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DEUTSCHE POLIZEI September 2019

Mobilitätswende: E-Scooter auf dem Vormarsch

Von Richard Lüken

Foto: Photodesign-Deluxe/stock.adobe.com
Foto: Photodesign-Deluxe/stock.adobe.com

Mit der Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (eKFV) hat der Gesetzgeber im Juni die Nutzung sogenannter E-Scooter auf öffentlichen Straßen unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen. Nach längeren Verhandlungen einigten sich Bundestag, Bundesverkehrsministerium und Bundesrat auf die Rahmenbedingungen. Künftig werden also mehr elektrisch angetriebene Fahrzeuge im öffentlichen Verkehrsraum anzutreffen sein. Neben den bekannten Elektrofahrrädern (Pedelecs) könnten insbesondere im urbanen Raum die neuen „Ministromer“ einen Boom auslösen. Aus polizeilicher Sicht könnte die Zulassung neuer Fahrzeugklassen zunehmend zu Problemen bei der Verkehrssicherheit führen. Von Experten prognostizierte negative Entwicklungen im Bereich der Unfallzahlen bleiben jedoch noch abzuwarten.

E-Scooter – rechtliche Einordnung

DP-Autor Richard Lüken. Foto: privat
DP-Autor Richard Lüken. Foto: privat
Der Begriff E-Scooter wurde bislang für alle E-Fahrzeuge verwendet, die nicht anders eingeordnet werden konnten: Elektroroller, Segways oder Hoverboards sowie eine Reihe weiterer elektrisch angetriebener Fahrgeräte. Mittlerweile werden E-Scooter jedoch als Tretroller mit Elektroantrieb definiert, was auch den wesentlichen Unterschied zu Pedelecs ausmacht: Während sich letztere im Regelfall nur bewegen, wenn der Fahrer aus eigener Kraft tritt, fahren E-Scooter auch ohne Zutun des Passagiers – allein mithilfe des verbauten Elektromotors. Mit der eKFV hat der Gesetzgeber die rechtlichen Rahmenbedingungen für Zulassung und Nutzung von E-Scootern verbindlich geregelt. Demnach werden Kraftfahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit zwischen 6 und 20 Kilometer pro Stunde (km/h) von dieser Verordnung umfasst, sofern sie folgende zusätzliche Merkmale aufweisen:
  1. Fahrzeug ohne Sitz (Tretroller) oder selbstbalanciertes Fahrzeug (Segway),
  2. Lenk-oder Haltestange,
  3. Nenndauerleistung von nicht mehr als 500 Watt (oder nicht mehr als 1.400 Watt wenn 60 Prozent zur Selbstbalancierung benötigt werden),
  4. Gesamtbreite nicht mehr als 700 Millimeter, Höhe nicht mehr als 1.400 Millimeter und Länge nicht mehr als 2.000 Millimeter und
  5. einem Gesamtgewicht von nicht mehr als 55 Kilogramm.

E-Skateboards, Hoverboards und E-Wheels werden daher nicht von dieser Verordnung erfasst und sind demnach weiterhin nicht für den öffentlichen Verkehrsraum zugelassen. Ein Elektrokleinstfahrzeug ist nach Paragraf 1 (2) eKFV selbstbalancierend, wenn es „mit einer integrierten elektronischen Balance-, Antriebs-, Lenk- und Verzögerungstechnik ausgestattet ist, durch die es eigenständig in Balance gehalten wird“.

Voraussetzungen für die Teilnahme am Straßenverkehr
Paragraf 2 der eKFV regelt die Zulassung dieser Fahrzeuge für den öffentlichen Verkehr. Ein Elektro- kleinstfahrzeug darf auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt werden, wenn eine Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) oder eine Einzelbetriebserlaubnis erteilt worden ist. Wann eine Betriebserlaubnis erteilt wird, erklären die Paragrafen 20 und 21 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO).

Viele E-Scooter, die vor dem 15. Juni verkauft wurden, verfügen aufgrund des Aufbaus und der Ausstattung nicht über eine ABE und dürfen daher – auch nach Inkrafttreten dieser Verordnung – im öffentlichen Verkehrsraum nicht betrieben werden. Die Betriebserlaubnis eines E-Scooters kann erlöschen, wenn aufgrund technischer Modifikationen die genehmigte Fahrzeugart geändert wird, eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist oder eine Verschlechterung des Abgas- oder Geräuschverhaltens vorliegt. Die eKFV verweist in Paragraf 2, Absatz 3 ausdrücklich auf die Regelungen des Paragrafen 19 Absatz 2, Satz 2 der StVZO. Gemäß Paragraf 2 (1) Satz 2 der eKFV müssen E-Scooter über eine Versicherungsplakette nach 29a der FZV (Fahrzeug-Zulassungsverordnung) verfügen.

