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Landesjournal Niedersachsen Leitartikel September 2004 - LANDESPOLITIK: Landesregierung zeigt ihr wahres Gesicht

Die Beschäftigten der Polizei und die Innere Sicherheit sind keine finanziellen Manövriermassen


Erste Protestaktion am 6. August 2004 in Hannover:
Die drei Landesvorsitzenden Bernhard Witthaut (GdP, re. am
Mikro), Dirk Hallmann (DPolG, Mitte vorn), und
Christian Kröplin (BdK, weißes Hemd) bei der Ansprache
Foto: UR

Die geplanten Sparmaßnahmen gegen Beamte, Angestellte und Arbeiter, eine Polizeiumorganisation, die den Namen Reform nicht verdient und zig Millionen Euro kostet, ein Arbeitsauftrag zur Abschaffung der zweigeteilten Laufbahn, Digitalfunk auf den St.-Nimmerleinstag verschoben usw. usw. usw.

Dass diese Landesregierung, die vor nicht einmal zwei Jahren mit vielen Vorschusslorbeeren angetreten war, so schnell einen Salto rückwärts gegenüber den Beschäftigten der Polizei, aber auch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in Fragen der inneren Sicherheit vollziehen würde, hätte wohl niemand gedacht. Auch innerhalb der Polizei hatte diese Landesregierung wohl einen großen Sympathievorsprung. Nicht wenige unserer Kolleginnen und Kollegen haben den Zusagen der Landesregierung vor der Wahl und unmittelbar danach Glauben geschenkt.

Bereits nach einem Jahr haben wir festgestellt, dass die Landesregierung ihre Politik fast nur auf Kosten der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes aufbaut. Verwaltungsreform und Sparmaßnahmen bringen das Geld und die Schlagzeilen!

Und heute?
Die Meinung eines großen Teils der Polizeibeschäftigten stand auf den Plakaten, die anlässlich der ersten Protestaktion am 6.August 2004 in Hannover zu sehen waren. „Dort wo CDU und FDP regiert, wird die Polizei rasiert“ und „Die Landesregierung ist ein Trümmerhaufen“.

Die Sparbeschlüsse des Jahres 2003 waren noch nicht einmal in allen Auswirkungen bei den Beschäftigten angekommen, da wurden am 30.06.04 weitere Kürzungen des Landeskabinetts bekannt . Auch wenn Herr Wulff vor der Pressekonferenz am 30.06.04 erklärte, dass ihm die Einsparungen bei den Landesbeschäftigten schwer gefallen seien – das gleiche sagte er übrigens vor einem Jahr auch -, verkündete er dennoch frohgemut den versammelten Journalisten, dass das Land für 2005 erneut bei den Beschäftigten mehr als 400 Millionen Euro einsparen will.

      Wortbruch Nr. 1
Zitat CDU-Vorsitzender Wulff unmittelbar vor der Wahl:
„…Eine Öffnungsklausel, die offensichtlich allein den Zweck hat, den Landesetat auf dem Rücken des öffentlichen Dienstes zu sanieren, ist abzulehnen. Eine Öffnungsklausel im Besoldungsgesetz macht nur Sinn, wenn den Ländern auch eine Erhöhung der Bezüge ermöglicht wird.“

      Nur leere Worte Herr Wulff?
Zur Erinnerung: Die Antwort der CDU–Fraktion auf die Frage „Öffnungsklausel für den Besoldungsbereich?“ lautete: „Von besonderer Wichtigkeit ist dabei ein solches Modell mit den Beschäftigten zu entwickeln, insbesondere um verbesserte Besoldungsbedingungen für die Einstellung von besonders qualifizierten Bewerbern zu ermöglichen.“(Zitatende)

Bezeichnend für das Verhältnis dieser Landesregierung zu den Gewerkschaften, Personalvertretungen und den Beschäftigten, war wieder einmal die Zeitschiene, wie sie diesen Kahlschlag „unter die Leute“ brachte:

§ 29. und 30.06.04 Klausurtagung des Kabinetts
§ 30.06.04 Information der Medien/Pressekonferenz
§ 12.07.04 Information der drei Vorsitzenden der in der Polizei vertretenen Gewerkschaften durch Innenminister Schünemann. (Diese Regierung hat also fast zwei Wochen gebraucht, um die betroffenen Vertreter der Beschäftigten zu informieren!)

      Alles schon vergessen?
Der weitere Zeitplan der Regierung sieht heute wie folgt aus:
§ 21.09.04: Beschluss des Landeskabinetts zum Haushalt 2005
§ Oktober 04: Einbringung des Haushalts in den Landtag und erste Lesung
§ November 04: 2. und 3. Lesung

      Mittlerer Dienst in der Polizei
Neben der Information über die Sparbeschlüsse überbrachte der Innenminister den Gewerkschafts-/Verbandsvorsit-zenden eine weitere überraschende Botschaft: Die restlichen 443 Stellen des mittleren Dienstes werden nicht in den Haushalt 2005 eingebracht. Damit wird die Vollendung der zweigeteilten Laufbahn planstellenmäßig über das Jahr 2005 hinaus geschoben.
In diesem Gespräch am 12.07.04 haben wir erfahren, dass sich die Regierung und der Innenminister von der zweigeteilten Laufbahn insgesamt verabschieden wollen. Eine Arbeitsgruppe im Landespolizeipräsidium hat inzwischen einen entsprechenden Auftrag erhalten, der sinnigerweise die Zusammenführungsmöglichkeiten der Aus- und Fortbildung und die Wiedereinführung des mittleren Dienstes prüfen soll.

