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Sonderlehrveranstaltung

„Die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung im Wandel“

Am 12. Februar 2020 fand in der FHVD eine Sonderlehrveranstaltung zu den Neuerungen der Beschuldigtenrechte statt. Änderungen der EU-Richtlinie zur Prozesskostenhilfe durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechtes der notwendigen Verteidigung führen zu wesentlichen Anpassungsbedarfen in der polizeilichen Ermittlungspraxis. So kompliziert, wie es sich liest, so kompliziert scheint sich eine befriedigende Umsetzung für die polizeiliche Praxis auch zu gestalten.

Altenholz.

Der Ansturm auf die Veranstaltung war groß, das Auditorium bis auf den letzten Platz gefüllt. Trotzdem haben viele interessierte Kollegen keinen Platz mehr bekommen, was die Wichtigkeit und auch Unsicherheit bzgl. dieses Themas deutlich macht.

Nina Tiesch, Vorsitzende der GdP-Frauengruppe Schleswig-Holstein und als junge Kriminalrätin Dozentin an der FHVD Altenholz, berichtet von einer Sonderlehrveranstaltung:
    Die ersten drei Stunden wurden durch Herrn Prof. Dr. Jan Schady aus dem Justizministerium umfangreich gefüllt. Ein kurzer Überblick über die Neuerungen zeigte sich als unmöglich, und die drei Stunden reichten nicht aus, um wirklich in alle Entwicklungen Einblick zu erhalten. Deutlich wurde, dass gerade im Bereich jugendlicher Straftäter viel Unzufriedenheit auf Seiten der Polizei entstehen wird, da sich die Änderungen im JGG und der StPO teilweise widersprechen und sich gegenseitig aufheben, so dass Ermittlungen im Bereich der Kriminalität durch Jugendliche und Heranwachsende weitaus schwieriger und komplexer werden, als es aus polizeilicher Sicht wünschenswert wäre. Aber eine sinnvolle Lösung ist nicht in Sicht.
Auch im Bereich der erwachsenen Beschuldigten wird sich die polizeiliche Vernehmung weitaus komplizierter gestalten als bis dato, und es scheint sich anzudeuten, dass zukünftig kaum mehr mit Aussagen durch Beschuldigte zu rechnen ist, da es als Rechtsanwalt schwerlich zu vertreten ist, ohne Akteneinsicht seinem Mandanten zu einer Aussage zu raten. Hier muss es zukünftig auch von Seiten der Anwälte eine Anpassung an die Gegebenheiten geben, damit eine Verteidigung zum einen schnell und auch ohne eventuelle Aktenlage zur Befriedigung aller möglich ist.


Hierzu nahm der Kollege Welf Szebrowski vom K1 Lübeck im Anschluss an Herrn Prof. Dr. Schady in einem sehr emotionalen und eindringlichen Vortrag Stellung, in welchem er anhand eines praktischen Beispiels deutlich machte, dass durch die intensivierten Beschuldigtenregelungen auch Nachteile für einen Beschuldigten entstehen können. Gerade wenn ein solcher unschuldig ist und sich aber nicht äußern darf, zumindest nicht zu seinen Bedingungen. Dies lässt schon den Gedanken zu, ob die Neuerungen alle so gut gemacht sind, wie sie auch gemeint sind.

Frau Lena Alpay-Esch, Vorsitzende der Strafverteidigervereinigung Schleswig-Holstein, die die Veranstaltung mit ihrem Vortrag schloss, äußerte sich ebenfalls dahingehend, dass eine Verteidigung ohne vorheriger Akteneinsicht schwierig sei und daher zukünftig eine Beschuldigtenaussage im Rahmen eines Verfahrens eher unwahrscheinlich bis unmöglich wird. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Erfahrungswerte mit der Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung zwar noch ausstehen, aber für die Ermittlungen im Strafverfahren zumindest von Seiten der Polizei aus neue Probleme entstehen werden, welche jetzt noch nicht absehbar, aber vermutlich nicht von der Hand zu weisen sind.
Um den Kolleginnen und Kollegen etwas an die Hand zu geben, wurde im Intranet ein 10-seitiges Schriftstück zusammengestellt, das es ermöglichen soll, die Komplexität dieses Themas zu verstehen und rechtlich sauber umzusetzen.
Es wird spannend bleiben und der Bedarf an Veranstaltungen dieser Art ist sicherlich immer noch mehr als vorhanden und es gibt viel Diskussionsbedarf.

Thomas Mertin, als für die Kriminalpolizei zuständiges Mitglied im Geschäftsführenden Landesvorstand: „Wenn Wandel bedeutet, dass die Ermittler, überspitzt gesagt, nur noch den Personalbogen bei der Beschuldigtenvernehmung ausfüllen, dann fragt man sich, wofür das gut ist. Wenn nach mehreren Stunden Seminar den anwesenden Fachleuten nicht klar ist, was sich der Gesetzgeber dabei gedacht hat, dann war die Sonderlehrveranstaltung gut, denn sie machte deutlich, dass es einen Handlungsbedarf gibt. Den weiteren Prozess begleitet die GdP kritisch. Die Ermittlungen der Polizei sollen belastende und entlastende Beweise liefern. Diesen Anspruch der StPO zu erfüllen, ist durch diese Normänderungen nicht einfacher geworden, im Gegenteil.“

Der Landesvorstand

Zum Flugblatt als pdf-Datei
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