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GdP-Vize zu Asylkompromiss der Union bei WELT TV + Kritikpunkte für die Ablehnung von Transitzentren

Radek: Tausende Kilometer Grenze wurden schlicht ausgeblendet

Foto: Screenshot welt.de
Foto: Screenshot welt.de
Berlin.

Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Jörg Radek zweifelt an der Machbarkeit von Transitzentren für Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze. Radek sagte am Dienstagmittag in einem Live-Studiogespräch dem Nachrichtensender Welt TV in Berlin, Transitzentren könne es nach EU-Recht nur an EU-Außengrenzen mit Grenzkontrollen geben. Dazu gehörten in Deutschland nur die Flug- und Seehäfen, aber nicht die Grenze zu Österreich“, so der GdP-Vize, zugleich Vorsitzender der GdP in der Bundespolizei. „An der Binnengrenze ist die Einreise mit Überschreiten der Grenzlinie vollzogen, es kann dort keinen Transitbereich geben.“ Auch sei die Arbeit in Transitzentren keine Aufgabe der Bundespolizei.

Audio: Zum Thema Schleierfahndung - Radek-Interview mit mdr-aktuell

Radek kritisierte zugleich, dass die bayerisch-österreichische Grenze nur ein kleiner Teil des Grenzbereiches in Deutschland sei. „Wir bekommen also einen Kompromiss für 830 Kilometer deutsch-österreichischer Grenze. Die übrigen deutschen Grenzen werden in der politischen Diskussion vollkommen ausgeblendet. So sieht keine nachhaltige Politik für innere Sicherheit aus“, kritisierte er.

Kritikpunkte für die Ablehnung von Transitzentren an der deutschen Schengen-Binnengrenze:

„Fiktion der Nichteinreise“ ist rechtlich nicht haltbar
Die Zentren sollen auf der „Fiktion der Nichteinreise“ beruhen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Einreise über den Landweg jedoch mit dem Überschreiten der Grenzlinie vollendet (BGH (Az.: 3 StR 86/15) - Beschluss vom 28. April 2015: „Der Begriff der Einreise bestimmt sich nach der Verordnung (EG) 562/2006 vom 15. März 2006 (Schengener Grenzkodex), die im Rahmen ihres Geltungsbereiches der nationalen Regelung in § 13 Auf-enthG vorgeht (vgl. BGH HRRS 2015 Nr. 378). Ein Ausländer ist daher an einer Binnengrenze bereits dann eingereist, wenn er die Grenzlinie (physisch) überschritten und das Hoheitsgebiet des Zielstaates betreten hat. Im Fall der Einreise mit einem Binnenflug findet eine Grenzkon-trolle gleichfalls nicht statt; der Ausländer ist mithin nach § 13 Abs. 2 Satz 3 AufenthG mit Überschreiten der Grenze eingereist. Nach Art. 2 Nr. 1 Buchst. b SGK gilt der Flughafen am Zielort als Binnengrenze, so dass die Einreise mit dem Betreten des Bundesgebietes am Flug-hafen vollendet ist.“). Die Aufrechterhaltung des Schengen-Systems schließt daher die dauer-hafte Einrichtung von Transitzentren an den Binnengrenzen aus, weil sich die „Fiktion der Nichteinreise“ nicht aufrechterhalten lässt.
Es ist juristisch hoch umstritten, ob sich im Falle der vorübergehenden, befristeten Wiederein-führung von Grenzkontrollen an den Binnengrenzen die Vollendung der Einreise von der Grenzlinie auf einen nicht festgelegten Ort in einer 30km breiten Zone verschieben kann und ab Wegfall der Grenzkontrollen wieder auf die Grenzlinie verschieben soll.

Zeitliche und räumliche Begrenzung der Grenzkontrollen durch die EU
Grenzkontrollen sind die rechtliche Voraussetzung für Zurückweisungen an den Binnengren-zen. Die Europäische Union hat die Grenzkontrollen aber nur an der österreichischen Grenze und nur bis November 2018 gestattet.

Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
Es dürfte vor dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz kaum vermittelbar sein, dass die Frage einer freiheitsbeschränkenden Maßnahme in einem „Transitzentrum“ davon abhängig gemacht werden soll, über welche deutsche Binnengrenze ein Schutzsuchender einreist. Denn das System sieht vor, nur Schutzsuchende an der österreichischen Grenze in „Transitzentren“ zu arretieren, während sachgleiche Schutzsuchende an anderen deutschen Binnengrenzen in den Erstaufnahmeeinrichtungen gebracht werden und ihr Antrag weiterhin in Deutschland ge-prüft wird.

Keine rechtliche Grundlage für freiheitsbeschränkende Maßnahmen
Für freiheitsbeschränkende Maßnahmen von Schutzsuchenden in „Transitzentren“ fehlt ge-genwärtig die rechtliche Grundlage. Die Bundespolizei darf die in Betracht kommenden Perso-nen nur bis zum Folgetag festhalten. Darüber hinaus besteht ein Richtervorbehalt für Zurück-weisungshaft, ein längeres Festhalten in „Transitzentren“ ohne richterliche Genehmigung ist unzulässig.

Bestehende Mängel in den gemeinsamen europäischen Datensystemen
Die Unterscheidung, ob ein Schutzsuchender in einem anderen Staat bereits ein Asylverfahren durchläuft und damit in einem „Transitzentrum“ zu internieren ist, oder ob der Schutzsuchende in einem anderen Staat bisher lediglich registriert wurde, aber noch keinen Asylantrag stellte und deshalb nicht in einem Transitzentrum zu internieren, sondern einer Erstaufnahmeeinrich-tung zuzuweisen ist, ist im praktischen Grenzkontrolldienst in der gebotenen Schnelligkeit kaum zu leisten. Das liegt vor allem an der nach wie vor ungenügenden Pflege der europäi-schen Datenbanken durch die Mitgliedsstaaten.

Die Bundespolizei ist rechtlich nicht zuständig für den Einsatz in Transitzentren
Die Bundespolizei kann und darf solche „Transitzentren“ nicht betreiben. Sie ist ausschließlich zur Einreisekontrolle und asylverfahrensrechtlichen Erstbefragung berufen. Die vorübergehen-de Unterbringung einreisender Asylbewerber ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht, auch nicht auf Grund einer Verwaltungskompetenz kraft Sachzusammenhangs bzw. Annexes, Aufgabe des für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen BAMF und auch nicht der für die Durchführung des Einreiseverfahrens und der für den Schutz der Grenzen des Bundes-gebiets zuständigen Bundespolizei, sondern ausschließlich Sache der Länder (Bundesge-richtshof, Urteil vom 25.02.1999 - III ZR 155/97, BGHZ 141, 48-63).

Überstellungsfristen nach der Dublin-Verordnung sind nicht verkürzbar
Die Überstellung von Schutzsuchenden, die bereits in einem anderen EU-Staat ein Asylverfah-ren durchlaufen, aus Transitzentren in diesen Verfahrensstaat unterliegt nicht verkürzbaren Fristen nach der Dublin-Verordnung. Selbst wenn diese Überstellungsfristen durch bilaterale Abkommen verkürzt würden, sind die einer Rücküberstellung entgegenstehenden und durch den EuGH und die deutschen Gerichte (vor allem bezüglich Bulgarien, Griechenland, Italien) seit Jahren festgestellten Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention bezüg-lich der Behandlung Schutzsuchender nicht ausgeräumt. Das würde zu einer langen und nicht zu rechtfertigenden Festhaltung in den „Transitzentren“ führen.
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