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Soziale Härten + Politische Unvernunft = weniger Polizei und Sicherheit für den Bürger!

Eine "Denk"schrift der Gewerkschaft der Polizei zu der ablehnenden Weiterbeschäftigung der befristet beschäftigten Arbeitnehmer bei der Polizei Niedersachsen

Hannover.

Vollzugsbeamte müssen wieder Verwaltungsaufgaben übernehmen!

I. Grundsätzliches

Mit Erlass des Finanzministers vom 21.06.2004 wurde festgelegt, dass in Niedersachsen kein befristeter Arbeitsvertrag verlängert wird. Allein bei der Polizei des Landes Niedersachsen sind hiervon ca. 200 Menschen betroffen. Zum Teil sind diese Verträge bereits ausgelaufen.

Das von dieser Maßnahme betroffene Tarifpersonal nimmt seit Jahren Aufgaben wahr, die den Vollzug entlasten und unterstützen. Es handelt sich hier nicht um Beschäftigung aus sozialen Erwägungen, sondern um Aufgabenerledigung durch qualifiziertes Personal, dass innerhalb des Beschäftigungszeitraumes zum Teil kostenintensiv aus- und fortgebildet wurde. Ein ersatzloser Wegfall dieser Kräfte bedeutet für viele Dienststellen, dass die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes nicht mehr problemlos gewährleistet werden kann.

Vielen dieser Beschäftigten wurde in der Vergangenheit immer wieder Hoffnung auf unbefristete Verträge gemacht, zumal die meisten von ihnen auf Stellen geführt werden, die unbefristet zur Verfügung stehen.

Dass hier Arbeit erledigt wird, die tatsächlich angefallen ist und anfällt, zeigt sich auch darin, dass ein großer Prozentsatz dieser Beschäftigten ein nicht unerhebliches Überstundenkonto aufweist, welches durch den täglichen Arbeitsanfall nicht abgebaut werden kann.

Am 07. Juni diesen Jahres hat der Ministerpräsident Christian Wulff bei dem in Hannover ansässigen Unternehmen OTIS für die Fortführung und den Erhalt der Arbeitsplätze geworben und insbesondere den sozialen Aspekt vorangestellt. Warum gilt diese Sorge nicht auch den eigenen Landesbeschäftigten, die nun ohne Skrupel in die Arbeitslosigkeit entlassen werden? Ein Großteil von ihnen wird auf Grund ihres Alters vor Erreichen des Rentenalters keine Beschäftigung mehr finden. Hier sind nicht nur Einzelpersonen, sondern ganze Familien betroffen, die zu sozialen Härtefällen werden.

Es ist unfassbar, dass die Landesregierung von den Unternehmen wirtschaftliche und zugleich soziale Entscheidungen fordert, wenn sie selbst unzählige Menschen in die Arbeitslosigkeit schickt und damit zugleich betriebswirtschaftlich nicht zu vertretende Folgen schafft.

II. Weitere Folgen:


1. Freisetzungsprogramm

Der Landesrechnungshof hat versucht zu belegen, dass ein Einsparpotential vorhanden ist, wenn vollzugsfremde Tätigkeiten von Tarifpersonal wahrgenommen werden. Dies ist keine neue Erkenntnis. In vielen Dienststellen im Land wird seit Jahren der erfolgreiche Versuch unternommen, den Vollzugsbereich durch Angestellte und Arbeiter zu entlasten. Diese Programme werden nun gegenstandslos, weil kein Tarifpersonal mehr eingestellt wird und die befristet Beschäftigten keine Verlängerung ihrer Verträge erhalten.

In einem Modell der Polizeidirektion Hannover wurde klar beschrieben, welche bisher von Vollzugsbeamten wahrgenommenen Aufgaben vollzugsfremd sind. Dabei wurde ermittelt, dass über die seit Jahren vorgenommenen Freisetzungen hinaus, weitere 74,5 Stellen umwandlungsfähig sind. Bei Freisetzung dieser Stellen kann eine Einsparung in Höhe von jährlich 710.003,50 € bzw. 1.703.349,63 € bei Berücksichtigung einer Pensionsrücklage in Höhe von 19% erzielt werden. Dieses Programm kann unter den aktuellen Bedingungen nicht mehr umgesetzt werden. Insofern ist der Erlass des Finanzministers, die befristeten Verträge nicht mehr zu verlängern, nicht mit Einsparpotential zu begründen und verhält sich konträr zu den Aussagen des Landesrechnungshofes. Zudem handelt es sich in den überwiegenden Fällen um gering vergütete Stellen.

