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Jubiläum

40 Jahre Frauen in der Schutzpolizei - Frauen bringen den Wandel

Von Anja Surkau

Vereidigung 1982; Bild: privat
Vereidigung 1982; Bild: privat

Frauen im Polizeidienst sind heute alles andere als die Ausnahme: In den letzten Jahren waren 40 bis 50 Prozent der neueingestellten Beschäftigten weiblich. Dabei ist es erst 40 Jahre her, als am 1. April 1981 die ersten 44 Frauen ihren Dienst bei der Polizei Niedersachsen antraten.

Ausbildung Anfang der Achtziger Jahre im Lehrsaal 1 9.GAL/S; Bild: Anja Surkau
Ausbildung Anfang der Achtziger Jahre im Lehrsaal 1 9.GAL/S; Bild: Anja Surkau
Ein Blick zurück in die 70er Jahre: Damals drohte der niedersächsischen Polizei ein Mangel an qualifizierten Bewerbern. Um ein Herabsetzen des Niveaus bei den Einstellungen zu verhindern, begann die Suche nach alternativen Lösungen. In diesem Rahmen erhielt das Innenministerium vom Arbeitskreis für Innere Sicherheit den Hinweis, dass in Hamburg uniformierte Schutzfrauen ihren Dienst versehen. Daraufhin machte sich eine Delegation auf den Weg und überzeugte sich davon, dass das Modell funktionierte. Im Anschluss startete in Niedersachsen ein Pilotprojekt auf Probe: Ab dem 01. April sollte ein festes Kontingent von Bewerberinnen zugelassen werden. Die Frauen würden in Hann. Münden ausgebildet und nur in Hannover und Braunschweig in bestimmten Dienstzweigen eingesetzt.

Ob dieser Versuch nun aus der Not oder aus Überzeugung an der Hamburger Lösung gestartet wurde: Der Erfolg überzeugte. Bereits frühzeitig entschied der damalige Innenminister Egbert Möcklinghoff: „Wir bleiben dabei!“ So positiv und wichtig diese Entscheidung auch war, sie bedeutete große Herausforderungen für die Polizei. Zunächst gab es nämlich kein Konzept für die Integration der Frauen in die verschiedenen Bereiche des Arbeitsalltags. Von baulichen Veränderungen an den Dienststellen über die Ausstattung mit Uniformen bis hin zu unterschiedlichen Maßstäben bei Sporttests: Nicht selten war die Anpassungsfähigkeit und das Selbstbewusstsein der Frauen gefordert, um bestehen zu können – auch in Bezug auf den Respekt der Kollegen und der Bevölkerung. Noch Jahre und teils Jahrzehnte bis heute bestimmen diese Themen die Arbeit der Frauen in der Polizei mit.

Für einen persönlichen Einblick hat der Landesfrauenvorstand Interviews mit Zeitzeuginnen aus den vier Jahrzehnte geführt. Die vollständigen Gespräche finden sich über die Links auf der rechten Seite.
BePo Braunschweig 1982; Bild: Dagmar Pape
BePo Braunschweig 1982; Bild: Dagmar Pape
Die Ausbildung zur Polizistin – Zwischen Bedenken und Stolz
Die Gespräche verdeutlichen, wie sich die Selbstverständlichkeit, mit der Frauen in der Polizei arbeiten, mit der Zeit verändert hat. Während sowohl Dagmar Pape als auch Christiana Berg 1981 eigentlich andere Berufswege geplant hatten und nur durch Zufall von der Möglichkeit zur Polizeiausbildung erfahren haben, beschreiben Meike Eldagsen und Beate Springer eine Dekade später die Berufswahl bereits als langjährigen Wunsch. Auch für Nadine Bunzler-Devoucoux war der Polizeiberuf im Jahr 2001 eine naheliegende Möglichkeit, ihren ausgeprägten Gerechtigkeitssinn umzusetzen. Für die Kolleginnen Yessica Costa-Klein und Michelle Schade stellte der Ausbildungsbeginn 2011 dann bereits die Erfüllung eines Kindheitstraumes dar. Die Option Polizistin zu werden war etwas völlig Normales. Auch der Umgang im Umfeld der Anwärterinnen hat sich verändert. Pape berichtet angesichts ihrer Entscheidung für den Polizeidienst von Bedenken ihrer Familie, die Eltern von Eldagsen haben gar versucht, ihr die Entscheidung auszureden. In den Familien der jüngeren Kolleginnen dominierte hingegeben der Stolz auf deren Entscheidung. Wichtig war, dass schließlich alle Familien ihre Töchter unterstützt haben. Dadurch habe sie „deutlich an Selbstbewusstsein gewonnen, habe mich weiterentwickelt“, erzählt Pape.

