019, 2020 und 2021 und zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (HBesVAnpG 2019/2020/2021; v. 14.05.2019, LT.-Druck 20/625, S. 23 ff.) wird wesentlich auf die standardisierten Beispielsbedarfsberechnungen im Existenzminimumbericht abgestellt.

Außerdem hat das BVerfG drei weitere Verfahren zur R-Besoldung in Nordrhein-Westfalen für die Jahre 2014 und 2015 zur amtsangemessenen Alimentation für Beamtinnen und Beamte mit drei und mehr Kindern entschieden (BVerfG v. 04.05.2020; Az.: 2 BvL 6/17; 2 BvL 7/17; 2 BvL 8/17; ZBR 2020, S. 416). Die Angemessenheit wurde verneint, da in den geprüften Fällen der zusätzliche Bedarf für das dritte und jedes weitere Kind nicht mit einem mindestens 15% über dem realitätsgerecht ermittelten Grundsicherungsbedarf des Kindes liegenden Betrag in der Besoldung berücksichtigt war.

4. Wer sollte im Jahr 2021 eine verfassungskonforme Alimentation geltend machen?

In einem Gespräch des DGB-Bezirks Hessen mit dem Hessischen Innenminister Beuth am 06.12.2020 wurde deutlich, dass das Innenministerium die ergangenen Entscheidungen des BVerfG noch auswertet und prüft, ob daraus Konsequenzen für die hessische Besoldung zu ziehen sind. Dies wird aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

Die Landesbeamtinnen und -beamten, die spätestens 2017 Ansprüche wegen zu geringer Alimentation geltend gemacht haben, brauchen (und können) aktuell nichts zu machen. Die Dienstherren haben in aller Regel generell (Land Hessen) oder im Einzelfall erklärt, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten und die Bearbeitung bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung zurück zu stellen.

Vorsorglich können aber Beamtinnen und Beamte mit drei oder mehr Kindern, Beamtinnen und Beamte des Landes Hessen, die in den Jahren 2016/2017 keine Anträge gestellt haben, u.a. weil sie erst später verbeamtet wurden sowie Beamtinnen und Beamte anderer Dienstherren, die nach dem Hessischen Besoldungsgesetz besoldet werden, Ansprüche gegenüber dem jeweiligen Dienstherrn geltend machen.

5. Weiteres Verfahren

In den Jahren 2019 bis 2021 erfolgten durch das HBesVAnpG 2019/2020/2021 Besoldungserhöhungen im Umfang von 2 x 3,2 % (zum 01.03.2019 und zum 01.02.2020) sowie um 1,4 % zum 01.01.2021. Im Jahr 2019 wurde davon abgesehen, zur gesonderten Geltendmachung aufzurufen, weil keine gesicherten Anhaltspunkte darüber vorliegen, dass mit Blick auf diese Erhöhungen generell oder im Einzelfall eine verfassungswidrige Unteralimentation vorliegt.

Dies könnte aufgrund der Entscheidungen vom 04.05.2020 neu zu bewerten sein. Aus den Entscheidungen des BVerfG folgt aber definitiv nicht, dass die Hessische Besoldung grundsätzlich und für die Mehrheit der Beamtinnen und Beamten verfassungswidrig zu niedrig ist! Dies ist anhand der Gesamtschau der für die Prüfung der Besoldungshöhe maßgeblichen Parameter zu beurteilen. Ein Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot kann aber indizielle Bedeutung für die Unteralimentation weiterer Beamtinnen und Beamten haben.

Wir empfehlen die Ruhestellung der Anträge sowie den Verzicht auf die Einrede der Verjährung zu beantragen, bis der Gesetzgeber über mögliche Änderungen entschieden hat. Sollte sich aus den für 2021 zu erwartenden Entscheidungen des HessVGH ergeben, dass weitere Konsequenzen zu ziehen sind, werden die DGB-Gewerkschaften darüber informieren und über das weitere Vorgehen beraten.

Hier die Musteranträge:
Besoldung_Musterantrag_Aktive_Land
Besoldung_Musterantrag_Versorgung
Familienzuschlag_Musterantrag_ab3Kinder_Aktive_Land
Familienzuschlag_Musterantrag_ab3Kinder_Versorgung_Land

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