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Tagung der GdP-Rechtssekretäre in Berlin

Bundesverwaltungsgericht entscheidet im Musterprozess: Zeckenbiss ist Dienstunfall

Berlin.

Eine lange Tagesordnung abzuarbeiten, galt es für die sich in der Berliner GdP-Bundesgeschäftsstelle zu ihrer jährlichen Tagung treffenden GdP-Rechtssektretäre. Zahlreiche Themen, wie die Bezahlung von Fußballeinsätzen, die GdP-Forderung nach einem Paragraphen 115 StGB und die Bewertung verschiedener Urteile, so zum Streikrecht von Beamten, zu Stadionverboten und dem Streikrecht für Beamte wurden von den GdP-Rechtsexperten intensiv beraten. Hugo Müller, für den Bereich Recht zuständiges Mitglied im Geschäftsführenden GdP-Bundesvorstand, erläuterte seinen Kolleginnen und Kollegen zudem den Sachstand in einem von der GdP geführten Musterprozess zur Anerkennung eines Zeckenbisses als Dienstunfall. Lesen Sie bitte als Vorabdruck der Juli-Ausgabe "Deutsche Polizei" den von GdP-Justiziar Sascha Braun aufbereiteten Fall nach dem Klick auf ..



Zeckenbiss ist Dienstunfall - Eine weitreichende Entscheidung zum Dienstunfallrecht

von Sascha Braun

Zecken sind kleine Spinnentiere aus der Familie der Milben, hungrig sind sie noch deutlich kleiner als ein Streichholzkopf. Sie leben im Gestrüpp und im Unterholz, an Waldrändern und auf Lichtungen, im hohen Gras an Landstraßen, aber mittlerweile auch in Gärten und Parks. Sitzt eine Zecke erst auf ihrem Wirt, kann sie sich mit ihren Beisswerkzeugen und Widerhaken in der Haut hervorragend festhalten. Damit das Opfer den Saugvorgang nicht bemerkt, wird die Haut mit einem Betäubungsmittel benetzt. Gut gesättigt kann eine Zecke bis zu 3 cm groß werden. Dieses Tier verfügt also über erstaunliche Fähigkeiten, aber leider übertragen Zecken schwerwiegende Infektionskrankheiten, wie die Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME).

Zwei Beamte des Öffentlichen Dienstes wurden im Dienst von Zecken gebissen und begehrten die Feststellung, dass es sich bei diesem Vorgang um einen Dienstunfall im gesetzlichen Sinn handelt. „Beide Beamte, eine Lehrerin aus Niedersachsen und ein GdP-Kollege aus dem Saarland, mussten einen langen Instanzenweg durchschreiten, um letztlich einen gerechten Erfolg zu erstreiten. Besonders hilfreich war im Falle des GdP-Kollegen die hervorragende Arbeit der DGB-Rechtsschutz GmbH und der dort angestellten Rechtsanwältin Susanne Theobald“, betont der für Rechtsangelegenheiten zuständige stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende und Vorsitzende des GdP-Landesbezirks Saarland, Hugo Müller.

Nach einer ausgedehnten Blutmahlzeit erreichen vor allem weibliche Zecken eine Größe von bis zu 3 cm. Foto: Echino/pixelio.de
Im Juni 2006 wurde der GdP-Kollege während des Verkehrsüberwachungsdienstes am Straßenrand von einer Zecke befallen. Er ließ diese anderntags ärztlich entfernen und meldete die Sache umgehend als Dienstunfall, um Unfallfürsorgeleistungen des Saarlands zu erhalten und auch um Vorsorge für evtl. später eintretende Infektionen sowie sonstige Komplikationen zu treffen. Die oberste Dienstbehörde lehnte die Anerkennung als Dienstunfall ab. Zur Begründung führte sie an, dass sich bei einem Zeckenbiss ein allgemeines Lebensrisiko verwirkliche. Es fehle der spezifische Zusammenhang mit dem Dienst des Klägers als Polizeibeamter. Ein Zeckenbiss könne jedem Bürger widerfahren. Im vorliegenden Fall habe sich nur zufällig ein zeitlicher Zusammenhang mit der Dienstausübung ergeben. Im Übrigen liege kein Körperschaden vor.

