Zum Inhalt wechseln

Seniorenpolitische Forderungen sind bei der Politik noch nicht angekommen

Foto: Robert Kneschke/stock.adobe.com
Foto: Robert Kneschke/stock.adobe.com
Berlin.

Zwei Jahre nach der Bundestagswahl und vor dem Hintergrund des Tages der deutschen Einheit lohnt es sich einmal Rückschau zu halten, was aus unseren Forderungen geworden ist. GdP-Bundesseniorenvorsitzender Ewald Gerk blickt zurück.

Wir waren alle von der Nachricht überrascht, dass Putin mit seinen (Söldner-)Truppen in die Ukraine einmarschiert ist. Ein Angriffskrieg in Europa? Das war jenseits unserer Vorstellungskraft. Daneben steckten wir mitten in einer Pandemie, mit all ihren Folgen und Auswirkungen auf das tagtägliche Leben in unserem Land.
Beide Ereignisse fordern bis heute unsere uneingeschränkte Solidarität und wir müssen vielleicht unsere Gewohnheiten etwas einschränken und verändern. Krieg und Corona-Pandemie erfordern nachwievor finanzielle Anstrengungen von uns, die jedermann zu spüren bekommt. Ob explodierende Energiekosten, steigende Lebensmittelpreise und die allgemein hohe Inflation spüren wir alle im Portemonnaie. Ob Privatleute oder Industrie rufen nach finanziellen Unterstützungen und zeichnen gleichzeitig ein Bild des Untergangs, wenn diese nicht erfolgen.

Gleichwohl ist es angebracht eine Betrachtung anzustellen, was aus unseren seniorenpolitischen Forderungen zur Bundestagswahl geworden ist.

Die Seniorinnen und Senioren sind ein Teil der Gesellschaft – mit allen Rechten und Pflichten. Sie sind eine aktive Gruppe, die sich verstärkt ins gesellschaftliche Leben einbringt. Von ihrem Wissen, ihrer Erfahrung, ihren Fähigkeiten und ihrem Willen, sich freiwillig in gesellschaftlichen Aufgaben zu engagieren, profitiert unsere Gesellschaft schon jetzt und wird dies in Zukunft umso mehr tun.
Der Anteil der älteren Generation wird in Deutschland in den nächsten Jahrzehnten immer größer. Das resultiert sowohl aus den geburtenstarken Jahrgängen von 1955 bis 1969 (Baby-Boomer) als auch aus der Tatsache, dass die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland immer älter werden.
Diese Entwicklung stellt Gesellschaft und Politik vor große Herausforderungen, die mit und nicht nur für die älteren Menschen bewältigt werden müssen. Es müssen die gegenseitigen Wechselwirkungen zwischen den Generationen zugunsten eines modernen Altenbildes berücksichtigt werden. Alter ist jedoch meist negativ belegt und steht dem Bild des jungen, aktiven, agilen, flexiblen Menschen entgegen. Nicht zuletzt leisten ältere Menschen, insbesondere Frauen einen großen gesellschaftlichen Beitrag durch unsichtbare und kostenlose Pflegearbeit von Angehörigen, der Kinderbetreuung aber auch in Institutionen und Vereinen und Verbänden. Diese freiwilligen und in der Regel unentgeltlichen Leistungen kann in Milliardenhöhe beziffert werden.

Gesetzliche Verankerung der Seniorenmitwirkung auf Bundesebene

Als Teil der Gesellschaft, mit allen Rechten und Pflichten ist es aus unserer Sicht für den demokratischen Zusammenhalt der Gesellschaft notwendig ist, dass die Interessen der Seniorinnen und Senioren von ihnen selbst und mit ihnen stärker zu berücksichtigen sind. Die demokratische Teilhabe ist daher gesetzlich zu regeln. Politische Entscheidungen sollten nicht ohne die Mitwirkung und Mitgestaltung dieses Bevölkerungsanteils getroffen werden und eben so wenig, ohne deren besondere Bedürfnisse zu berücksichtigen.
Aus der Forderung nach der Schaffung einer Rahmengesetzgebung auf Bundesebene, die die Grundlage der Seniorenbeteiligung auf Landes- und kommunaler Ebene regelt, ist bis heute nicht erfolgt. Die Seniorenförderung auf der kommunalen Ebene ist nach wie vor von der Finanzkraft der Kommunen und dem ihrer Entscheidungsträger abhängig. Insgesamt ist festzustellen, dass wir weit von einer bundesweit einheitlichen Förderung der Seniorenarbeit auf Landes- und kommunaler Ebene entfernt sind.

