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Kommunalwahl 2021

Verbesserung der Freistellungsregelung für neue Mandatsträger*innen in Aussicht gestellt

Von Christopher Finck

Christopher Finck
Christopher Finck

Die Rahmenbedingungen zur Ausübung eines kommunalen Mandats haben sich in den letzten Jahren verändert. Flexiblere und moderne Arbeitszeitmodelle bedeuten für viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst zwar mehr Freiheiten, brachten aber viele Mandatsträger*innen an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Der neue Gesetzesentwurf zum Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) verspricht hier klare Verbesserungen.

Als einer von drei Polizeibeamten im Stadtrat von Hannover durfte ich in den letzten fünf Jahren die Politik der Landeshauptstadt aktiv prägen und mitgestalten. Da sich am 12. September wieder viele mündige Staatsbürger*innen und Polizeibeschäftigte zur Wahl stellen, möchte ich auf die vom Gesetzgeber in Aussicht gestellte Gesetzesnovellierung hinweisen, die die erschwerte Praxis der letzten Jahre ablösen und zu einer verbesserten Vereinbarkeit von Familie, Beruf und ehrenamtlicher Mandatsausübung führen wird. Der Start in die verantwortungsvolle Welt der Kommunalpolitik dürfte somit vielen Beschäftigten wesentlich leichter fallen als bisher.

Von Idealen geprägt und demokratischen Motiven geleitet, türmt sich für viele Mandatsträger*innen nach wenigen Wochen und Monaten ihrer Wahl ein Dilemma auf: Auf der einen Seite sind sie formal ehrenamtliche Feierabendpolitiker*innen, auf der anderen Seite reift die Erkenntnis, dass die Mandatsausübung mit einem sehr hohen persönlichen Zeitaufwand verbunden ist und das Verständnis der Vorgesetzten und in der Familie nicht automatisch mitwächst. Zu den bis dato gültigen Erwartungen der Familie, des Bekanntenkreises und des Dienstherren treten nun ganz neue Anforderungen hinzu. Schnell stellt sich vor allem in den größeren Stadt- und Gemeinderäten unweigerlich die Frage, wie man dieses Pensum von zusätzlichen 10 bis 20 Stunden wöchentlich in sein bisheriges Leben erfolgreich integrieren kann? Im Jahr 2016 stand ich vor genau diesem Dilemma, welches zusätzlich durch das mangelnde Verständnis meiner Vorgesetzten bzw. der Personalabteilungen genährt wurde, die Mandatsaktivitäten doch bitte in den Feierabend zu verschieben. Mehr als nur einmal gewann ich den Eindruck, mich für meine aktive demokratische Pflichterfüllung erklären zu müssen. Unter Verweis auf aktuelle Gerichtsurteile wurde mir in langen Stellungnahmen immer wieder deutlich gemacht, dass das ehrenamtliche Mandat grundsätzlich nicht mit der Dienstpflicht kollidieren dürfe. Hierbei war ich angehalten, meinen Gleitzeitrahmen voll auszunutzen. Ausgerechnet das Postulat der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, welches in den letzten Jahren viele flexible und arbeitnehmerfreundliche Arbeitszeitmodelle hervorbrachte, wurde somit zur größten Bürde und Frustrationsquelle. Es wurde – rechtlich abgesichert – erwartet, außerhalb der Kernzeit die Mandatstätigkeit in vollem Umfang nachzuholen, welches häufig zu einer Arbeitsbelastung von 50 bis 60 Stunden führte.

Freizeit, Erholungsphasen und wertvolle Familienzeit gerieten bei mir und vielen engagierten Mandatsträger*innen infolge der antiquierten Freistellungsregelung immer stärker in die Defensive. Bis heute können kommunalpolitisch aktive Arbeitnehmer*innen, die in Schichtarbeit, Gleitzeit- oder anderen flexiblen Arbeitszeitmodellen arbeiten, keinen echten Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber bzw. Dienstherrn geltend machen. Ein Umstand, der die freiwillige Bereitschaft zur so wichtigen öffentlichen Amtsübernahme behindert und alles andere als fördert. Insbesondere Frauen und Berufsanfänger dürften von dieser Praxis eher abgeschreckt sein. Beides Gruppen, deren Repräsentativität in den Kommunalparlamenten dringend verbessert werden muss.

Dies wurde nun rechtzeitig vor der Kommunalwahl von der Landesregierung erkannt, denn mit der aktuell im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Novellierung des § 54 NKomVG wird eine echte Stärkung des Freistellungsanspruchs angestrebt. Das von mir beschriebene Dilemma engagierter Ratsfrauen und Ratsherren dürfte somit der Vergangenheit angehören, denn künftig kann die für Vertretungs-, Ausschuss- und Fraktionssitzungen aufgewendete Zeit der Arbeitszeit tatsächlich gutgeschrieben werden. Hierbei soll der Anspruch auf die tägliche durchschnittliche Wochenarbeitszeit einschließlich der bereits erbrachten oder noch zu erbringenden Arbeits- oder Dienstleistungen begrenzt werden.

Aus Gleichstellungs- und Demokratieperspektive ist diese vom Innenministerium vorbereitete Gesetzesänderung entsprechend hoch zu würdigen. Sie schützt die Mandatsträger*innen vor einer systematischen Überlastung und verbessert die Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Familie, Beruf und ehrenamtlichem Mandat. In einer immer beschleunigteren und verdichteteren Arbeitswelt kann die Reform des NKomVG einen wertvollen Beitrag leisten, das kommunalpolitische Ehrenamt nachhaltig zu stärken und den im September knapp 30.000 zu wählenden Mandatsträger*innen künftig mehr Zeit für gute Kommunalpolitik verschaffen.
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