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Kunz: „Kriminalpolizei am Limit! Es muss schnell und zielgerichtet gehandelt werden. Deutliche Arbeitsentlastung! Mehr Personal! Eine zeitgemäße Ausstattung! Anders geht es nicht!“

Ein Kommentar der Landesvorsitzenden Sabrina Kunz

Pensionierungswellen, eine massive Überalterung auf der einen Seite – eine deutliche Verjüngung auf der anderen Seite, situationsbedingte Mehrbelastungen bei sich dynamisch entwickelnden Herausforderungen, Probleme bei der Nachwuchsgewinnung, zunehmende Spezialisierungsbedarfe bei gleichzeitiger Notwendigkeit der Kriminalpolizei in der Fläche – der Handlungsbedarf in der kriminalpolizeilichen Aufgabenbewältigung ist groß.

Die Zahl der interessierten Kollg:innen für die Arbeit der Kriminalpolizei liegt weit hinter dem benötigten Bedarf zurück. Die Gründe dafür sind seit Langem bekannt und vielschichtig. Nur ändert sich das kaum bzw. zu langsam.
Trotzdem wird die Arbeitsbelastung der Kriminalpolizei in den nächsten Jahren noch weiter steigen, weil es der Polizei immer besser gelingt, auch Straftaten, die sich im Dunkelfeld des Internets ereignet haben, aufzuhellen. Was das für die Arbeit der Kriminalpolizei bedeutet, erleben wir bei der Bekämpfung des Kindesmissbrauchs bzw. der sexualisierten Gewalt gegen Kinder bereits. Zudem steigen die Fallzahlen, welche nicht direkt durch die PKS abgebildet werden, seit Jahren deutlich an.
Andere Bereiche deswegen nicht vertretbar zu vernachlässigen, wie z.B. die Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität, wäre fatal und würde dem Anspruch einer rechtsstaatlichen Bürgerpolizei nicht gerecht. Und auch hier ist mit einem höheren Fallaufkommen zu rechnen. Nach dem Jahresbericht "Rauschgift" aus dem Jahr 2019 befinden wir uns bei den Rauschgiftdelikten und bei der Sicherstellung von harten Drogen auf einem Höchststand.

Kluge, innovative, aber gleichzeitig auch vernünftige und mitarbeiterorientierte Lösungen müssen her, um die permanente Arbeitsüberlastung zurückzuführen und die Einsatzfähigkeit der Kriminalpolizei im Land insgesamt zu erhalten und zu stärken und damit eine vertretbare „Work-Life-Balance“ zu schaffen.

Lösen lässt sich das alles jedoch nur, wenn die Kripo endlich so viele Stellen bekommt, wie sie für ihre Arbeit braucht. Dies nicht durch das Ausdünnen an anderer Stelle, sondern durch eine an den Bedarfen orientieren Einstellungspolitik. Die Einstellungszahlen müssen dabei helfen und können zu einer Entspannung beitragen; diese Notwendigkeit sehen wir insbesondere auch im Tarifbereich.
Dass sich nunmehr die Behördenleitungen, das Innenministerium und in Teilen auch die Politik dieses Themas angenommen haben, wird durch die GdP begrüßt; fordern wir doch seit Jahren eine personelle Verbesserung. Wir warnen jedoch vor Schnellschüssen.

Klar ist, dass schnelle, zielgenaue Lösungen notwendig sind, welche dann auch zügig umgesetzt werden müssen. Fakt ist aber auch, dass dies ohne den Blick der Betroffenen nicht gelingen kann. Denn diese wissen am besten, wo es hakt.

Spezialist:innen von außen helfen… aber nur bedingt

Die GdP hat mit ihrer Umfrage unter Dienstzweigwechsler:innen vor einigen Jahren den eindrucksvollen Beleg dafür geliefert, wie wichtig es für die kriminalpolizeiliche Aufgabenbewältigung ist, zunächst im Streifendienst der Schutzpolizei Erfahrungen zu sammeln. Dies gilt demzufolge auch für Spezialist:innen in unterschiedlichen Bereichen. Das fachliche Know-How, das unsere Spezialist:innen von außen – z.B. im IT-Bereich – mitbringen, ist dringend notwendig. Besonders effektiv lassen sich diese Kolleg:innen jedoch einsetzen, wenn sie auch das ermittlungstaktische Know-How haben und die Organisation auch wirklich kennen.
Unser Zwischenfazit hierzu: das eine tun, ohne das andere zu lassen!