Die Aussage des Staatssekretärs Dr. Koller anlässlich der Verabschiedung von Horst-Udo Ahlers als Polizeipräsident von Braunschweig am 22.07.04, war schon eindeutig. Die Polizei in Bayern würde mit einem Anteil mittlerer Dienst von 40 % auch gut, motiviert und zufrieden arbeiten.

      „Wir brauchen und wollen keine bayrischen Verhältnisse, Herr Koller.“
Nach fast 20-jähriger Vorbereitung in den 70er- und 80er Jahren steuern wir in den letzten 10 Jahren auf eine zweigeteilte Laufbahn zu, die endlich die Bewertung des Polizeidienstes dort ansiedelt, wo sie seit Jahrzehnten bereits hingehört, nämlich in den gehobenen und höheren Dienst. Wir werden Herrn Dr. Koller nicht daran hindern, zu seinen glücklichen Bayern (von denen wir allerdings anderes wissen) zurückzukehren.

      Wortbruch Nr. 2
„…Die CDU-Fraktion spricht sich für die Umsetzung der zweigeteilten Laufbahn in Niedersachsen aus.“

      Schon wieder alles vergessen, Herr Wulff?
Die Gnadenlosigkeit, die fehlende soziale in der Polizei mit aller Brutalität. Bei der Polizei gut ausgebildete Arbeitnehmer, die ihre Aufgaben mit Engagement, hoher Motivation und Kompetenz erfüllt haben, werden nicht weiterbeschäftigt. Seit dem 21.06. dürfen ihre Arbeitsverträge nicht weiter verlängert werden. Es handelt sich bei diesem Personenkreis durchweg um Kolleginnen und Kollegen, die sich weiterqualifiziert haben, um so zu ermöglichen, dass Vollzugsbeamte wieder ihren eigentlichen Aufgaben nachgehen können. Sie haben auf dem privaten Arbeitsmarkt so gut wie keine Chancen mehr.

Diese Haushaltspolitik, insbesondere von Herrn Möllring, ist wohl das wahre Gesicht dieser Regierung. Von heute auf morgen werden mit einem Federstrich menschliche Existenzen zerstört.

      Wortbruch Nr. 3
In der Regierungserklärung vom 04.03.2003 verkündete der Ministerpräsident: „Trotzdem werden wir den Stellenabbau sozialverträglich organisieren. Das ist für uns eine Selbstverständlichkeit.“(Zitatende)

      Mal nachlesen Herr Wulff!
Dass diese Landesregierung nicht nur Zusagen nicht einhält, sondern um der Effekthascherei Willen auch ein anderes Gesicht zeigt, wird an folgendem Beispiel deutlich:
Vor den von Werksschließung und Kündigungen bedrohten Arbeitnehmern der Firma Otis in Stadthagen versicherte unser Ministerpräsident medienwirksam die Unterstützung der Landesregierung. - Diese Gelegenheit hätte er bei den eigenen Beschäftigten des Landes Niedersachsen auch gehabt. - Stattdessen wird eiskalt das Aus für mehrere hundert Angestellte und Arbeiter verfügt.

Damit hat die Landesregierung ihre soziale Kompetenz auf der Schlachtbank des Haushalts geopfert.

Die Aufreihung der Maßnahmen gegen die Beschäftigten würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. In verschiedenen Informationen haben wir darüber mehrfach berichtet.
Wie schrieb uns ein enttäuschter Kollege:
„Gegen diese Landesregierung war Robin Hood ein Ehrenmann“

Gegen diesen politischen Kahlschlag, der möglicherweise im nächsten Jahr fortgesetzt werden wird, werden sich die drei in der Polizei des Landes Niedersachsen vertretenen Gewerkschaften/Verband gemeinsam zur Wehr setzen. Die unsozialen, undifferenzierten und undemokratischen Entscheidungen werden wir nicht akzeptieren.

Noch am 12.07.04 unmittelbar nach dem Gespräch mit dem Innenminister haben sich die drei Vorsitzenden auf gemeinsame Aktionen verständigt und für den 27.07.04 einen Koordinierungstermin für weitere Aktionen abgestimmt. Auch am 12.07.04 haben wir unsere KollegInnen aufgefordert, Protestmails an ihre örtlichen Abgeordneten zu schicken. Viele Polizeibeschäftigte haben trotz Urlaubszeit die Gelegenheit genutzt ihre Wut, Fassungslosigkeit und Enttäuschung zu formulieren und dies den Abgeordneten entsprechend zu übersenden.

Haben Sie wirklich alles vergessen Herr Wulff? Wir nicht!
Bernhard Witthaut
Landesbezirksvorsitzender

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