Umgenähte Herren-Uniformen für die Anwärterinnen: „Wir sahen aus wie Witzfiguren“
Nach Beginn der Ausbildung traten in den 80er Jahren zunächst organisatorische Schwierigkeiten auf. So gab es zum Beispiel keine speziellen Uniformen. Stattdessen, erzählt Berg, wurde sie einfach in eine Herrenuniform gesteckt. Wie Witzfiguren hätten sie ausgesehen und auch durch zusätzliche Anpassungen wären die Uniformen nicht kleidvoller geworden.

Auch an anderen Stellen sorgte die Einstellung der Frauen für Komplikationen, etwa bei der Besetzung der Unterkunftswache. Dafür waren auch in den Nachtdiensten die Auszubildenden zuständig. „Als unser Jahrgang dran war, wurden nur die männlichen Kollegen eingeteilt. Es war wohl die Sorge, Mann und Frau gemeinsam in die Wache zu setzen“, berichtet Pape. Auch Kollegin Berg berichtet von einer aus heutigen Sicht skurrilen Situation. An einer Durchsuchungsmaßnahme eines Waldstückes durfte sie damals nicht teilnehmen, weil Frauen angeblich nicht das passende Schuhwerk hatten. Im Kampf um die Gleichberechtigung lieferten derweil die männlichen Kollegen teilweise selbst den besten Beweis, dass sie keineswegs über eine bessere Eignung verfügten, wie eine lebhafte Erinnerung von Meike Eldagsen an einen Eingewöhnungsmarsch zeigt: „Wir hatten damals einen Kollegen in unserer Gruppe, der war überzeugt davon, dass er Karten lesen und navigieren konnte – weit gefehlt! Wir kamen tatsächlich als letzte Gruppe an und hatten einen wahnsinnig großen Umweg hinter uns.“
Polizeipraktische Ausbildung in Hannoversch Gmünden, 1981; Bild: Christiana Berg
Polizeipraktische Ausbildung in Hannoversch Gmünden, 1981; Bild: Christiana Berg
Von Vorbehalten und Verunsicherung zu Unterstützung und Kollegialität

Die Reaktionen der männlichen Kollegen wurden spätestens nach einer gewissen Eingewöhnungszeit aber immer entspannter. „Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass viele verunsichert wirkten. Immer stand unausgesprochen die Frage im Raum: ‚Wie stellt sie sich wohl an?‘ Im späteren Umgang wurde der Ton kollegial und freundlich“, erinnert sich Berg. Oft konnte auch ein offenes Wort für Klärung sorgen. So berichtet Eldagsen von einem Kollegen, der ihr sagte, dass er „auf keinen Fall mit einer Frau Dienst machen werde“. Darauf angesprochen erklärte er, dass seine Weigerung auf Geheiß seiner Frau erfolgte und er Probleme zu Hause vermeiden wolle. Unschöne Einzelfälle in Form von anzüglichen Bemerkungen, die zu Gesprächsbedarf führen, finden sich indes bis heute, wie Michelle Schade aus ihrer Ausbildungszeit ab 2011 weiß. Im Gesamtbild zeigt sich aber eine gute Kollegialität zwischen den Geschlechtern. Dass hin und wieder auf physische Unterschiede Bezug genommen wird, wenn die männlichen Kollegen anbieten, den Frauen beim Tragen zu helfen, empfindet sie als legitim. Auch Pape, die nach der Ausbildung als einzige Frau in ihrer Schicht arbeitete, empfand es positiv, wenn sie merkte, dass die Kollegen im Dienst zum Beispiel bei Handgreiflichkeiten auf einander achteten: „Wir sind füreinander da. Es war ein gutes Gefühl, auch als einzige Frau.“

