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DEUTSCHE POLIZEI September 2019

Die Spur des Geldes

Interview mit einem Zollfahnder

Frank Buckenhofer im Gespräch. Foto: GdP Bundespolizei
Frank Buckenhofer im Gespräch. Foto: GdP Bundespolizei

Seit einiger Zeit ist das GdP-Positionspapier „Der soziale Rechtsstaat braucht eine Finanzpolizei“ auf dem Markt. Worum es dabei geht, erklärt GdP-Bundespolizeivize Frank Buckenhofer im Gespräch mit DEUTSCHE POLIZEI. Der 53-Jährige arbeitet seit über 30 Jahren als Ermittlungsbeamter bei der Zollfahndung und ist Vorsitzender der GdP-Zoll.

"Es etablieren sich kriminelle Strukturen, die dazu da sind, immense, illegale Gewinne zu erzielen"

DEUTSCHE POLIZEI (DP): Kollege Buckenhofer, warum braucht Deutschland eine Finanzpolizei?
Frank Buckenhofer: Ganz einfach. Weil unser Land ein sozialer Rechtsstaat ist und bleiben muss.

DP: Eine lobenswert kurze Antwort, aber könntest Du das bitte noch etwas erläutern.
Buckenhofer: Dann darf ich wohl etwas ausholen. Das Grundgesetz sagt im Artikel 20 gleich im ersten Absatz, dass die Bundesrepublik ein demokratischer und sozialer Bundesstaat ist. Und diese bloße Feststellung ist ganz klar als politischer Auftrag zu verstehen. Das hat Verfassungsrang und ist damit für alle demokratischen Kräfte verpflichtend. Das Prinzip des Sozialstaats eignet sich zwar hervorragend für jedwede politischen Appelle. Aber, unsere Politiker müssen jedoch vor allem durch ihr Handeln gewährleisten, dass die Bürgerinnen und Bürger das notwendige Vertrauen in die verfassungsmäßige Ordnung haben. Das ist deswegen wichtig, weil die Menschen hierzulande der Aktiv- posten unseres gemeinsamen, demokratischen, sozialen, wirtschaftlich und rechtsstaatlich geprägten Zusammenlebens sind.

DP: Was bedeutet in diesem Zusammenhang verfassungsmäßige Ordnung?
Buckenhofer: Die Menschen wollen die Gewissheit, dass im Bereich der sozialen Marktwirtschaft alles mit rechten Dingen abläuft. Da geht es beispielsweise um die Qualität, Sicherheit und Legalität produzierter Waren. Dazu gehört natürlich auch, dass hier ein fairer und eben kein rücksichtsloser oder sogar illegaler Wettbewerb in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt stattfindet. Wir reden hier schlicht von einer mehr als berechtigten Mindesterwartung der Bürger in ihren sozialen Rechtsstaat.

DP: Das klingt nach hehren Ansprüchen …
Buckenhofer: Wir Gewerkschafter sind selbstverständlich auch ein Stückweit Idealisten. Das bedeutet aber nicht, dass wir weltfremd sind. Als Bürger, Arbeitnehmer und Konsumenten sind wir seit zig Jahren einer zunehmenden Globalisierung ausgesetzt. Und wir erleben fast täglich, dass nationale Instrumente zur Steuerung und Überwachung der Märkte an Wirkung verlieren. So gesehen wird das Bewahren des hierzulande bekannten und gewohnten Niveaus unserer sozialen Marktwirtschaft nicht gerade einfacher. Dazu kommt, dass die soziale und rechtsstaatliche Ordnung durch Steuer-, Finanz- und Wirtschaftskriminalität, Geldwäsche und Organisierte Kriminalität zunehmend bedroht wird. Da mischen aber nicht nur kriminelle Clans oder Rocker, Hacker und Darknet-Drogenhändler mit, sondern Menschen mit weißen Kragen in teuren Anzügen.

DP: Ihr habt bei euren Beratungen von schleichendem Gift gesprochen, was meint ihr damit?
Buckenhofer: Es etablieren sich kriminelle Strukturen, die dazu da sind, immense, illegale Gewinne zu erzielen. Steuer-, Finanz- und Wirtschaftskriminalität, Geldwäsche und Organisierte Kriminalität wuchern. In der Folge bauen sich gigantisch inkriminierte Vermögen auf. So in etwa steht es in unserem Papier. Und diese Entwicklung bedroht auf Dauer jedes sozial, wirtschaftlich und rechtlich geordnete demokratische Gemeinwesen.

"Das Zollkriminalamt könnte hier eine Art Bundeskriminalamt der Steuerfahndungen werden"

Foto: Moon/stock.adobe.com
Foto: Moon/stock.adobe.com
DP: Das klingt ziemlich dramatisch.

Buckenhofer: In mehrerer Hinsicht. Auf der einen Seite stehen die redlichen, verantwortungsbewussten und ehrlichen Menschen, auf der anderen die dreisten, unverschämten und maßlos-egoistischen Zeitgenossen. Und die einen sind die Gewinner, und die anderen die Verlierer. Drehen wir den Spieß um, und ich stelle mal eine Frage: Wer sind die Gewinner?

