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DEUTSCHE POLIZEI

Ausgabe April 2017

In den vergangenen Jahrzehnten nicht wirklich beachtet, vor allem psychologisiert und intellektualisiert, kristallisierten sich zunehmend konfliktgeladenere Situationen bei polizeilichen Maßnahmen im Zusammenhang mit sogenannten Reichbürgern heraus. Der bisherige tragische Höhepunkt: Im Oktober vergangenen Jahres erlag ein 32-jähriger Polizist eines Spezialeinsatzkommandos im mittelfränkischen Georgensgmünd nach einer Schießerei bei einer Razzia seinen schweren Verletzungen. Polizisten sind daher gut beraten, sich auf solche Einsätze gründlich vorzubereiten.

Besondere Herausforderungen und Vehaltensweisen

„Reichsbürger“ zählen wie Sektenangehörige zum Kreis derer, die oft als Verschwörungsideologen wahrgenommen werden. Der Umgang mit ihnen stellt jeden Polizeibeamten vor besondere Herausforderungen. Erst recht, wenn es darum geht, polizeiliche Maßnahmen gegen den Willen des Betroffenen durchzusetzen. Selbst die zweite verwaltungsgerichtliche Instanz muss sich mit der Argumentation juristisch renitenter „Reichsbürger“ herumschlagen wie eine aktuelle Entscheidung des Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster beweist, dessen 19. Senat unlängst feststellen musste, dass für die Klage eines „Reichsbürgers“ auf Ausstellung einer Bescheinigung über eine frei erfundene, in Deutschland nicht existierende Staatsangehörigkeit die Klagebefugnis nach Paragraf 42 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) fehlt.

Wer also zum Beispiel im Rahmen von Amtshilfeersuchen tätig werden muss, sollte einiges beachten. Ist die Person bereits polizeilich in Erscheinung getreten? Sind auffällige Verhaltensweisen bereits bekannt? Von der Gefahrenprognose im Vorfeld kann der Erfolg eines Einsatzes abhängen. Im Gegensatz zu vielen Verkehrskontrollen steht hier der Polizeibeamte plötzlich jemandem gegenüber, der die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und damit die Legitimität ihrer Ordnungshüter leugnet. Im Extremfall hat man es mit einem selbsternannten „König“, „Reichskanzler“, „Innenminister“ oder „Reichsgeneralstaatsanwalt“ zu tun. Hinzu kommen noch Fantasiedokumente wie ein selbst gestalteter oder im Internet erworbener „Ausweis des Deutschen Reiches“ samt langatmigen Vorträgen über die „BRD GmbH“. Spätestens jetzt muss der Gefahrenradar auf „Rot“ umschalten. Schließlich „besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen krimineller Intensität und Verkehrsauffälligkeit“, wie in den 1970er-Jahren bereits der Verkehrspsychologe Eberhard Kunkel schrieb.

In den USA sind durch vergleichbare Personen aus dem radikalen Spektrum bereits mehrere Polizisten getötet wurden. Dass eine adäquate Welle der Gewalt auch parallel verlaufende praktische Auswirkungen in Deutschland zeigen könnte, war nur eine Frage der Zeit. Bei dem oben genannten Schusswechsel im Oktober in Mittelfranken wurden neben dem getöteten Polizisten drei weitere verletzt. Bei der Zwangsräumung eines Hauses in Sachsen-Anhalt gab es im August 2016 bei der Durchsetzung eines Amtshilfeersuchens eine Schießerei, bei der ein „Reichsbürger“ schwer- und zwei Polizeibeamte leicht verletzt worden. Der Gerichtsvollzieher und seine Familie wurden danach auch im Privatbereich massiv bedroht, sodass konkrete polizeiliche Schutzmaßnahmen ergriffen werden mussten. Angehörige des Deutschen Polizei Hilfswerks (DPHW) hatten im November 2012 in Sachsen einen Gerichtsvollzieher „festgenommen“ und dabei verletzt. Das Opfer war danach ein Jahr dienstunfähig.

Andere versuchten, beispielsweise Sturmgewehre im Ausland zu erwerben. Daher muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass „Reichsbürger“ Zugang zu Waffen haben oder suchen. Eine weitere Eskalationsspirale erscheint sicher. Legen sie bereits ein Verhalten an den Tag, dem ein gewisses Bedrohungspotenzial innewohnt, sollten davon betroffene Polizisten bestimmte Grundregeln der Eigensicherung beachten.

Bedrohungslagen entstehen oft aus der Situation des polizeilichen Handelns heraus und sind teilweise nicht wirklich vorhersehbar. Es kann sein, dass „Reichsbürger“ zielgerichtet und namentlich denjenigen Polizisten ins Visier nehmen, durch den sie ihre Rechte klar einschränkt sehen. Dadurch besteht, wie auch bei anderen extremen Gruppierungen, ein Bestreben der „Reichsbürger“, Einschüchterungen und Bedrohungen gegenüber Vollzugsbediensteten bis in die Privatsphäre zu forcieren.
Es ist sicherlich schwer, solchen Bedrohungen, die das Privatleben stark beeinträchtigen, zeitnah entgegenzutreten. Kommt der Verdacht auf, dass eine Beamtin oder ein Beamter ins Visier geraten ist, muss in jedem Fall eine gelassene Wachsamkeit an den Tag gelegt werden. Weder ständiges Misstrauen, noch grundsätzliche Sorglosigkeit sind angebracht. Selbiges gilt für Ärger, Angst, Hilfslosigkeit und Gleichgültigkeit. Gelassenheit wächst vielmehr aus der Fähigkeit, Situationen umsichtig einzuschätzen und eigenes Handeln daran professionell auszurichten.

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