Auch das Thema Familie ist mittlerweile wesentlich besser in den Arbeits- und Ausbildungs-Alltag integriert. Als Jessica Costa-Klein 2011 in Nienburg ihre Ausbildung an der Polizeiakademie begann, war sie bereits junge Mutter. Die Kollegen, mit denen sie eine Fahrgemeinschaft aus dem Raum Hannover bildete, nahmen damals auch ihren Sohn jeden Tag mit zu dessen Kindergarten und standen dafür sogar extra früh auf. „Die Betreuung meines Sohnes war meine größte Sorge und Herausforderung, allerdings haben sowohl Kollegen und Kolleginnen, als auch die PA und die Dozenten immer alles möglich gemacht. Das hat bei mir einen bleibenden, sehr positiven Eindruck hinterlassen“, resümiert sie. Das sah in den 80er Jahren noch anders aus, wie Dagmar Pape weiß: „Ich habe lange als Alleinerziehende gelebt. Im ersten Jahr musste ich meine Tochter zu meinen Eltern geben, ich war im Schichtdienst, konnte dann aber in den Tagesdienst wechseln“. Ein normaler Aufstiegslehrgang war für sie zunächst nicht machbar, erst später konnte sie einen Halb-Jahres-Lehrgang zum Aufstieg machen.

Anerkennung vor allem von Frauen und Älteren
So, wie sich die Organisation erst mit der Zeit an die Frauen in Uniform gewöhnte, ging es auch der Bevölkerung. Christiana Berg beschreibt die ersten Reaktionen zwar als freundlich und aufgeschlossen, aber auch neugierig. Dagmar Pape erinnert sich daran, wie sie im zweiten Ausbildungsjahr in der Bereitschaftspolizei Fahrzeuge kontrollieren musste: „In der Braunschweiger Zeitung stand tatsächlich: ‚Morgen kontrollieren euch die Frauen!‘ An dem Tag waren Journalisten vor Ort, die die Autofahrer befragten, wie es denn sei, von einer Frau kontrolliert zu werden“. Wirklich negative Erfahrungen, abgesehen von verbalen Äußerungen, musste zum Glück aber keine der Kolleginnen machen. „Kein Problem“, fasst es Nadine Bunzler-Devoucoux zusammen, die 2001 ihre Ausbildung begann. Vor allem ältere Menschen und andere Frauen sprechen den Kolleginnen immer wieder Anerkennung aus. Sie zeigen sich dankbar, weil sie sich durch die weibliche Präsenz sicherer fühlten. Dagmar Pape stellt fest, dass es die Frauen in Uniform früher möglicherweise sogar einfacher hatten: „Die Hemmschwelle gegenüber der Polizei und den Frauen in der Polizei war damals höher als heute, verbal wie auch körperlich.“

Dennoch, alle der befragten Frauen würden sich heute wieder für den Polizeidienst entscheiden. Dem weiblichen Nachwuchs in der Polizei wünschen sie Selbstbewusstsein, Chancengleichheit, Offenheit und vielseitiges Interesse. Meike Eldagsen, Mitglied in den Auswahlkommissionen, zeigt sich diesbezüglich aber unbesorgt: „Ich erlebe regelmäßig die heutigen Bewerber, die doch zum Teil eine ganze Ecke reifer sind, als es das Gros damals war. Mir gefällt der ‚frische Wind‘, den unsere Jungen mitbringen.“

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