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Protest vor dem Landtag

Hannover.

Rede Bernhard Witthaut, Landesbezirksvorsitzender der GdP Niedersachsen, anlässlich der Demonstration am 15. September 2004 in Hannover (es gilt das gesprochene Wort)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

nicht zum ersten Male und nicht zum letzten Male stehen wir hier vor dem Wirtschaftsministerium vis-a-vis dem Niedersächsischen Landtag.
Wir, das sind auch die Beschäftigten der Polizei im Lande Niedersachsen. Im letzten Herbst mit 5500, heute - als 4. Stufe in unserer Aktionskette - mit mehr als 1.000 Kolleginnen und Kollegen. Wir werden auch in den nächsten Wochen im Rahmen der Haushaltsaufstellung 2005 wiederkommen.

Wir sind nicht freiwillig hier. Aber wenn wir betrogen werden, dann müssen gerade wir als Polizisten gegen den Betrüger vorgehen. Denn diese Landesregierung hat uns betrogen. So hat Herr Wulff vor der Wahl gesagt und uns sogar schriftlich bestätigt, dass er „eine Konsolidierung des Haushalts auf Kosten der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes nicht mitträgt“ und knapp ein Jahr später ist in der Begründung zu dem Gesetz über die Änderung besoldungs- und anderer dienstrechtlicher Vorschriften aus dem Jahre 2003 nachzulesen:
Das Land macht mit diesem Gesetz von der selbständigen Gestaltungsbefugnis Gebrauch, mit dem Ziel, einen Beitrag des öffentlichen Dienstes zur Konsolidierung des Haushalts zu leisten.
Ist das nicht ein klarer Wortbruch? Ist das nicht Betrug?

Hier noch einige weitere Beispiele über Wortbrüche dieser Landesregierung:

Schutzwesten
Alle Polizistinnen und Polizisten sollen eine persönliche Schutzweste erhalten. So hatte der im Innenminister verkündet. Zurzeit befindet sich das jetzige Abschluss-Studium der Fachhochschule in der Prüfungsphase. Wenn diese Kolleginnen und Kollegen Anfang Oktober in die Bereitschaftspolizei oder in den Einzeldienst versetzt werden, werden viele keine Schutzweste besitzen.
Das Hauptstudium, das bald in das Praktikum 3 geht - sie werden also in den Dienststellen vollwertig eingesetzt - wurde erst gar nicht vermessen. Sie erhalten keine Schutzweste, weil 61.000,- Euro fehlen.

Wenn heute das Geld zur Verfügung stehen würde, würde es auch heute noch ca. 5 Monate dauern, bis die Schutzwesten ausgeliefert werden könnten: Acht Wochen europaweite Ausschreibung, ca. 2 Wochen Widerspruchsfrist, ca. 1 Woche Auftragserteilung, dann Vermessung der Kolleginnen und Kollegen und erst dann die Auslieferung der Westen. Dann sind 5 Monate und das Praktikum vorbei!

Durch diese Sparorgie der Landesregierung fehlt der Betrag von 9 Mio. Euro. Wir garantieren die innere Sicherheit in diesem Lande, doch dieses Land garantiert nicht die Sicherheit derjenigen, die ihren Kopf hinhalten müssen.
Ist das nicht auch ein klarer Wortbruch?

Zweigeteilte Laufbahn
Beinahe 10 Jahre haben wir als Gewerkschaft der Polizei für die Umsetzung der zweigeteilten Laufbahn gegen vielerlei Widerstand gekämpft. Jetzt sind es noch 443 Stellen des mittleren Dienstes, die im Haushalt 2005 hätten umgewandelt werden müssen. Dann wären wir, zumindest was die Zahl der Planstellen betrifft, zu 100 % im gehobenen Dienst angekommen. Noch vor der Wahl und im Wahlkampf beteuerten Politiker der CDU immer wieder, dass auch sie für die Umsetzung der zweigeteilten Laufbahn sind. Doch jetzt: Es sind die gleichen politisch Verantwortlichen, die nun die letzten 443 Stellen nicht mehr umwandeln wollen und die damit nicht mehr wissen, was sie vorher gesagt hatten.
Ich frage wieder: Ist das nicht auch ein klarer Wortbruch?

