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Deutsche Polizei Niedersachsen 04/2021

Schatz, lass uns mal das Haus streichen! - Eine Anmerkung zur Zeiterfassung

Sascha Göritz

Bild: GdP Niedersachsen
Bild: GdP Niedersachsen

„Schatz, lass uns mal das Haus streichen!“ – „Aber Liebling, wir werden doch Ende des Jahres unser Haus verklinkern. Meinst du denn, das ergibt jetzt Sinn? Und mein Gerüst ist nicht hoch genug, da werde ich zum Streichen nicht in jede Ecke kommen.“ – Das macht nichts, nimmst du halt die Leiter und streichst das einzeln per Hand.“

… und ich weiß schon jetzt, dass ich zumindest diese Nacharbeiten nie machen werde, weiß ich doch, dass ich eben in Bälde die Fassade komplett neu verkleiden lasse. Bis dahin gilt: Der Rest guckt sich weg.

Wer den Text bis hierhin gelesen hat, wird sich fragen, was diese Zeilen sollen. Verändern wir also einmal den Kontext und stellen uns einfach vor, es ginge nicht um die Hausfassade, sondern um die Einführung eines neuen Zeitmanagementsystems in die Polizei. Man stelle sich vor, man wolle so bald wie möglich ein System einführen, obwohl man wüsste, dass zum Zeitpunkt der Einführung ein neues Arbeitszeitrecht noch nicht geformt wäre. Man wüsste aber, dass das demnächst der Fall sei. Was täte man? Warten und alle Arbeiten nur einmal machen oder das System einführen, ein altes Arbeitszeitrecht einprogrammieren, wohl wissend, dass man viele Regelungen, weil sie bis auf PK-Ebene unterschiedlich vorlägen, händisch einpflegen müsste? Um alle Arbeiten dann noch einmal zu machen, weil es nun ein neues Arbeitszeitrecht gäbe? Oder bliebe eh alles beim Alten?

Ein Gedankenspiel. Kommen wir zu dem, was wir wissen: Am 23. Juli 2020 wurde durch das LPP das Projekt „Einheitliches Zeiterfassungssystem für die Polizei Niedersachsen“ bei der ZPD eingerichtet. Dem zugrunde lag zum einen die abschließende Prüfungsmitteilung des Landesrechnungshofes (LRH) vom 19. Mai 2020, zum anderen die strategische Entscheidung der Polizei, landesweit ein einheitliches elektronisches Zeiterfassungssystem mit dem Ziel des Wegfalls der manuellen (Zeit-)Erfassung und Verwaltung einzuführen.

Laut Einrichtungserlass war schon 2010 bei einer Behördenleitertagung das Ziel der Einführung einer landesweiten Zeitmanagementsoftware in die Polizei bekräftigt worden. Laut Jahresbericht 2020 des LRH war dem Ministerium des Inneren und Sport seit dem Jahr 2012 bekannt, dass die Polizei nicht nur eine Vielzahl unterschiedlicher Arbeitszeiterfassungssysteme nutzte, sondern auch dass diese Systeme keine Gewähr für eine rechtssichere und verlässliche Erfassung und Dokumentation böten. 2013 hatte die Projektgruppe „Landesweite Einführung eines elektronisch gestützten Zeitmanagements (ZMS)“ ein Leistungsverzeichnis sowie eine Leistungsbeschreibung mit einer Grobkostenschätzung von 1,2 Millionen Euro für ein „Kernmodul“ sowie jährliche Kosten von circa 100.000 Euro vorgelegt. Und „schon“ 2018 trat die Polizei schließlich dem Ausschreibungsverfahren des IT.Niedersachsen für ein Zeitmanagement für die Landesverwaltung bei. Inhaltliche Grundlage waren dabei die fünf Jahre alten Ergebnisse der vorgenannten Projektgruppe.

Übrigens: 2019 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit einem im deutschen Recht verbindlichen Urteil klargestellt, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, für alle Beschäftigten ein objektives, verlässliches und zugängliches System der Arbeitszeiterfassung einzurichten.

Auch die Landesbeauftragte für den Datenschutz hatte bereits 2017 verbindliche Hinweise für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst zum Personaldatenschutz bei Zeiterfassungsdaten gegeben. Eine Kostprobe: „Gegen An- beziehungsweise Abwesenheitslisten bestehen keine Bedenken. Der Abwesenheitsgrund darf allerdings nicht mit angegeben werden. Unterlagen über Krankheit oder Erholungsurlaub zählen zu den besonders vertraulich zu behandelnden Personalaktendaten, die vor unbefugter Kenntnisnahme zu schützen sind. Und: Die regelmäßige Auswertung oder (zum Beispiel monatliche) Vorlage aller Zeiterfassungsdaten gegenüber Vorgesetzten ist datenschutzrechtlich unzulässig.“

Ich finde, das Vorgenannte beschreibt eine beeindruckende Zeitleiste. Ich finde, es besteht heute kein Grund, in Eile zu verfallen und, um im Bild zu bleiben, rasch zum Pinsel zu greifen. Ich finde: Jetzt gilt es, mit der Robustheit des letzten Jahrzehnts auch die nächsten Monate zu bestreiten, um am Ende eine ordentlich verklinkerte Hausfassade, ohne vermeidbare Doppelarbeiten ein ordentliches Zeitmanagementsystem mit einem modernen, landesweit einheitlichen Arbeitszeitrecht zu haben.
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