Diese Klebeplakette dient als Nachweis einer gültigen Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und ähnelt in ihrer Form den bereits bekannten Versicherungskennzeichen für Kleinkrafträder. Wer also einen E-Scooter im öffentlichen Verkehrsraum ohne gültige Versicherungsplakette nutzt, macht sich eines Vergehens nach dem Pflichtversicherungsgesetz schuldig. Ferner müssen E-Scooter über eine FIN (Fahrzeug-Identifizierungsnummer) sowie ein Fabrikschild verfügen. Darauf müssen die Bezeichnung „Elektrokleinstfahrzeug“ und die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit ablesbar sein. Im Übrigen sieht die eKFV ausdrücklich eine Halterverantwortlichkeit vor.

E-Scooter – Berechtigung zum Führen
Zum Führen eines Elektrokleinstfahrzeuges sind alle Personen berechtigt, die das 14. Lebensjahr vollendet haben (Paragraf 3 eKFV). Eine Fahrerlaubnis oder eine Mofaprüfbescheinigung sind nicht erforderlich. Das Führen entsprechender Fahrzeuge kann somit ohne Fähigkeitsnachweis erfolgen. Bei E-Scootern handelt es sich um fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge.

Weitere Vorschriften der eKFV
Die kleinen Flitzer müssen gemäß Paragraf 4 eKFV mit zwei unabhängig voneinander wirkenden Bremsen ausgestattet sein. Die Ausrüstung der Fahrzeuge ist weitgehend Fahrrädern angepasst. Paragraf 5 der eKFV verweist hierbei auf die Anforderungen an entsprechende lichttechnische Einrichtungen aus Paragraf 67 StVZO. Fahrer von E-Scootern dürfen keine weiteren Personen befördern. Auch ein Anhängerbetrieb wird ausdrücklich untersagt. Weitere eKFV-Verhaltensvorschriften sind: Fahrer von E-Scootern dürfen nicht nebeneinander oder freihändig fahren. Sie müssen unter anderem Richtungsänderungen durch Fahrtrichtungsanzeiger oder Handzeichen ankündigen. Notfalls haben sie die Pflicht, ihre Geschwindigkeit auf Radwegen dem allgemeinen Radverkehr anzupassen, und auf gemeinsamen Geh- und Radwegen auf Fußgänger besondere Rücksicht zu nehmen. Eine Helm- pflicht besteht nicht. Mit dem Paragrafen 14 hat der Gesetzgeber den Verstoß gegen diese Verhaltensvorschriften als Ordnungswidrigkeiten eingestuft. Die Polizei kann somit bei der Verkehrsüberwachung Fehlverhalten ahnden.

Weitere Rechtsvorschriften
Bei E-Scootern handelt es sich verkehrsrechtlich um Kraftfahrzeuge. Ein gehaltvolles Tröpfchen gehört also nicht auf das Trittbrett, denn es werden bei Alkoholsündern die gleichen Maßstäbe angelegt wie bei Pkw-Fahrern. Das Fahren mit einem Alkoholwert von mehr als 1,1 Promille (alternativ ab 0,3 Promille plus Ausfallerscheinungen) zieht ein Strafverfahren wegen Trunkenheit, sowie die Beschlagnahme des Führerscheins nach sich. Auch der Paragraf 24a des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) ist in vollem Umfang anwendbar. Somit ist auch das Fahren unter Drogeneinfluss sowie ab 0,5 Promille als Verkehrsordnungswidrigkeit zu ahnden. Für Fahrer unter 21 Jahren und Führerscheinneulinge in der Probezeit gelten gemäß Paragraf 24c StVG 0,0 Promille.

Entwicklung der Unfallzahlen

Über die Entwicklung der Unfallzahlen kann bislang nur gemutmaßt werden. Sofern die E-Scooter jedoch einen ähnlichen Boom erfahren wie die bereits seit Jahren beliebten Pedelecs ist mit einem signifikanten Anstieg der Unfallzahlen in naher Zukunft zu rechnen. In ausländischen Metropolen wie Paris oder San Francisco hatte die Legalisierung der Fahrgeräte zur Folge, dass sogenannte Sharing-Anbieter die Innenstädte unkontrolliert mit E-Scootern nahezu „geflutet“ haben. Die Behörden mussten reagieren und teilweise Beschränkungen erlassen, um ein Verkehrschaos zu verhindern. Negativ auswirken könnte sich, dass bereits Jugendliche ab 14 ohne Nachweis der Fahrtauglichkeit ein solches Kraftfahrzeug bewegen dürfen. Die Freigabe von E-Scootern für die breite Masse der Bevölkerung ohne Pflicht zum Nachweis entsprechender Kenntnisse und Fähigkeiten muss jedenfalls kritisch betrachtet werden. Unsicherheiten im Umgang mit den Fahrzeugen sind ja fast vorprogrammiert. Außerdem fahren Jugendliche und Heranwachsende häufig risikoreicher.