Altersdiskriminierung

Die ältere Generation gilt in großen Teilen der Gesellschaft als kaufkräftige Zielgruppe. Jedoch erhalten Menschen in Rente und Pension schwieriger einen Kredit, müssen höhere Versicherungsprämien zahlen oder werden bei der Vergabe von Wohnungen und bei verschiedenen Ehrenämtern benachteiligt. Deshalb ist es eine zwingende Folge, dass eine Änderung des Grundgesetzes und die Erweiterung um das Diskriminierungsmerkmal „Alter“ in Artikel 3, Abs. 3 erfolgen muss.
Aber auch staatliche Unterstützungsleistungen wie die Energiepreispauschale und/oder die Inflationsausgleichsprämie werden erst spät bis gar nicht gewährt. Gerade die Inflationsausgleichsprämie wäre für viele der Seniorinnen und Senioren eine echte solidarische Unterstützung. Die ablehende Haltung der politisch Verantwortlichen empfinden viele Ältere es als diskriminierend.

Mobilität

Menschen im Alter haben besondere Anforderungen an Mobilität. Viele würden im Alter gerne auf den eigenen PKW verzichten, haben jedoch kein verlässliches und auf ihre Bedürfnisse abgestimmtes Angebot im Öffentlichen Personennahverkehr.
Um die Mobilität älterer Menschen zu fördern ist ein weiterer konsequenter Ausbau des ÖPNV erforderlich. Mit dem 9-Euro-Ticket wurde während der Corona-Pandemie ein Durchbruch für ein bezahlbares Monatsticket beschlossen. Schade, dass es nur drei Monate gültig war! Auch mit dem derzeitigem 49-Euro-Ticket wurde ein Nachfolgeticket geschaffen, dessen Monatspreis für viele Seniorinnen und Senioren gerade noch bezahlbar ist. In einigen Ländern wurden als Ausgleich Sozialtickets beschlossen, die je-doch zwingend an staatliche Leistungen gebunden ist. Davon haben viele, die nur eine kleine Rente haben, die gerade so reicht, nichts. Ein spezielles Seniorenticket, dem Rentenniveau angepasstes und dadurch bezahlbares Beförderungsentgelt wäre einzuführen.

Wohnen im Alter

Ältere Menschen sind von den Verwerfungen auf dem Wohnungsmarkt besonders betroffen. Viele müssen durch gekürzte Renten und Versorgung sowie gebrochene Erwerbsbiografien mit wenig Geld im Alter auskommen. Die Versorgung mit bedarfsgerechtem Wohnraum in einer lebenswerten Wohnumgebung ist vielerorts gefährdet. Betroffen sind sowohl Menschen, die zur Miete wohnen als auch Eigentümerinnen und Eigentümer. Die derzeitige Lage am Bau lässt die Hoffnung auf Umsetzung der Forderung in weite Ferne rücken.
Um Wohnungen in bestehenden Mietverhältnissen an die Lebenssituation der Älteren anzupassen ist insbesondere die Förderung von altersgerechtem Wohnungsumbau auszuweiten. Gleichzeitig ist die Rückbaupflicht für barrierefrei umgebaute Mietwohnungen abzuschaffen (§ 554 a BGB) und die kontinuierliche Förderung von gemeinschaftlichen Wohnformen durch ein Bundesprogramm zu fördern.

Verbraucherschutz

Die Altersphase der Menschen hat sich zeitlich ausgedehnt. Dadurch sind die Konsuminteressen und -bedürfnisse älterer Menschen differenzierter als früher. Ältere Menschen haben daher besondere Schutzbedürfnisse aufgrund ihrer unterschiedlichen Lebensverhältnisse vor allem in den Bereichen Vorsorge, Umgang mit Internet und PC, ärztliche Versorgung (Über- und Unterversorgung) und Patientenrechte, Verbraucherrechte bezüglich Lebensmittel und Ernährung, Sicherheit im Alltag, Schutz vor Betrug, Eigentumsdelikten und Gewalt, Barrierefreiheit im Alltag (Wohnen, ÖPNV, Schriftgrößen ..), Schutz vor überteuerten Pflegeeinrichtungen, Versicherungen et cetera.
Unsere Forderung nach einer Verbraucherschutzberatung als kommunale Pflichtaufgabe in jeder Kommune ist noch in weiter Ferne.

