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Schlusswort und GdP-Positionen
Konrad Freiberg, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft de Polizei

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
verehrte Gäste,

die zurückliegenden zwei Tage haben dank hervorragender Referenten und Diskussionsbeiträge einen tiefen Einblick in den Polizeialltag vermittelt. Wir haben das Fußballgeschehen in den Focus genommen und tatsächlich waren Fußballspiele die Ursache von 40 Prozent der insgesamt 127 länderübergreifenden Einsätze im vergangenen Jahr 2008.

Wohlgemerkt handelt es sich um länderübergreifende Einsätze, dass heißt, die Unzahl der Polizeieinsätze, die die Bundesländer Woche für Woche mit eigenen Kräften zusätzlich zu bewältigen und die ebenfalls mit dem Fußball zu tun haben, sind hier nicht mitgezählt.

Die aktuellen Ereignisse in den letzten drei Wochen, insbesondere die gewalttätigen Auseinandersetzungen um den 1. Mai werfen ein Schlaglicht auf ein gesellschaftliches Problem, mit dem unsere Kolleginnen und Kollegen nicht nur bei Fußballeinsätzen, nicht nur bei Auseinandersetzungen zwischen links- und rechtsextremistischen Gruppen, sondern auch im normalen polizeilichen Streifendienst täglich konfrontiert werden.

Es handelt sich um die wachsende Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft – und insbesondere die wachsende Gewaltanwendung gegen Polizeibeamtinnen und -beamte.

Wer im Hexenkessel von Kreuzberg, - um ein Beispiel der letzten Tage zu nennen - wo sich 700 Gewalttäter in einer Demonstration von 8000 Teilnehmern inmitten eines Volksfestes mit 35.000 Besuchern ausgetobt haben, miterlebt hat,
  • mit welcher Menschenverachtung und Brutalität Steine, Glasflaschen, Gehwegplatten, Knallkörper und Brandsätze auf unsere Einsatzkräfte geworfen wurden;
  • wie einzelne Polizeibeamte angegriffen und gehetzt wurden;
  • wie eine johlende Menge von Schaulustigen das offenbar als Mega-Event begrüßte; wie sich die Polizei von dem Veranstalter dieser so genannten Demonstration beleidigen lassen musste;

der wird begreifen, dass die Grenze des Zumutbaren für uns überschritten ist. Bei diesem Einsatz allein in Berlin wurden 479 Kolleginnen und Kollegen verletzt.

Wir sind es, die stellvertretend für alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes die Gesetze unseres Staates und die Regeln unserer Gesellschaft durchsetzen müssen - sei es bei Fußballereignissen, Demonstrationen oder im normalen polizeilichen Einsatz.

Wer Polizeibeamtinnen und -beamte angreift, verletzt, ihr auf Rechtsgrundlagen beruhendes Handeln missachtet oder stört, der missachtet den Rechtsfrieden aller Bürgerinnen.

Wir fordern alle demokratischen Parteien, gesellschaftliche Institutionen und auch die öffentlichen Medien auf, daran mitzuwirken, dass wieder ein gesellschaftlicher Konsens zur Anerkennung unserer Rechtsordnung und den Regeln eines zivilen Zusammenlebens erreicht wird.

Wir fordern Politik und Justiz auf, die Autorität der Polizei nicht zu untergraben. Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte darf nicht als Lappalie abgetan, sondern muss deutlich sanktioniert werden.

Polizeiliches Handeln darf nicht im Parteienstreit diskreditiert und für Wahlkampfzwecke missbraucht werden.

Wir sind es leid, für die Politik die Kastanien aus dem Feuer zu holen, uns beschimpfen, bespucken und bewerfen zu lassen, um hinterher als die eigentlichen Täter gebrandmarkt zu werden.

Wenn sich infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise die gesellschaftlichen Spannungen und Konflikte verschärfen, werden wir nicht willenlos zur Verfügung stehen, sie auf unserem Buckel austragen zu lassen.

Die Polizei ist kein firmeneigenes Sicherheitsunternehmen, sondern der Garant für den inneren Frieden unserer gesamten Gesellschaft.

Das ist auch der Grund, warum wir in den vergangenen zwei Tagen intensiv über das Fußballgeschehen aus polizeilicher Sicht gesprochen haben.

Wir alle sind Freunde dieses Sports, dessen segensreiche Seiten für unsere Gesellschaft wir sehr wohl sehen und anerkennen.

Fußball ist aber nicht nur eine Sache, an der viele Millionen Freude haben und andere viele Millionen verdienen. Fußball hat auch seine dunkle Seite. Wer diese Seite ignoriert, der lässt zu, dass auch die andere überschattet wird.

