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Kommentar aus DP-Bundesteil 7/20

Pauschalitäten vermeiden – Konstruktiv reflektieren

Zur Debatte um Polizeigewalt und Rassismus

Hannover/Berlin.

Der Polizei und ihren Beschäftigten eine rassistische Grundhaltung vorzuhalten, ist abwegig, trägt populistische Züge und wird den über 300.000 Polizeibeschäftigten und ihrer schwierigen Arbeit nicht gerecht. Solche Vorwürfe sind verletzend und zeigen letztlich, dass diese Ruferinnen und Rufer von dem, was die Polizei ist, von ihren Menschen, ihrer Arbeit, ihrer Denke, ihren Ängsten und ihren Gefühle viel zu wenig wissen, meint der GdP-Landesvorsitzende und stellv. Bundesvorsitzende Dietmar Schilff in seinem Kommentar, der in Bundesteil der Juli-Ausgabe der "Deutschen Polizei" erschienen ist:

Ende Mai starb der schwarze US-Amerikaner George Floyd bei einer Festnahme durch Einsatzkräfte in Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota. Ein Polizist hatte fast neun Minuten in Floyds Nacken gekniet. Die verzweifelten Signale des Festgenommenen, er könne nicht atmen, ignorierte der Polizist. Die Todesnachricht des Afroamerikaners verbreitete sich rasant über Onlineportale und soziale Medien. Die Empörung über Polizeigewalt ebenso. Bis nach Europa und Deutschland.

Auch ich finde die Tat schockierend und zudem irritierend, wie US-Präsident Donald Trump die amerikanische Gesellschaft durch seine Äußerungen und sein Gehabe spaltet.

Coronabedingte Einschränkungen außer Acht lassend versammelten sich seit Anfang Juni bundesweit Zehntausende Menschen, um der „Black Lives Matter“-Bewegung ihre Unterstützung zu signalisieren sowie gegen Rassismus und Polizeigewalt zu demonstrieren. Trotz überwiegend friedlicher Kundgebungen kam es am Rande aber auch wieder zu teils massiven Angriffen auf die Polizei.

Hass auf den Staat

Wir verurteilen diese Gewalt scharf. Die Täter instrumentalisieren die Versammlungen für ihren Hass auf den Staat und die Polizei. Es ist heuchlerisch, die grundsätzlich guten Absichten der Demonstrierenden ad absurdum zu führen. Dabei ist den Feinden unseres Rechtsstaates völlig egal, wofür oder wogegen protestiert wird? Für diese Gruppierungen scheint es nur darum zu gehen, Einsatzkräfte zu attackieren. Dabei nehmen sie teils lebensgefährliche Verletzungen bei Polizistinnen und Polizisten sowie bei Unbeteiligten vorsätzlich in Kauf.

Die Angreifer rufen „Feuer und Flamme für diesen Staat“ oder „Deutsche Polizisten – Mörder und Faschisten“, zünden Autos an und werfen Steine sowie Molotow-Cocktails auf die Einsatzkräfte und greifen auch Gewerkschaftshäuser oder deren Fahrzeuge an. Sie stehen eindeutig außerhalb unserer Gesellschaft und müssen für ihr Handeln hart bestraft werden. Wer diese Gewalttäter in Schutz nimmt, ihrem Handeln Verständnis entgegenbringt oder mit ihnen gemeinsame Sache macht, steht selbst im Abseits.

Eine aufgeklärte, solidarische Gesellschaft muss sich auf den Weg machen, Rassismus konsequent und dauerhaft zu ächten, nicht nur bei großen Demonstrationen nach gravierenden Vorfällen – vielmehr rund um die Uhr, um Alltagsrassismus auf der Straße, in öffentlichen Verkehrsmitteln, in Kneipen, auf der Arbeit, in Vereinen zu bannen.

Nur eine sachliche und konstruktive Debatte im Miteinander über vermeintliche Ursachen oder mutmaßliche Entwicklungen kann zielführend sein. Es ist daher richtig, die politische Auseinandersetzung über Rassismus, Polizeigewalt und das Regierungshandeln in den USA auch auf unseren Straßen zu thematisieren. Es gibt jedoch keinen Anlass, einen Zusammenhang mit den Vorfällen in den USA und dem Agieren unserer Kolleginnen und Kollegen herbeizureden.