Zwar wird behauptet, dass die Aufgaben in Zukunft von Beschäftigten aus den Bezirksregierungen übernommen werden. Dies gilt jedoch nur, sofern es sich bei den zu besetzenden Stellen nicht um solche aus dem Vollzug handelt. Hinzukommt, dass gerade im ländlichen Raum die Umsetzung dieser Überlegungen an den zurückzulegenden Entfernungen scheitern wird. Daher ist zweifelhaft, ob das Personal aus den Bezirksregierungen wirklich in den Dienststellen ankommt, in denen es auch gebraucht wird und in denen für Ersatz gesorgt werden müsste. Ein nahtloser Übergang wird schon in Ermangelung entsprechender Qualifikationen nicht möglich sein.
    2. Auszubildende

    Den Auszubildenden in der Polizei Niedersachsen wird nach Abschluss ihrer Ausbildung keine Perspektive geboten. Vor dem Hintergrund, dass der Staat Ausbildungsplatzabgaben fordert, erscheint es inkonsequent, dass das Land seinen

    ohnehin wenigen jungen Menschen, die einen Berufsabschluss erlangen können, im Anschluss in die Arbeitslosigkeit entlässt.

    3. Andere betroffene Beschäftigte

    Es ist absehbar, dass von diesen als Einsparmaßnahmen propagierten Entscheidungen weitere Bereiche betroffen sein werden. Insbesondere im Raum Hannover sollen die bisher beschäftigten Sozialarbeiter, die den Vollzugsbeamten in den für eine Großstadt typischen Problemfällen wertvolle Unterstützung geleistet und diese entlastet haben, nicht weiter tätig sein. Damit setzt sich die Landesregierung nicht nur über theoretische Erkenntnisse aus der Kriminologie und Soziologie hinweg, sondern auch über jahrelange positive Erfahrungen und Erfolge in der täglichen Arbeit.


    III. Betroffene

    Unabhängig von der Tatsache, dass die Entscheidung die betroffenen Beschäftigten nicht weiter vertraglich zu binden, unwirtschaftlich ist und zu keiner Kostenersparnis führt, wird die Diskussion über die befristet beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausschließlich mit Nennung von Zahlen geführt. Hierbei wird vergessen, dass hinter diesen rein rechnerischen Fakten Menschen stehen. Diese sind zum Teil seit Jahren in der Polizei tätig. Ihnen wurde immer wieder zugesichert, beim nächsten Vertrag unbefristet beschäftigt zu werden. Viele von ihnen haben Familien und Verpflichtungen.

    Die folgenden Einzelbeispiele, die lediglich 1/8 der Betroffenen erfassen, charakterisieren das Ausmaß der sozialen Folgen und der Folgen für die Polizei.



    1. Frau S. ist 43 Jahre alt und war von 1985 bis 1993 und seit 2002 wieder bei der Polizei beschäftigt. Ihr Vertrag lief bereits im Oktober diesen Jahres aus. Sie ist geschieden und hat zwei Kinder im Alter von 7 Und 19, von denen sich letzteres in der Ausbildung befindet. Nur für ein Kind erhält sie Unterhalt. Sie wird zeitnah der Sozialhilfe unterfallen. Den Abtrag für die Hypothek ihres Hauses wird sie nicht mehr aufbringen können.

    2. Frau G. ist 48 Jahre alt und wenn ihr Vertrag im September 2005 ausläuft 13 Jahre bei der Polizei tätig gewesen. Sie erhält nur für ihre 2 Kinder, die beide in schulischer

    und beruflicher Ausbildung sind, Unterhalt von ihrem geschiedenen Mann, der darüber hinaus nicht zahlungsfähig ist.

    3. Frau N. ist, wenn ihr Vertrag am 31.12.2004 endet 53 Jahre alt. Seit 1992 ist sie bei der Polizei Niedersachsen. Sie lebt getrennt und hat ein 17jähriges Kind.

    4. Herr S. ist 31 Jahre alt und verheiratet. Seine Beschäftigung endet am 31.12.2004 nach 4 Jahren.

    5. Frau L. ist 50 Jahre alt und seit 2003 bei der Polizei beschäftigt. Ihre beiden Verträge zu je 50% enden am 31.12.2004 und am 31.07.2006. Ihr Ehemann ist Frührentner und sie selbst ist schwerbehindert. Sie wird ihr Haus aufgeben müssen, da sie die Raten hierfür dann nicht mehr realisieren kann.