Als Polizeibeamtinnen und -beamte, als Gewerkschaft der Polizei, sind wir bereit, daran mitzuarbeiten, dass Fußball wieder „die schönste Nebensache der Welt“ wird.

Dass Fußball für die innere Sicherheit in Deutschland und für die Polizei längst keine Nebensache mehr ist, zeigen die Zahlen:

Mit 49 Unterstützungseinsätzen haben die Fußballeinsätze mittlerweile selbst die Zahl des Jahres 2006 übertroffen, in dem immerhin die Fußballweltmeisterschaft in unserem Land stattfand. Allein bei den Spielen der 1. und 2. Liga werden 1.391.164 Arbeitsstunden geleistet.

Uns ist in den Vorträgen anschaulich vor Augen geführt worden, mit welcher Qualität von Gewalt die Beamtinnen und Beamten in diesen Einsätzen konfrontiert werden.

Die Zahl der verletzten Personen stieg von 371 in der Saison 2005/2006 und 494 in der Saison 2006/2007 auf nunmehr 501 in der vergangenen Spielzeit.

Gleichzeitig registrierte die Polizei einen Anstieg der Straftaten auf 4.577 in der Saison 2007/2008. Das gewaltbereite Fan-Potenzial wird auf ca. 12.100 Personen geschätzt.

Aus den Vorträgen und Diskussionsbeiträgen wissen wir, mit welchen Problemen die Polizei häufig konfrontiert wird:
  • Spielpläne mit Häufung von „Problemspielen“ an bestimmten Terminen;
  • Terminüberschneidungen von Fußballspielen mit anderen Veranstaltungen insbesondere Demonstrationen;
  • Gewaltbereitschaft (sowohl untereinander als auch gegenüber der Polizei)
  • (Es ist ein Märchen, dass in den Stadien kaum noch Straftaten begangen werden. Im Gegenteil: Das Abbrennen von Pyrotechnik und das Werfern von Knallkörpern ist ebenso strafrechtlich relevant wie gesundheitsgefährdent. So berichten Kollegen vermehrt zum Beispiel von Knalltraumen)
  • Reisewegüberschneidungen;
  • Drittort-Auseinandersetzung;
  • gesteigerter Alkoholkonsum;
  • bauliche Gegebenheiten der Stadien in den unteren Ligen;
  • Verschiebung gewaltbereiten Fanpotentials von 1. und 2. in untere Ligen sowie zunehmende Gewaltbereitschaft von Fans bei Spielen in unteren Ligen.

Erschwerend kommt hinzu:

Ein geringeres Risiko der Strafverfolgung in den unteren Ligen, da im Gegensatz zu den technisch besser ausgerüsteten Stadien der höheren Ligen keine ausreichende Videoüberwachung zur Beweisführung vorhanden ist.

Auch eine Veränderung der Fanstruktur hat stattgefunden. So ist ein Erstarken der Ultrabewegung mit einer Bandbreite vom klassischen Supporter bis zum gewaltbereiten Störer zu beobachten. Die Übergänge zwischen den einzelnen Gruppen sind fließend, eine Differenzierung ist schwierig und Solidarisierungseffekte bei Konflikten mit der Polizei verschärfen oft die Situation.

Durch Vereine und Verbände ist in den letzten 10 – 15 Jahren Enormes geleistet worden – dies steht jetzt zum Teil auf dem Spiel.

Wenn nicht alle Verantwortlichen dieser Entwicklung entgegentreten, können für die Zukunft folgende Auswirkungen nicht verhindert werden:

Die zunehmenden Einsatzzahlen werden vermehrt zu Kollisionen führen.

Die Personaldecke wird noch enger, zumal jetzt vorgenommene Einstellungen erst in drei Jahren zu echten Personalvermehrungen führen.

Bei zeitlichen Kollisionen wird aufgrund von rechtlichen Vorgaben (Schutz des Demonstrationsrechts etc.) und aufgrund von Gefahrenprognosen entschieden werden müssen.

Das kann im Einzelfall dazu führen, dass Gerichte bei nicht ausreichendem Personal dem Schutz des Demonstrationsgeschehens Vorrang geben mit der Folge, dass Problemspiele nicht oder nur mit verringerten Sicherheitsstandards durchgeführt werden können.

Unveränderte Verkehrskonzepte für die An- und Abreise von Fangruppen wird die Sicherheit in der Bahn und auf Einsteige-/Umsteigebahnhöfen für alle Reisenden gefährden. Fehlende Entlastungszüge werden verstärkt zur Inanspruchnahme höherwertiger Züge und verstärkt zu Beeinträchtigungen der Reisenden darin führen.