Gegen die Ablehnung als Dienstunfall legte der Kollege im September 2006 Widerspruch ein. Der Widerspruch wurde abgelehnt.

Das Verwaltungsgericht Saarlouis gab am 30.10.2007 der Klage statt (Az: 3 K 158/07) und verurteilte das Land dazu, den Zeckenbiss als Dienstunfall anzuerkennen. Dagegen legte das beklagte Land Berufung vor dem Oberverwaltungsericht (OVG) ein. Mit Urteil vom 24.04.2009 (Az: 1 A 155/08) bestätigte das OVG das erstinstanzliche VG-Urteil. Die Berufung des Landes wurde als unbegründet abgewiesen.

GdP-Justiziar Sascha Braun (l.) begrüßt die GdP-Rechtsekretärinnen und -sekretäre zur gemeinsamen Tagung in der Berliner Bundesgeschäftsstelle.

Das OVG Saarland hat die Revision zugelassen, da das Urteil hinsichtlich der Anforderungen an das Vorliegen eines besonderen ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem gemeldeten Dienstunfallereignis und der Ausübung des Dienstes von der diesbezüglichen Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Urteile vom 07.07.2005, 17.04.2008 und 17.07.2008) abweicht. Das Urteil des OVG des Saarlandes beruht auch auf dieser Abweichung. Daher war die Revision zuzulassen.

Mit nahezu den gleichen Begründungen lehnte auch die Dienstbehörde der niedersächsischen Lehrerin die Feststellung als Dienstunfall ab. Das niedersächsische OVG hatte sich jedoch anders als das OVG Saarland den Erwägungen der Dienstbehörde angeschlossen. Aufgrund anderer zeitlicher Abläufe entschied nun das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in einem Grundsatzurteil über den niedersächsischen Sachverhalt und legte sich damit auch in der Sache des GdP-Kollegen klar fest.

Das Zeckenbiss-Verfahren ist nicht nur wegen des Einzelfalles von großer Bedeutung, sondern das BVerwG hat wesentliche Ausführungen zum Dienstunfall außerhalb der eigentlichen Diensträume und in Bezug auf Schadensfälle getätigt, die nicht auf dem ersten Blick zur normalen Dienstverrichtung gehören. Wurde noch vom OVG Niedersachsen vorgetragen, bei dem erlittenen Zeckenbiss handele es sich um eine Gelegenheitsursache, bei der zwischen dem eingetretenen Schaden eine rein zufällige Beziehung stünde und ein Dienstunfall sei ausgeschlossen, wenn sich – wie hier – in dem Schaden lediglich eine allgemeine, letztlich jeden treffende Gefahr realisiere, so entschied das BVerwG anders. Der Begriff des Dienstunfalls setze eben nicht voraus, dass der Beamte bei seiner Tätigkeit einer höheren Gefährdung als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sei oder sich in dem Körperschaden einer der konkreten dienstlichen Verrichtung innewohnenden typischen Gefahr realisiere.

Das BVerwG hat im Fall der niedersächsischen Lehrerin darüber hinaus festgestellt, dass es sich bei diesem Zeckenbiss auch um ein örtlich und zeitlich bestimmbares Schadensereignis im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG handele. Diese Feststellung ist wichtig, weil mit Hilfe der örtlichen und zeitlichen Bestimmung die Begrenzung des Haftungsrisikos für den Dienstherrn getroffen wird. Der Dienstherr soll nämlich nur für Schadensereignisse haften, die einem Nachweis zugänglich sind, jede Verwechselung mit einem anderen Ergebnis muss ausgeschlossen werden. Problematisch ist diese Abgrenzung bei Infektionskrankheiten, bei denen häufig aufgrund der Natur der Sache Ort und Zeitpunkt der Ansteckung nicht klar festliegend sind. Hier aber hatten beide Kollegen genau das richtige getan, nämlich eine klare Beweisführung über den dienstlichen Zusammenhang sowie Ort und Zeit des Zeckenbisses geführt.