Stärkung statt Abbau der Fortbildung

In kaum einem anderen Bereich ist der Fortbildungs- und Qualifizierungsbedarf so stark gestiegen, wie bei der Kriminalpolizei. Gerade in Zeiten des rasanten technologischen Wandels ist ein adäquates, modernes und fachlich anspruchsvolles Fortbildungs- und Qualifizierungsprogramm erforderlich, ja sogar unverzichtbar. Dieses muss sich an den Bedürfnissen der Praxis orientieren.

Im ersten Schritt ist es hierzu erforderlich, auch weiterhin die kriminalpolizeilichen Inhalte und vor allem deren Auswirkungen auf die Ermittlungskompetenzen der jungen Kolleg:innen im Studium anzupassen und zu evaluieren. Wird im Studium auf die richtigen Inhalte gesetzt? Wird im Studium das notwendige Standardrepertoire an Ermittlungskompetenz vermittelt?
Hierzu gehört es aber auch, die Fortbildungsinhalte des theoretischen Teils des Dienstzweigwechsels weiterhin fortlaufend zu evaluieren. Zudem ist es essentiell, den Kolleg:innen der Kriminalpolizei fachspezifische Fortbildungsangebote zu unterbreiten; zeitnah, umfassend und bedarfsorientiert.
Geschieht dies alles nicht, wird die Handlungsfähigkeit der Ermittlungsdienste weiter eingeschränkt, weil die dort eingesetzten Kolleg:innen von der fachlichen und technischen Entwicklung überrollt werden.

Digitalisierung in der Kriminalpolizei voranbringen

Die Datenmengen, mit der sich die Polizei allein in Rheinland-Pfalz bei der Ermittlung mit Straftaten im Internet konfrontiert sieht, bewegen sich im Terabyte-Bereich und sie wachsen weiter an. Es stellt sich - neben personellen Erfordernissen - demnach die Frage, ob bei einzelnen Deliktsfeldern künstliche Intelligenz zur gezielten Durchforstung großer Datenmengen genutzt werden kann? Bei der Verfolgung von Kinderpornografie ermöglichen bereits jetzt Algorithmen eine umfassende Auswertung enormer Datenmengen innerhalb kürzester Zeit. Es stellt sich aber zudem die Frage, ob die hier gewonnen Erkenntnisse nicht auch in Zukunft für die Verfolgung von Straftaten in anderen Deliktsfeldern genutzt werden müssen, die im oder mithilfe des Internets begangen worden sind.
Das innovative Projekt der Polizei Rheinland-Pfalz gemeinsam mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es muss aber auch allen klar sein, dass diese Technik die Bewertung durch den Menschen nicht ersetzen kann.

Technik und Personal immer zusammen denken

Es wird erforderlich sein, die technische und die personelle Ausstattung der Kriminalpolizei – wie der gesamten Polizei – in Zukunft systematisch miteinander zu verknüpfen.
Mit der Implementierung neuer Technik muss immer auch der damit verbundene (Mehr-)Aufwand an Zeit- und Fortbildungsbedarfen gesehen werden. Ein Punkt, der seit Jahren leider geringgeschätzt wurde. Einfach immer nur draufpacken funktioniert eben nicht. Die daraus erwachsenden Ansprüche der Beschäftigten auf Perspektive und Aufstiegschancen dürfen nicht ignoriert werden, will man die Kriminalpolizei endlich wieder attraktiv machen.

Perspektive statt Notlösung

Dass erfahrene Ermittler:innen die Kripo bzw. ihr Tätigkeitsfeld verlassen müssen, um beruflich weiterzukommen, führt zu sinkender Attraktivität der Kriminalpolizei.
Wer sich fachlich spezialisiert und qualifiziert, wer Erfahrung angesammelt hat, wer zufrieden und motiviert in seinem Tätigkeitsfeld ist, der sollte dort auch bleiben, und zwar ohne einen „Karriereknick“ zu empfinden oder zu erleben. Neben den sog. „Führungskarrieren“ müssen in der gesamten Polizei auch „Fachkarrieren“ möglich sein.