Umfassend aus und fortgebildete Kolleginnen und Kollegen

Was genau ist gemeint, wenn unserer Polizei Rassismus struktureller, institutioneller oder latenter Ausprägung vorgeworfen wird? Etwa eine vorsätzlich darauf ausgerichtete Aus- und Fortbildung? Oder dass die Polizeiorganisation bei rechten, rassistischen und diskriminierenden Einstellungen von Beschäftigten nur zusieht? Ist die Polizei „auf dem rechten Auge blind“? Das alles weisen wir deutlich zurück.

Mit gutem Grund: Wir haben sehr gut und umfassend aus und fortgebildete Kolleginnen und Kollegen auf der Straße, die den Polizeiberuf zudem als Berufung ansehen. Die Polizei macht interkulturellen Unterricht und Trainings zu diesem Thema. Es arbeiten zunehmend Kolleginnen und Kollegen mit einer Migrationsgeschichte in der Polizei. Und alle haben einen Eid auf unsere Verfassung abgelegt. Das sind Menschen, die ein solides Demokratiebewusstsein entwickelt und die Prinzipien des Rechtsstaates verinnerlicht haben. Genauso schaffen wir es, eine bürgernahe Polizei zu sein, die seit Jahren in der Vertrauensskala bei den Bürgerinnen und Bürgern ganz oben steht. Unsere Polizei ist in der Gesellschaft fest verankert, ihre Beschäftigten sind Teil der Gesellschaft!

Kritiker stellen Polizei in die rassistische Ecke

Niemand sollte aber verschweigen, dass es Fälle gibt, in denen Polizeibeschäftigte unverhältnismäßig handeln oder sich so äußern. Leider. Die Haltung der GdP ist in solchen Fällen klar: Nach einem geordneten Verfahren erfolgen Konsequenzen, wenn nötig juristische, und das geschieht auch. Doch der Polizei und ihren Beschäftigten eine rassistische Grundhaltung vorzuhalten, ist abwegig, trägt populistische Züge und wird den über 300.000 Polizeibeschäftigten und ihrer schwierigen Arbeit nicht gerecht. Solche Vorwürfe sind verletzend und zeigen letztlich, dass diese Ruferinnen und Rufer von dem, was die Polizei ist, von ihren Menschen, ihrer Arbeit, ihrer Denke, ihren Ängsten und ihren Gefühlen viel zu wenig wissen. Oder: Sie stellen die Polizei in die rassistische Ecke, um sie bewusst zu diskreditieren.

Manche und manche meint, dass eine unabhängige Kontrollinstanz „die Lösung“ für die Polizei sei. Aber für welches Problem denn genau? Zudem ist in unserer bewährten Gewaltenteilung kein Platz für eine vom Grundgesetz nicht gedeckte Schattenjustiz. Und auch der Ruf nach sogenannten Polizeibeauftragten wird nicht so weit führen, wie Befürworter glauben. Die Möglichkeiten für Clearingstellen sind begrenzt und liegen allenfalls in der Vermittlung zwischen Bürgern und Polizei. Am Ende ist doch die Justiz am Zug. Was auch richtig ist. Denn die notwendige Kontrolle wird durch den Gesetzgeber, die Staatsanwaltschaften und Gerichte gewährleistet. Das ist das Prinzip unserer Rechtstaatlichkeit.

Die Polizei kommt dem mit regelmäßiger Selbstreflexion sogar entgegen und passt die Aus- und Fortbildung fortlaufend an. Die Studiengänge werden im Übrigen von unabhängiger Seite begutachtet und bewertet und erst nach einem hochschulrechtlichen Verfahren akkreditiert. Das macht die Polizei nicht selbst, sondern verschiedene Experten unterschiedlichster Richtungen.