Hugo Müller, für den Bereich Recht zuständiges Mitglied im Geschäftsführenden GdP-Bundesvorstand: "Beachtlich viele Kolleginnen und Kollegen haben sich Jahre und Jahrzehnte mit dem Dienstherren über die Anerkennung von Dienstunfällen auseinandergesetzt. Häufig genug wurden Leistungen unter dem schlichten Hinweis 'allgemeines Lebensrisiko' abgewiesen. Diese billige Argumentation des Dienstherren dürfte mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Anerkennung eines Zeckenbisses als Dienstunfalls ein Ende gefunden haben.“ Fotos (3): Michael Zielasko

„Angesichts der Tatsache, wie wichtig eine glasklare Dokumentation bei einem Dienstunfall mit Infektionskrankheitsgefahr ist, empfehlen wir in solchen Fällen dringend, alles zu tun, um nach Abwendung der unmittelbaren Gesundheitsgefahr sofort eine fotografische und zeugenschaftliche Beweisführung vorzunehmen. Beispielsweise kann ein Foto mit Datum und Uhrzeit von der Zecke in der Kniebeuge entscheidend sein“, mahnt Hugo Müller.

Im vorliegenden Fall ist das BVerwG darüber hinaus auch davon ausgegangen, dass der Zeckenbiss in Ausübung des Dienstes im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG geschah. Dieses Merkmal verlangt eine besonders enge ursächliche Verknüpfung des Ereignisses mit dem Dienst, denn auch hier geht es um die Abgrenzung von Unfällen, die ein Beamter entweder innerhalb seiner privaten Sphäre oder im Bereich des Dienstes erleidet. Der Beamte steht bei Unfällen, die sich innerhalb des vom Dienstherrn beherrschbaren räumlichen Risikobereichs ereignen unter dem besonderen Schutz der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge. Deshalb hatte das Gericht die Aufgabe, letztinstanzlich festzustellen, ob ein Zeckenbiss noch in einem vom Dienstherrn beherrschbaren Risikobereichs liege. Das Gericht hat diese Frage so gelöst, dass es zunächst festgestellt hat, dass der außerhalb der Diensträume liegende Ort, an dem ein Beamter weisungsgemäß seinen Dienst verrichtet – hier im Freien an einer Straße – dann für die Dauer der Aufgabenerledigung vorübergehender Dienstort wird. Wenngleich sicherlich das hohe Gras am Wegesrand nicht zum realem Machtbereich des Dienstherren gehören kann, so hat aber das BVerwG festgestellt, dass dieser Dienstort hinsichtlich des Unfallschutzes des Beamten nicht zu einer Verschlechterung, insbesondere zu einer Erhöhung der Anforderung für die Anerkennung eines schädigenden Ereignisses als Dienstunfall führen darf. Setzt der Dienstherr einen Beamten in einem abgrenzbaren örtlichen Bereich außerhalb seines räumlichen Machtbereichs ein, wird jener Bereich dienstunfallrechtlich der räumlichen Risikossphäre des Dienstherren zugerechnet, BVerwG 2 C 81.08, Rd.-Nr. 19.

„Gerade die Feststellung des BVerwG, dass auch die Dienstverrichtung außerhalb des Innendienstes mit all den ihr innewohnenden Gefahren dann dem Dienstherren zuzurechnen ist, wenn dieser Dienst auf einer rechtmäßigen Grundlage steht und die Dienstverrichtung klar erkennbar und ebenfalls rechtmäßig ist, ist schon fast rechtshistorisch zu nennen“, zeigt sich der stellvertretene Bundesvorsitzende, Hugo Müller erfreut. „Beachtlich viele Kolleginnen und Kollegen haben sich Jahre und Jahrzehnte mit dem Dienstherren über die Anerkennung von Dienstunfällen auseinandergesetzt. Häufig genug wurden Leistungen unter dem schlichten Hinweis `allgemeines Lebensrisiko` abgewiesen. Diese billige Argumentation des Dienstherren dürfte mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ein Ende gefunden haben.“
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