Dass die psychischen Belastungen der Arbeit in bestimmten Bereichen der Kriminalpolizei nunmehr im Rahmen von „GAP K“ betrachtet werden, ist ein wichtiges Signal. Wir setzen auf den ergebnisoffenen Umgang mit dieser Thematik. Fakt ist, dass monetäre Anreize die psychischen Belastungen nicht ausgleichen können, insofern dürften Instrumente, wie regelmäßige Supervisionen, die besseren Instrumente sein. Es handelt sich bei den Zulagen jedoch um Hygienefaktoren, die aber dann wichtig sein können, wenn alle anderen Instrumente nicht greifen oder zu kurz kommen.

Die Polizei als Ganzes in einem Flächenland denken – wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht zurückentwickeln!

Einer Organisationsreform der Kriminalpolizei und einer damit einhergehenden Verlagerung dieser von der Fläche in die Kriminaldirektionen erteilt die GdP eine klare Absage. Die aktuelle Organisationsstruktur in einem Zusammenspiel von Zentralisierung, Spezialisierung, Dezentralisierung bzw. Kriminalpolizei in der Fläche wurde mühsam aufgebaut.

Ein Rückschritt in die Zeit Anfang der 90-er Jahre würde einen Rückschritt für die Polizei Rheinland-Pfalz bedeuten. Wir würden uns zurückentwickeln, weil am Personal gespart wird, Bedarfe nicht erkannt werden und wir uns die Zeit für vernünftige Lösungen nicht lassen. Wollen wir das?
Die Kriminalinspektionen in der Fläche haben sich bewährt. Die Polizei Rheinland-Pfalz gestaltet den Integrativen Ansatz und das Zusammenspiel zwischen schutz- und kriminalpolizeilicher Arbeit im Flächenland in vorbildhafter Weise. Bei uns wird die Zusammenarbeit besonders gelebt und werden Basics vermittelt, welche für die gesamte Organisation hilfreich sind. Darüber hinaus wird ein gegenseitiges Verständnis für die Arbeit der anderen Sparte erzeugt. Nicht umsonst sprechen K-Beamtinnen und K-Beamte bei den Inspektionen von ihrer PI und sprechen Beamtinnen und Beamte der Schutzpolizei bei den Kriminalinspektionen von ihrer Kriminalpolizei. Dies nehmen auch die Bürger:innen in unserem Land wahr. Aber auch den Kolleg:innen in der Fläche muss die Chance für Perspektiven gegeben werden, wie z.B. Herausgehobene Sachbearbeiter:innen nach A12 bzw. sog. Fachkarrieren. Das bedingt aber, dass der gedeckelte Topf der 12-er und 13-er Stellen endlich zukunftsfähig gemacht wird. Darüber hinaus muss die Organisation aber auch der Bekämpfung von veränderten Kriminalitätsphänomenen, bzw. Tatbegehungsweisen gerecht werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich habe Fragen aufgeworfen und Lösungen andiskutiert, Gedanken geäußert und Herausforderungen beispielhaft skizziert. Die GdP erarbeitet aktuell – unter breiter Beteiligung der Basis – ein umfassendes Positionspapier hierzu. Wir werden dieses nach Fertigstellung und Beratung in den zuständigen Gremien der Öffentlichkeit und der Politik vorstellen. Habe ich euer Interesse geweckt? Wollt ihr uns eure Auffassung mitteilen? Habt ihr Interesse, euch an der Diskussion zu beteiligen? Dann meldet euch bei Sven Hummel (sven.hummel@gdp-rlp.de) dem Fachausschuss Kriminalpolizei (frank.wimmel@gdp-rlp.de) oder bei mir persönlich (sabrina.kunz@gdp-rlp.de). Eure Meinung ist uns wichtig.

Kollegiale Grüße
Eure

Sabrina Kunz