    6. Frau R. ist 57 Jahre alt und arbeitet seit 30.09.2004 nach 2jähriger Tätigkeit nicht bei der Polizei. Die geschiedene Mutter von 4 Kindern im Alter von 23 – 35 Jahren hat im September 2004 einen Schlaganfall erlitten.

    7. Frau E. ist seit 2001 bei der Polizei tätig und muss am 28. Februar 2005 in die Arbeitslosigkeit gehen. Die 35jährige erhält von ihrem geschiedenen Ehemann nur unregelmäßig Unterhaltszahlungen für ihre beiden Kinder im Alter von 10 und 13 Jahren.

    8. Herr B. war seit 2002 beschäftigt und hat die Polizei nach Ablauf seines Vertrages zum 30.09.2004 verlassen müssen. Er ist 25 Jahre alt und verheiratet.

    9. Frau S. war von 1988 bis 1993 und dann wieder seit 2000 bei der Polizei angestellt bis ihr letzter Vertrag am 30.09.2004 endete. Sie ist 40 Jahre alt, geschieden und hat zwei Kinder im Alter von 9 und 13 Jahren. Das Haus der Familie wird demnächst versteigert werden.

    10. Frau T., 25 Jahre alt, muss am 31.12.2004 nach zweijähriger Tätigkeit die Polizei verlassen. Hier war ihre erste Anstellung nach der Ausbildung. Sie hat bereits zahlreiche Ablehnungen auf ihre Bewerbungen erhalten und bisher keine Perspektive.


    11. Herr H. ist seit 2002 bei der Polizei. Er bewohnt in der Woche nur ein Zimmer, da seine Familie 300 km entfernt in einem strukturschwachen Gebiet lebt. Der 29jährige Familienvater hat zwei Kinder im Alter von 3 Jahren und 2 Monaten. Sein Vertrag endet am 31.12.2004.

    12. Herr M. ist 27jähiger Systemadministrator. Sein Arbeitsvertrag endet am 30.09.2005. Eine adäquate Qualifizierung mit seinem Niveau würde einen Zeitraum von ca. 2 Jahren und einen nicht unerheblichen Kostenaufwand bedeuten.

    13. Frau A ist 56 Jahre als und im medizinischen Dienst tätig. Ihr Vertrag läuft zum 30.05.2005 aus. Der Verlängerungsantrag, den der verantwortliche Arzt für dringend erforderlich hält und durch ihn gestellt wurde, wurde bisher nicht weitergeleitet.

    14. Frau C. ist 44 Jahre alt und verheiratete Mutter von 2 Kindern. Ihr Vertrag endet am 30.10.2004 nach fast zwei jähriger Beschäftigung. Sie hat neben Verwaltungstätigkeiten auch Aufgaben für Vollzugsbeamten wahrgenommen. Ihr Weggang bedeutet eine erhebliche Mehrbelastung für die tätigen Vollzugsbeamten, die ihre Aufgaben mit übernehmen werden müssen.

    15. Frau P. ist seit 1998 bei der Polizei beschäftigt. Ihr Vertrag endet am 30.11.2004. Sie ist 52 Jahre alt und verwitwet. Sie ist während ihrer Beschäftigung intensiv beschult und fortgebildet worden und auf Grund ihrer speziellen Kenntnisse nicht ohne weiteres zu ersetzen. Insbesondere ist ihre Tätigkeit nicht von den vorhandenen Vollzugsbeamten leistbar.

    16. Frau S. ist 50 Jahre alt, geschieden und Mutter eines Kindes. Nachdem sie seit 1999 bei der Polizei tätig ist, läuft ihr Vertrag zum 31.01.2005 aus. Die von ihr wahrgenommenen Tätigkeiten setzten neben speziellen Fachkenntnissen auch eine besondere psychische Stabilität und Belastbarkeit voraus. Sie hat den Vollzugsbereich durch die Wahrnehmung dieser Aufgaben erheblich entlastet. Es ist nicht klar, wer diese Tätigkeiten in Zukunft wahrnehmen soll.

