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GdP aktuell

GdP-Positionspapier zum Thema „Missbrauch von Kindern - Belastungen und Herausforderungen in der Fallbearbeitung"

Vor drei Wochen, am 19. Mai 2022, fand die Kooperationsveranstaltung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Schleswig-Holstein mit der FHVD Altenholz statt. Der Landesvorstand der GdP organisierte gemeinsam mit seinem Fachausschuss Kriminalpolizei die Veranstaltung zum Thema „Missbrauch von Kindern – Belastungen und Herausforderungen in der Fallbearbeitung“.

Steigende Fallzahlen, immer größer werdende Datenträger sowie mangelnde personelle und sächliche Ausstattung erschweren den Ermittlern neben den ohnehin schon vorhandenen starken psychischen Belastungen in diesem Deliktsbereich die Strafverfolgung erheblich.
In Schleswig-Holstein gab es von 2016 bis 2021 im Bereich der §§ 184 b, c StGB (Besitz von kinder- und jugendpornographischem Material) eine Steigerung um fast 400 % auf rund 1150 Fälle. Neben den steigenden Fallzahlen sind auch erheblich höhere Meldezahlen zu verzeichnen, nicht zuletzt aufgrund von zugetragenen Verdachtsfällen durch private und gemeinnützige Organisationen. Die intrinsische Motivation unserer Kolleginnen und Kollegen ist allein aufgrund des besonderen Tätigkeitsfeldes bzw. der besonders schützenswerten Opfer besonders hoch – aber Motivation allein ermöglicht keine qualitativ hochwertige Strafverfolgung, hier bedarf es einer erheblichen Verbesserung der Rahmenbedingungen.
Im Zuge der Tagung gab es insbesondere vier Bereiche, die immer wieder zur Sprache kamen:
    - Personalbedarf

    - Sachausstattung

    - Gesundheitsprävention

    - Wertschätzung


2020 wurde bereits durch die Fachlichkeit der Landespolizei ein Mehrbedarf an Stellen erkannt und bestätigt. Seitdem sind aber nur die Fallzahlen gestiegen, von weiterem Personal war in den jeweiligen Ermittlungsgruppen nichts zu spüren.
Den Auswertungen der Datenträger kommt hierbei eine ganz besondere Bedeutung zu – neben der Repression gilt es auch, andauernde Missbräuche (sog. Gefahrenüberhänge) zu erkennen und die Opfer aus den Situationen zu befreien. Dies gelingt nur mit einem ausreichenden Personalansatz, um der Masse an Verfahren Herr zu werden.
Die lange Zeit der Bearbeitung der Strafverfahren könnte letztlich dazu führen, dass Asservate ohne Auswertung wieder an die Beschuldigten ausgehändigt werden müssen. Dies kann nicht im Sinne der Politik sein, dass eventuell Datenträger mit strafbarem Material an die Täter zurückgegeben werden und diesen unter Umständen dafür sogar Schadensersatzleistungen zustehen. Fraglich ist auch, inwieweit sich Polizei und Justiz strafbar machen, wenn dieser Fall eintritt. Der Landesfachausschuss Kriminalpolizei der GdP SH fordert daher:

Ausreichend zusätzliche Stellen für die Bekämpfung von Kinder- und Jugendpornographie ebenso wie die personelle Aufstockung der Staatsanwaltschaften und Gerichte für diesen Bereich, um eine effektive Strafverfolgung zu ermöglichen.

Neben dem Personal ist auch die Sachausstattung der Kriminalpolizei in diesem Bereich ein besonders wichtiger Faktor. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz ist bisher ein Hilfsmittel bei der Bearbeitung der Verfahren. Aber hier gilt: Diese muss ständig und fortlaufend weiterentwickelt werden, denn mit heutigem Stand ist sie nicht in der Lage, Personal zu ersetzen, sondern nur die benötigte Auswertezeit zu verringern. Zusätzlich sind entsprechende Hard- und Software auf aktuellem Stand zu halten, um Füllmengen an belastendem Material entsprechend bearbeiten zu können. Der technische Fortschritt darf vor der Polizei keinen Halt machen. Ein Deliktsbereich, der von Daten und dem Austausch von eben jenen lebt, bedarf der Bearbeitung mit einer Hardware, die der aktuellen Zeit angemessen ist. Die Reinvestitionszeiten müssen auf ein sinnvolles Maß reduziert werden.
Die Bearbeitung der Daten an den Computern ist nur eine Seite der Ermittlertätigkeit. Aufgrund des großen Zuständigkeitsbereiches der jeweiligen Ermittlungsgruppen für Kinderpornographie müssen teils weite Strecken zurückgelegt werden. Mit völligem Unverständnis nimmt die GdP zur Kenntnis, dass in einzelnen Bereichen nicht mal ein eigens zugewiesenes Fahrzeug zur Verfügung steht, um Ermittlungstätigkeiten wie Durchsuchungen, Vernehmungen oder Tatortaufnahmen durchführen zu können. Weiterhin müssen ausreichend große Räumlichkeiten vorhanden sein, um in den Büros die verschiedenen Computer unterzubringen und nebenbei auch noch ausreichend Platz zu haben, um Vernehmungen durchführen zu können.
Schlussendlich darf für diesen Bereich auch die Aus- und Fortbildung nicht zu kurz kommen, damit alle Möglichkeiten der Bearbeitung optimal genutzt werden können. Der Landesfachausschuss Kriminalpolizei der GdP SH fordert daher:

Eine sächliche Ausstattung für den Bereich der Bearbeitung von Kinder- und Jugendpornographie, der der aktuellen Zeit gerecht und auf aktuellem Stand gehalten wird, ebenso wie die zugehörige Aus- und Fortbildung.

