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GdP-Chef Freiberg im Interview mit dem Hamburger Abendblatt: Deutsche im Visier der Taliban

"Wir haben uns verschätzt" -

Hamburg/Berlin.

Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt warnt der GdP-Vorsitzende Konrad Freiberg vor Illusionen über den Einsatz in Afghanistan. Umgehende Forderungen nach einer Verstärkung der Polizeischulungen durch deutsche Ausbilder als Antwort auf die Krise lehnt er ab. Man müsse sich von einigen Illusionen verabschieden und der Öffentlichkeit reinen Wein einschenken", sagte er. Freiberg: "Tatsache ist, dass die deutsche Polizei viele Ziele nicht erreichen konnte, weil wir die Dimension der Probleme dort unterschätzt haben." Lesen Sie hier den Wortlaut des heute erschienen Interviews:



Deutsche Polizisten sind als Ausbilder weltweit in den Krisenregionen gefragt. Derzeit beteiligen sich 263 Polizistinnen und Polizisten an internationalen Missionen und vermitteln deutsche Polizeistrukturen. In Afghanistan sind derzeit 60 Beamte im Rahmen der europäischen Polizeimission Eupol eingesetzt. Sie sollen auf 120 aufgestockt werden. Vor einem Jahr starben drei von ihnen bei einem Bombenattentat in der Nähe von Kabul. Doch auch die afghanischen Kollegen haben am Hindukusch noch nicht das Ansehen, das die Ordnungshüter in Europa besitzen. Das zeigt die Zahl von vermutlich 925 getöteten Afghanen.

Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, erzählt dem Abendblatt, was die Mission bringt.

Hamburger Abendblatt: Nach dem erneuten tödlichen Zwischenfall mit deutscher Beteiligung in Afghanistan werden wieder die Forderungen - vor allem von der FDP, aber auch dem Bundeswehrverband - laut, mehr deutsche Polizisten zum zivilen Aufbau dorthin zu schicken. Halten Sie das für sinnvoll?

Konrad Freiberg: Ich warne davor, mehr Polizei von Deutschland aus dorthin zu schicken. Wir müssen uns insgesamt von einigen Illusionen verabschieden und der Öffentlichkeit reinen Wein einschenken. Tatsache ist, dass die deutsche Polizei viele Ziele nicht erreichen konnte, weil wir die Dimension der Probleme dort unterschätzt haben und sich die Rahmenbedingungen drastisch verschlechtert haben. Dort gibt es reine Familien- und Clanstrukturen. Es zählt allein, was der Clanführer sagt. Die meisten afghanischen Polizisten, die wir dort ausgebildet haben, haben danach die Seiten gewechselt und sind wieder bei ihren teilweise sehr kriminellen Clans gelandet. Wir helfen gern beim zivilen Aufbau einer Polizei, aber wir sind nicht Teil einer Bürgerkriegspartei.

Ist das Konzept des zivilen Aufbaus, unterstützt von deutschen Polizisten, gescheitert?

Freiberg: Auf jeden Fall haben wir die Ziele nicht erreicht. Wir haben uns bei der Einschätzung der Probleme völlig verschätzt. Ohne Zweifel wird dort Polizei gebraucht, aber nur im geringen Maße die Polizei, die wir in Deutschland kennen. Wir brauchen dort kaum den Kommissar, der den Ladendieb verfolgt und eine gute Spurensicherung macht. Dort sind paramilitärische Einheiten gefragt, die schwer bewaffnet Sprengfallen aufspüren und Selbstmordattentäter verfolgen. Das gehört nicht zum Berufsbild eines deutschen Polizisten.

So ist aber die deutsche Polizei nicht strukturiert. Wenn nun ab 1. Oktober der deutsche Leiter der europäischen Polizeimission (Eupol), in der 400 europäische Polizisten arbeiten sollen, Jürgen Scholz, die Leitung abgibt ...

Freiberg:
... dann ist das erfreulich.

Warum?

Freiberg: Wir können mit unserem Polizeibild dort nur wenig helfen. Die paramilitärische Ausbildung der Polizei, die wir ablehnen, können Länder wie Frankreich, Italien und Spanien besser voranbringen. Dort untersteht die Polizei dem Verteidigungsministerium. Sie haben paramilitärische Einheiten, die wir als deutsche Polizei gar nicht wollen. Deswegen ist es gut, wenn diese Länder bei Eupol mehr Verantwortung übernehmen.

Heißt das, dass die knapp 60 deutschen Polizisten aus Afghanistan abgezogen werden sollten?

Freiberg: Nein, natürlich muss man dort auch Kriminalisten ausbilden. Aber das ist eher zweitrangig.

Welches Ansehen haben die deutschen Polizisten in Afghanistan?

Freiberg: Sie haben ein hohes Ansehen. Aber wenn es darum geht, Anschläge zu verüben, sind auch wir im Visier der Terroristen. Denen ist es völlig egal, wen sie töten. Wer eine Uniform trägt, gilt als Besatzer. Da wird kein Unterschied mehr gemacht.

Wird es noch mehr tote Deutsche dort geben?

Freiberg: Ja, ganz bestimmt. Wir haben im letzten Jahr bereits drei tote Polizisten in Kabul gehabt und sind weiter in Gefahr.


Das Interview führte Maike Röttger, erschienen am 1. September 2008.
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