Der Einsamkeit im Alter entgegen wirken

Einsamkeit ist ein vielschichtiges Phänomen mit unterschiedlichsten Ursachen. Vor allem ältere Menschen sind betroffen und brauchen Unterstützung. Insbesondere im sehr hohen Alter kommt es zu ei-nem Anstieg der Einsamkeit. Frauen sind durch ihre höhere Lebenserwartung stärker betroffen als Männer.
Insbesondere bei Älteren über 80 Jahren besteht ein deutlich höheres Risiko einer sozialen Isolation, wenn multiple Problemlagen dazu kommen, die Einsamkeit und soziale Isolation begünstigen oder auslösen können. Dazu gehören zum Beispiel Schicksalsschläge, Erkrankungen, abnehmende körperliche Mobilität, mangelnde Mobilitätsangebote, zunehmende Altersarmut oder Migrationshintergrund. Betroffene brauchen daher Unterstützung, um aus ihrer Vereinsamung und aus sozialer Isolation herauszufinden. Einsamkeit zu verhindern, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Noch immer nicht sind ausreichende Begegnungsstätten, die nachhaltig finanziert und durch hauptamtliche Mitarbeitende unterstützt werden, geschaffen. Oftmals sind es ehrenamtliche Initiativen, die Seniorencafés oder Freizeiteinrichtungen für ältere Menschen betreiben. Kurze Finanzierungszusagen behindern langfristige Perspektiven für diese Einrichtungen und sind bei Einsparungen in der Kommune als erstes vom Rotstift betroffen.

Den Sozialstaat sichern und ausbauen

Die Herausforderungen für die sozialen Sicherungssysteme sind gerade auch durch die Corona-Krise und den Ukrainekrieg mitunter sehr groß. Ihre langfristige Leistungsfähigkeit und ihr hohes Leistungsniveau können nur durch solidarische Lösungen garantiert werden. Das zeigt sich besonders deutlich bei der ge-setzlichen Rente. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben deutlich gemacht, dass die fortschreitende Ökonomisierung und Privatisierung tiefe Spuren im Sozialstaat und bei der öffentlichen Daseins-vorsorge hinterlassen haben. Ungleichheit und Spaltung wurden befördert, die Versorgungssicherheit der Menschen hat über die Jahre gelitten.
Gesundheitliche Daseinsvorsorge muss sich vor allem an den Bedarfen der Versicherten und der Beschäftigten im Gesundheitswesen richten. Das Streben nach Renditen muss künftig ausgeschlossen werden, wo es um das höchste menschliche Gut, die Gesundheit geht.
Die gesundheitliche Prävention muss weiter gezielt ausgebaut werden. Präventionsmaßnahmen dürfen keine Altersgrenzen haben und müssen auf die medizinischen Bedürfnisse aller Lebensalter abgestimmt sein. Das Präventionsgesetz muss daher konsequent umgesetzt werden und dem Grundsatz „Prävention und Reha“ folgen.
Zur Absicherung im Alter ist ein dauerhaftes gesetzliches Rentenniveau von über 50 Prozent, ohne dass die Regelaltersgrenze weiter angehoben wird, erforderlich.
Zudem soll zur Erleichterung für Seniorinnen und Senioren die Steuerabführung künftig direkt durch die Rentenversicherungsträger erfolgen und bundesweit die Möglichkeit einer vereinfachten Einkommensteuererklärung unter Berücksichtigung von steuerlich absetzbaren Kosten geschaffen werden.
Wie viel von der Rente besteuert wird, wird individuell bis zum Lebensende in Form eines feststehenden Freibetrags in Euro und Cent festgeschrieben. Dieser Freibetrag erhöht sich durch die jährlichen Rentenanpassungen nicht mit. Dadurch fallen Rentenerhöhungen 1:1 in die Steuerpflicht, wenn der steuerliche Grundfreibetrag überschritten ist, und werden dadurch geschmälert. Der individuell festgelegte steuerfreie Rentenfreibetrag muss deshalb entsprechend der jährlichen Rentenanpassung dynamisiert werden.

Ewald Gerk
Bundesseniorenvorsitzender
This link is for the Robots and should not be seen. This link is for the Robots and should not be seen. This link is for the Robots and should not be seen. This link is for the Robots and should not be seen. This link is for the Robots and should not be seen. This link is for the Robots and should not be seen. This link is for the Robots and should not be seen. This link is for the Robots and should not be seen. This link is for the Robots and should not be seen. This link is for the Robots and should not be seen. This link is for the Robots and should not be seen. This link is for the Robots and should not be seen.