Tarifbeschäftigte
Nur mit Hilfe unserer Kolleginnen und Kollegen aus dem Tarifbereich kann eine Polizei insgesamt ihren Anforderungen gerecht werden. Nahtlos Polizisten wieder ihrem eigentlichen Aufgabengebiet zuzuführen, gelingt nur, wenn dafür unsere Kolleginnen und Kollegen deren bisherige vollzugsfremden Aufgaben und Funktionen übernehmen. Haushaltsrecht, Technik und viele Aufgaben erledigen Verwaltungsbeamte, Angestellte und Arbeiter besser als Polizisten, weil sie im Rahmen ihrer Ausbildung dafür spezialisiert wurden. Die Arbeit ist da und muss erledigt werden, sonst funktioniert die Polizei im Lande Niedersachsen nicht richtig.

Befristete Arbeitsverträge laufen aus. Herr Finanzminister Möllring: „Dafür sitzen demnächst Polizisten wieder in den Büros und Werkstätten, statt auf der Straße die innere Sicherheit zu stärken. Das war doch erklärte Absicht der CDU im Wahlkampf: „Diese Partei will die innere Sicherheit stärken.“ Und so haben es Herr Schünemann als Innenminister und auch Herr Wulff als Ministerpräsident bis heute immer wieder bestätigt.
Ich frage:
Ist das nicht auch ein klarer Wortbruch?

Hinzu kommen die menschlichen Tragödien, denn die Chancen, als 50-jährige allein erziehende Mutter oder als allein verdienender Vater wieder eine Beschäftigung zu finden, ist beinahe unmöglich, und wir brauchen diese Kolleginnen und Kollegen mehr noch als gestern, denn unserer Auftragsbücher sind voller denn je.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in unserem Land ist durch diese Landesregierung ein Brand gelegt worden, der sich über Niedersachsen hinweg ausdehnen wird. Alle - insbesondere die Finanzminister der Länder - schauen gespannt zu uns. Wenn das hier bei uns aus Sicht dieser Landesregierung gut geht, dann werden alle Bundesländer nachziehen.
- Erhöhung der Eigenbeteiligung in der freien Heilfürsorge
- Streichung im Bereich der Beihilfe
- Nichtumwandeln der 443 Stellen des mittleren Dienstes
- das Aus der zweigeteilten Laufbahn und damit perspektivisch
eine schlechtere Bewertung polizeilicher Arbeit
- keine Verlängerung der Arbeitsverträge
- Streichen des Weihnachtsgeldes ab 2005 - usw. ... usw. ... usw.

Dieser Landesregierung fällt nichts anderes ein, als sparen. Sie macht ihre Politik auf Kosten der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und damit auch auf Kosten der Beschäftigten in der Polizei. Sie spielt Arbeiter, Angestellte und Beamte gegeneinander aus, indem sie eine imaginäre Gerechtigkeitsdiskussion führt. Denn so Herr Wulff: Er setzt sich dafür ein, dass nicht nur Beamte 40 Stunden pro Woche arbeiten, sondern auch die Angestellten und Arbeiter. Denn die Beamten sagen ihm immer: „Wieso muss ich 40 Stunden pro Woche arbeiten und die Angestellten nicht?

Herr Wulff, hören Sie auf mit der zynischen Politik in dieser Art. Wir stellen bereits jetzt fest: Dort wo die CDU regiert, wird die Polizei rasiert. Nach der Rasur taucht diese Regierung wieder ab. So hat das Kabinett am 20./30. Juni 2004 getagt, hat die Medien informiert und ist abgetaucht. Erst am 12. Juli hat der Innenminister die Berufsvertretungen in der Polizei unterrichtet. Ist das eine Beteiligung in dem Jahre 2004?

NEIN! Das ist Gutsherrenart und erinnert an die Raubritter der Vergangenheit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
heute ist nicht das letzte Mal, dass wir hier demonstrieren. Als 4. Aktion innerhalb unserer Nadelstiche gegen die Landesregierung ist die heutige Demo angelegt. Wir als Speerspitze kommen wieder.

Tragt diesen Protest in eure Dienststellen, bringt beim nächsten Mal noch mehr Kolleginnen und Kollegen mit, geht vor euren Dienststellen auf die Straße.
Denn Berthold Brecht hat Recht, wenn er formuliert:
Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft hat schon verloren!
Kolleginnen und Kollegen, wir wollen gewinnen, also kämpft!
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