Die Durchsicht von Chats zwischen Tätern und Opfern oder Tätern mit anderen Tätern gehören ebenso zur „normalen“ Arbeit der Ermittler und Ermittlerinnen wie das Sichten oder Hören von Video- und Audiodateien, ebenso wie das genaue Verschriften für das beweissichere Strafverfahren. Die Schilderungen von Geschädigten, Zeugen und Tätern führen unsere Kolleginnen und Kollegen tief in die Abgründe menschlichen Verhaltens, so tief, dass dies schwerwiegende psychische Folgen bei denjenigen hinterlassen kann, die als Vertreter unseres Rechtsstaates derartige Verbrechen verfolgen sollen.
Die 2019 gegründete „EG Berg“ der Polizei NRW war neben den komplexen Zusammenhängen und Massen an Verfahren in besonderem Maße der psychischen Belastung ausgesetzt. Erfahrungen von dort zeigen die enorme Wichtigkeit der Gesundheitsprävention in diesem Deliktsbereich. Neben Supervisionen, Einzel-Gesprächsangeboten und gemeinsamen Aktivitäten erkannte man dort den Bedarf an individueller ständig vorhandener Betreuung aufgrund der unterschiedlichen Bedürfnisse für die Kompensation des Erlebten. Zusätzlich zu den benannten Möglichkeiten wären Maßnahmen wie Sonderkuren, optionale Sportstunden oder Arbeitszeitreduzierungen denkbar, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestmöglich zu unterstützen und gesund zu halten.

Neben der psychischen Betreuung erscheint auch ein regelmäßiger Austausch von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sinnvoll, die im Bereich Kinderpornographie tätig sind, um hier landesweit einheitliche Bearbeitungs-Standards zu erreichen und um sich über Belastungen auszutauschen. Der Landesfachausschuss Kriminalpolizei der GdP SH fordert daher:

Ein individuelles Gesundheitsfür- und -nachsorgeangebot entsprechend des Bedarfs für die Ermittlerinnen und Ermittler sowie deren direkte Führungskräfte.

Im Zuge der Fachtagung wurde durch einzelne Stimmen immer wieder laut, dass sich die Kolleginnen und Kollegen von der Politik mehr Wertschätzung wünschen. Es fehlt das öffentliche Bekenntnis, Kinderpornographie zu einem Schwerpunktthema polizeilicher Arbeit zu machen. Gleichzeitig sind weitere wertschätzende Maßnahmen zu prüfen, um die psychisch belastende Arbeit der Kolleginnen und Kollegen entsprechend zu würdigen, insbesondere und primär jedoch die Umsetzung, der hier aufgezeigten Forderungen. Der Landesfachausschuss Kriminalpolizei der GdP SH fordert daher:

Das Thema „Kinderpornographie“ öffentlich zu einem Schwerpunktthema der Landespolizei zu machen und gleichzeitig die Wertschätzung der Kolleginnen und Kollegen sicht- und merkbarer zu gestalten.

Die Fachtagung zu diesem Thema hat ergeben: Es besteht dringender Handlungsbedarf. Neben den geschilderten Missständen ist zu verzeichnen, dass es eine hohe Personalfluktuation in den Ermittlungsgruppen gibt. Die Bearbeitung im Bereich Kinderpornographie erfordert qualifiziertes und gut ausgebildetes Personal, welches freiwillig dort arbeitet. Die Umsetzung lediglich einzelner Maßnahmen erscheint wenig erfolgversprechend, vielmehr muss ein umfassendes Maßnahmenpaket beschlossen werden, welches einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt, um vernünftige Arbeitsbedingungen zu schaffen.
Schwerwiegende Delikte können Opfer ein Leben lang traumatisieren, Kinder und Jugendliche stehen am Anfang von eben diesem. Nur eine gut ausgestattete und gesunde Polizei ist in der Lage, die Strafverfolgung bestmöglich zu gewährleisten und Gefahrenüberhänge zu erkennen. Die Opfer dieser Verbrechen haben es verdient, dass ihre Täter zur Verantwortung gezogen werden und sie schnellstmöglich aus andauerndem Missbrauch befreit werden.

Für die Gewerkschaft der Polizei Schleswig-Holstein

Landesfachausschuss Kriminalpolizei
Nr. 019/2022 - Kiel, 9. Juni 2022
Der Landesvorstand

V.i.S.d.P. Dr. Susanne Rieckhof, Landesgeschäftsführerin
Gewerkschaft der Polizei, Landesbezirk Schleswig-Holstein
Max-Giese-Straße 22, 24116 Kiel
      Mobil: 0173-4534384
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