Stürze und Kollisionen
Auch die Konstruktion der Fahrzeuge mit schmaler Aufstandsfläche und hohem Lenker kann bei unerfahrenen Nutzern vermehrt zu Stürzen führen. Vereinzelte Berichte über Verkehrsunfälle lassen bereits kurz nach der hiesigen Legalisierung aufhorchen. So erlitt der Fahrer eines E-Scooters in Düsseldorf bei einem Unfall Ende Juni schwere Verletzungen, nachdem sein Fahrzeug mit einem Fahrrad kollidierte. Auch in Berlin kam es zu einem tragischen Unfall, bei dem eine 33-jährige Frau nach einem Sturz von einem Transporter überrollt wurde. Insgesamt registrierte die Hauptstadt-Polizei in den ersten 4 Wochen 21 Verkehrsunfälle mit 4 Schwer- und 15 Leichtverletzten.

In den USA brachte eine groß angelegte Studie des „Center for Disease Control and Prevention“ (CDC) erste Erkenntnisse zu Unfallzahlen und der Schwere der Unfallfolgen. Demnach erlitten bei einem Sturz rund 48 Prozent der Fahrzeugführer Kopfverletzungen. Rund die Hälfte davon waren als schwere Verletzungen eingestuft worden. Zeitgleich zeigte sich, dass rund ein Drittel der verunglückten Fahrer das erste Mal auf einem E-Scooter unterwegs waren. In einer ähnlichen Studie der Verkehrsbehörde in Portland (Oregon) wurden im Vorjahr 176 schwere E-Scooter-Unfälle in 4 Monaten erfasst. Innerhalb dieses Zeitraumes waren 2.000 E-Roller in Portland zugelassen.

In ersten Erfahrungsberichten teilten Nutzer mit, dass einige E-Scooter besonders empfindlich auf Fahrbahn- unebenheiten reagierten und das Fahrzeug bei bestimmten Fahrbahnbelägen (zum Beispiel Kopfsteinpflaster) sehr instabil werden könne. Negativ bemerkbar mache sich vielfach auch, dass die Fahrzeuge nicht einhändig gefahren werden könnten, da sonst schwere Stürze drohten. Eine Fahrtrichtungsänderung könne daher meist nicht mittels Handzeichen angezeigt werden. Ähnliche Feststellungen machte im Übrigen der Autor bei einem Selbsttest im Juli mit einem E-Scooter im Kölner Stadtgebiet.

Unfallkategorie notwendig

Aus polizeilicher Sicht empfiehlt sich die gesonderte Ausweisung von E-Scootern in den Unfallstatistiken. Das Schaffen einer eigenen Kategorie „Elektrokleinstfahrzeug“ bietet die Möglichkeit, frühzeitig bei negativen Entwicklungen der Unfallzahlen gegenzusteuern. Ähnliches fordern Vertreter von Unternehmen und Interessensverbänden, so die Allianz AG oder der Auto- und Reiseclub Deutschland e.V. (ARCD). Mit Blick auf die Sicherheit der Nutzer wird zudem angeraten, nur geprüfte und für den öffentlichen Verkehr zugelassene Fahrzeuge zu erwerben. Kaufinteressenten sollten sich vorab informieren und gegebenenfalls von einem Fachmann beraten zu lassen.

Es empfiehlt sich, das Fahrzeug auf das Vorhandensein einer CE-Kennzeichnung hin zu überprüfen und gezielt auf die Zulassung für den öffentlichen Straßenverkehr zu achten. Aber Vorsicht: Im Einzelhandel werden weiterhin Fahrzeuge angeboten, die nicht die Anforderungen an die eKFV erfüllen. Zudem scheint es ratsam, sich mit Test- und Orientierungsfahrten auf Privatgrundstücken mit dem Fahrzeug vertraut zu machen. Ein lebenswichtiger Tipp ist es, auf dem E-Scooter nicht auf einen Schutzhelm zu verzichten. Und: Wer sich mit einem E-Scooter im öffentlichen Raum bewegt, muss mit dem Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer rechnen, da diese schmalen und vergleichsweise schnellen Fahrzeuge im urbanen Raum leicht übersehen werden können. Viele Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer haben sich weder an die kleinen und wendigen Stadt- scooter gewöhnt noch sie als normalen Bestandteil des öffentlichen Straßenverkehrs wahrgenommen.

Ähnlich wie bei Pedelecs dürften sich künftig Kreuzungen und Einmündungen an Unfallschwerpunkte herausstellen. Abbiegende Kraftfahrzeuge könnten die schmalen Scooter auf den Radwegen leicht übersehen. Gleichwohl bietet die zunehmende Legalisierung von E-Fahrzeugen aber auch eine Chance für Pendler und Menschen im urbanen Raum. Die Geräte sind durchaus eine äußerst praktische Erweiterung des Fahrzeugspektrums – gerade für kurze Strecken. Besonders einige bereits erhältliche Klappvarianten, durch die eine gemischte Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel möglich wird, könnten zunehmend an Bedeutung gewinnen.
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