Der Spielbetrieb in unteren Ligen wird massiv unter der mangelnden Präsenz der Polizei leiden.


Deshalb fordert die Gewerkschaft der Polizei
  • Entzerrung der Spielpläne durch Rücksichtnahme auf feststehende und flexible Termine und Reaktion auf kurzfristig auftretende Situationen/Terminkollisionen – notfalls bis zur Spielabsage.
  • Konsequente Durchsetzung der Sicherheitsvorschriften aus den Sicherheitsrichtlinien auch bei unteren Ligen (4. + 5).
  • Bessere Berücksichtigung der Reisewege von Fans bei Spielbetrieb/-plan.
  • Stadionverbote müssen einheitlich gehandhabt werden – auch in klassentieferen Ligen. Stadionverbote sollten verstärkt zu Transportverboten der Deutschen Bahn führen.
  • Es sollten häufiger Alkohol- und vor allem Flaschenverbote auch schon auf den Anreisewegen verhängt werden.
  • Gestellung von Sonderzügen durch die Bahn verstärken ggf. – wenn Vereine dies nicht alleine leisten können – durch finanzielle Unterstützung.
  • Es sollten ausschließlich Kombitickets für den Stadionbesuch und die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel ausgegeben werden. Das soll verhindern, dass statt eingesetzter Sonderzüge mittels Sonderangeboten der Bahn die Regelzüge genutzt werden.
  • Ausbau der Fanbetreuung auch bei Vereinen in niedrigeren Ligen – auch mittels finanzieller Unterstützung DFB (oder DFL – da Vereine der 1., 2. und auch 3. Liga Interesse daran haben müssen, dass Fußball kein negatives Image erhält).
  • Vereine müssen animiert werden, entschiedener gegen Gewalttäter vorzugehen.
  • Zuverlässigkeit der Ordnungsdienste in unteren Ligen sicherstellen.
  • Einwirken auf Politiker, dass genügend qualifiziertes Personal vorgehalten wird, um Einsatzgeschehen inklusive Fußballeinsätze sicherzustellen.
  • Einwirken auf die Justizminister der Länder, ausreichend Personal bereitzustellen, um Problemspiele zu begleiten und eine schnelle Reaktion auf Straftaten (Haftbefehle) sicherzustellen.
  • Das Nationale Konzept Sport und Sicherheit muss häufiger mit den polizeilichen Gefahrenprognosen abgeglichen werden.
  • Es sollte ein gemeinsamer „Fußballgipfel“ stattfinden, bei dem alle Verantwortlichen (DFB, DFL, GdP, DB, Kommunen, Politik) mit am Tisch sitzen und das Thema diskutieren, um zukunftssichere Lösungen zu entwickeln.

Ziel der Überlegungen muss es sein, Gewalt zu verhindern, statt Vereine abzukassieren.

Wer immer mit dem Fußball zu tun hat, kann sich aus seiner Verantwortung nicht davonstehlen, auch wenn es Einsatz und Mittel erfordert.

Wenn die Polizei ihren Beitrag weiterhin dazu leisten soll, dass Fußball wieder ein Fest für die ganze Familie wird, muss sie auch dazu personell und materiell in die Lage versetzt werden.

Wir fordern die Innenminister der Länder auf, den Abbau der Bereitschaftspolizei nicht nur zu stoppen, sondern die Bereitschaftspolizei wieder zu verstärken.

Der Missbrauch der Bereitschaftspolizei als Personalreserve für den polizeilichen Einzeldienst ist ein Irrweg angesichts zunehmender Großeinsätze nicht nur im Fußballgeschehen.

Der Missbrauch der Bereitschaftspolizei als Personalreserve für den polizeilichen Einzeldienst ist gefährlich für die Einsatzkräfte, denen notwendige Trainingszeiten für lageangepasstes Verhalten bei unfriedlichen Großeinsätzen vorenthalten werden.

Der Missbrauch der Bereitschaftspolizei als Personalreserve für den polizeilichen Einzeldienst ist letztlich ein Betrug an den Bürgerinnen und Bürgern, denen im Alltag eine Polizeipräsenz vorgegaukelt wird, die gar nicht vorhanden ist.

Die innere Sicherheit ist keine Theaterbühne, auf der das immer gleiche kleine Ensemble in wechselnden Kostümen die Stücke Kriminalitätsbekämpfung, Terrorismusbekämpfung, Fußballeinsätze, Demonstrationsgeschehen, Staatsbesuche, Verkehrsüberwachung, aufführen kann.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.
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