    17. Frau H. ist 56 Jahre alt und seit 1996 bei der Polizei befristet angestellt. Ihr Angestelltenverhältnis endet am 03.02.2005. Ihre Kenntnisse im Technik und Datenverarbeitungsbereich hat sie in der Vergangenheit auch außerhalb ihrer Arbeitszeit umfangreich erweitert. Gerade im Zuge der Umorganisation ist ihre

    Erfahrung und ihr Fachwissen unverzichtbar. Auf Grund ihres Alters wird sie vermutlich bis zum Rentenalter in der Arbeitslosigkeit verbleiben.

    18. Herr R. war bis zum 15.10.2004 drei Jahre bei der Polizei beschäftigt. Er ist 48 Jahre alt und Vater von zwei Kindern. Nach seinem Weggang müssen unter anderem Kraftfahrer- und Unterstützungstätigkeiten einer Arbeiterstelle nun von Vollzugsbeamten übernommen werden.

    19. Herr A. ist seit 2002 bei der Polizei beschäftigt. Sein Vertrag endet am 29.02.2005. In den vergangenen Jahren hat er diverse Aus- und Fortbildungsmaßnahmen durchlaufen und auf Grund seiner speziellen Fachkenntnisse den Vollzugsbereich erheblich entlastet. Seine Tätigkeiten können durch das vorhandene Verwaltungspersonal nicht übernommen werden.

    20. Frau S. wurde 2001 mit einem befristeten Arbeitsvertrag eingestellt. Nach fortlaufender Verlängerung endet ihre Tätigkeit am 24.10.2005. Im Laufe dieser Zeit hat sie ihre Fachkenntnisse erweitert und vertieft. Ihre Tätigkeit kann zurzeit nicht von anderen Beschäftigten übernommen werden. Ein Ersatz aus der Bezirksregierung würde voraussetzen, dass ein Beschäftigter mit einer Halbtagsstelle einen täglichen Fahrweg von 300 km in Kauf nimmt. Aus familiären Gründen in ländlichem strukturschwachen Gebiet, in dem sich keine weitere berufliche Perspektive bietet.

    21. Frau D. ist seit 1995 befristet beschäftigt. Ihr Vertrag endet im März 2006. Ihr Tätigkeit setzt neben speziellen Fachkenntnissen ein besonderes Vertrauensverhältnis voraus und entlastet den Vollzugsdienst erheblich.

    22. Herr. L. wurde 2000 befristet eingestellt. Seine letzte Befristung endet am 29.02.2005. Sein Arbeitsplatz setzt verschiedene besondere Qualifikationen voraus, die er erfüllt und sich zum Teil während seiner Beschäftigung angeeignet hat. Er ist aus dem vorhandenen Personalbestand nicht zu ersetzen. Herr L. ist verheiratet und baut an einem Haus.

    23. Frau R. ist 37 Jahre alt und Mutter zweier Kinder. Sie ist seit fast 7 Jahren bei der Polizei beschäftigt. Während ihrer Beschäftigungszeit hat sie sich ein breites polizeispezifisches Wissen angeeignet. Ihr letzter Vertrag endet am 31.12.2004.
    Damit wird einer ganzen Familie die Existenzgrundlage entzogen. Sie ist allein erziehende Mutter zweier minderjähriger Kinder.

    24. Herr B. ist seit 2000 bei der Polizei beschäftigt. Seine Beschäftigung endet mit Ablauf des Monats Januar 2005. In dieser Zeit hat er seine fachliche Kompetenz ausgebaut und es ist nicht möglich, ihn ab Februar nächsten Jahres zu ersetzen. Zum Zeitpunkt seiner Arbeitslosigkeit wird er 55 Jahre alt sein und keine Chancen auf Weiterbeschäftigung bekommen. Er hat zwei Kinder, die sich in kostenintensiven Ausbildungen befinden.

    25. Herr K. wurde 2003 bis zum 30.06.2005 eingestellt. Seine Tätigkeit setzt besondere Qualifikationen voraus. In seiner Dienststelle ist kein qualifiziertes Personal vorhanden, dass die Erfüllung seines Aufgabenbereiches gewährleisten kann. Er hat als Alleinverdiener eine fünfköpfige Familie zu versorgen. Auf Grund seines Alters wird er keine Weiterbeschäftigung finden und seine ganze Familie zum sozialen Härtefall werden.

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    Weitere 180 Beschreibungen sind nicht nur von Seiten der persönlichen Betroffenheit tragisch, sondern haben für die Dienststellen verheerenden Folgen.
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