Wir als die mit Abstand größte Interessenvertretung der Polizeibeschäftigten sind es, die seit 70 Jahren positive Veränderungen in der Polizei einfordern und mitgestalten. Diejenigen, die der GdP vorwerfen, dass wir jegliche Kritik zurückweisen oder uns mit den bestehenden Problemen nicht befassen, verweise ich auf die Beschlüsse des GdP-Bundeskongresses 2018 in Berlin. Dann sollte auch den letzten Verdachtsschöpfern klar sein, dass die GdP vielmehr eine intensive Auseinandersetzung mit Problemen sucht als sie zu vermeiden. Und das ist gut so!

Offener Meinungsaustausch mit Esken

Mit einer der Stimmen, die die Diskussion entfacht haben, konnte ich mich in meiner Funktion als stellvertretender GdP-Bundesvorsitzender zeitnah auseinandersetzen. Nachdem ich der SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken in einem Brief im Namen der GdP dargestellt hatte, dass sie mit ihren Äußerungen über einen latenten Rassismus in den Reihen der Polizei weit über das Ziel hinausgeschossen sei, wurde ich von ihr sowie dem niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius eingeladen, Mitte Juni bei einem Besuch der Polizeiakademie Niedersachsen in Nienburg dabei zu sein. Ich nutzte das Treffen mit Esken zu einem offenen Meinungsaustausch.

Trotz der Zeitbegrenzung erhielt die Politikerin zuvor einen – wenn auch sehr kleinen – Einblick in das Studium der Polizeianwärterinnen und -anwärter. Insbesondere war aber der Austausch mit den Studierenden und dem Lehrpersonal ausgesprochen wichtig. Sie übermittelten ihr eindrucksvoll wie kompetent, dass der ihrerseits geäußerte Vorwurf nicht zutreffend sei und bekräftigten damit ihre positive und frei von rassistischen Vorurteilen befindliche Einstellung zu ihrem Beruf.

Die SPD-Co-Vorsitzende nahm auf der abschließenden Pressekonferenz in Nienburg ihren in der Öffentlichkeit massiv diskutierten Standpunkt weder zurück noch entschuldigte sie sich bei der Polizei. Esken äußerte, dass aus ihrer Sicht ihre Einlassung nicht ausreichend dargestellt wurde. Sie hätte sich viel differenzierter geäußert. Die Politikerin betonte, dass sie nicht die Absicht gehabt hätte, sich gegen die Polizei zu positionieren. Deren Arbeit bezeichnete sie in Gänze als hervorragend. Dennoch müsse man sich mit Fällen von Diskriminierung, Ausländerfeindlichkeit und Rassismus oder rechten Netzwerken in der Polizei weiterhin intensiv befassen. Ihr täte es jedoch sehr leid, dass sich Polizeibeschäftigte durch ihre Äußerungen verletzt gefühlt haben.

Eskens‘ Auffassung spiegelt keineswegs die Meinung der gesamten SPD wider. Nahezu alle innenpolitischen Politikerinnen und Politiker – auch parteiübergreifend alle Innenminister und -senatoren – haben, wie die GdP, ihre Position zurückgewiesen und sich vor die Polizei gestellt. Es macht jedoch einen Unterschied, wenn Esken als SPD-Bundesvorsitzende solcherlei Auffassungen öffentlich „heraushaut“ – wie schon Anfang des Jahres nach den Ausschreitungen in der Silvesternacht in Leipzig-Connewitz. Zuvor muss sie jemand „einfangen“ und sie beraten.

Übrigens stellen auch Mitglieder anderer Parteien die Polizei pauschal in die Ecke – teils sehr populistisch. Geht es vermeintlich um „Stimmenfang“? Dies jedoch vor dem Hintergrund, das in Umfragen regelmäßig 80 Prozent der Befragten ihrer Polizei vertrauen. Auf welche Vertrauenswerte kommt eigentlich die Politik?

Die GdP jedenfalls bietet weiterhin jeder demokratischen Partei und ihren Politikerinnen und Politikern offene und engagierte Gespräche über Themenkomplexe wie Rassismus, Diskriminierung, Antisemitismus, Geschichtsklitterung, Ausländerfeindlichkeit, Homophobie, Ausgrenzung, Gewalt oder Extremismus an. Das Reden im Miteinander ist doch viel gehaltvoller als das Reden übereinander.


Dietmar Schilff, GdP-Landesvorsitzender Niedersachsen und stellv. Bundesvorsitzender





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