DP: Na gut, okay, das dürften dann die sein, die sich mit illegalem Vorgehen massive Wettbewerbsvorteile verschaffen.
Buckenhofer: Ganz genau. Und bei den Verlierern, also den Ehrlichen, bilanzieren sich die illegalen Vermögen und Gewinne als ebenso große Verluste und Schäden auf.

DP: Woran haperte es denn bis jetzt auf staatlicher Seite?
Buckenhofer: Dass die GdP bereits seit vielen Jahren eine Bundesfinanzpolizei fordert, ist hoffentlich nicht in Vergessenheit geraten. Mit unserem Papier bauen wir dem jetzt jedenfalls vor. Wir wollen darüber hinaus die wichtigsten Akteure im Kampf gegen Wirtschaftskriminalität, nämlich Polizei, Zoll und Steuerfahndung, deutlich besser vernetzen. Genau das ist nämlich die große Schwäche, es gibt keinen regelmäßigen Austausch von Polizei und Zollbehörden – und schon gar nicht mit den Steuerfahndern. Auf kollegialer Ebene funktioniert das zwar besser, aber von einem bundesweiten und gesetzlich verankerten institutionellen Austausch sind wir noch weit entfernt. Bevor Du fragst: Was wir eben neben einer Bundesfinanzpolizei auch brauchen, ist eine Zentralstelle für den Bereich der Delikte im Zuständigkeitsbereich der Steuerfahndungen. Das Zollkriminalamt könnte hier eine Art Bundeskriminalamt der Steuerfahndungen werden.

DP: Kritiker könnten anführen: wieder eine Behörde mehr.
Buckenhofer: Der negative Unterton ist gar nicht nötig. Die Effizienz der Behörde muss natürlich durch die entsprechenden Rahmenbedingungen gewährleistet sein. Noch werden die Wirtschaftsermittler durch das Steuer- und Sozialgeheimnis ausgebremst. Die Ermittler wollen, so sagt man das bei uns, der Spur des Geldes folgen. Die Lösung ist, dass die Strafverfolgungsbehörden in begründeten Verdachtsfällen von Steuer-, Finanz- und Wirtschaftskriminalität, Geldwäsche und groß angelegtem Schmuggel einen schnelleren Zugang zu Daten der Steuer- und Sozialbehörden bekommen. Wir müssen die aufwändigen Struktur- und Finanzermittlungen sowie die Vermögensabschöpfung einfach deutlich effizienter gestalten.

DP: Klammert ihr an dieser Stelle die sogenannte Financial Intelligence Unit (FIU) aus?
Buckenhofer: Im Gegenteil. Der Grundgedanke, die FIU im Bereich des Zolls einzurichten, war und ist richtig. Dort fehlte es jedoch an der notwendigen strategischen Ausrichtung und den nötigen Datenzugängen. Uns hat es jedenfalls nicht überrascht, dass nach 2017, als die FIU zum Zoll kam, sie bis heute noch nicht die Informationen liefern kann, um den zuständigen Ermittlungsbehörden beim Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung wirksam unter die Arme zu greifen.

DP: Ihr geht mit der FIU hart ins Gericht.
Buckenhofer: Die Kolleginnen und Kollegen dort würden schon gern ihren Auftrag besser erfüllen können. Aber es mangelt am klaren Willen der politischen Führung. Ex-Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat es am Anfang – trotz Warnungen – vergeigt und sein Nachfolger Olaf Scholz hat es im Grunde ohne große eigene Ambition weiter laufen lassen. Und jetzt mühen sich viele Unkundige im Ministerium ab und wissen nicht richtig, wie es geht. Dabei meiden sie aber, gute Ratschläge aus der Fachwelt aufzugreifen, während die Kolleginnen und Kollegen der FIU und in den Ermittlungsbehörden bei Polizei, Zoll und Staatsanwaltschaften sich um erfolgreiche Arbeit bemühen. Dennoch: Wegen der immer noch vorherrschenden Mängel bleibt das Fachliche oftmals auf der Strecke. Ganz zu schweigen vom Stand der Sachmittelausstattung und dem Zugriff auf nun einmal erforderliche kriminalpolizeiliche Daten. Das alles birgt die Gefahr, dass immer wieder wichtige Ermittlungsansätze quasi pulverisiert oder übersehen oder nicht rechtzeitig erkannt werden. An diesem Zustand ändern auch die jüngst beschlossenen gesetzlichen Novellierungen im Grundsatz nichts. Die derzeitige Regierung macht Gesetze, die für positive Schlagzeilen geeignet sind, aber in der konkreten Ermittlungsarbeit nicht weiterhelfen.

DP: Als routinierter Freizeitsegler würdest du wahrscheinlich sagen, die FIU ist nicht auf Kurs.
Buckenhofer: Da bedarf es schon mehr als einer Kurskorrektur, da wäre schon eine echte Wende notwendig, im Prinzip reden wir von einer vollständigen Neukonzeption. Die FIU muss endlich eine wirklich eigenständige Behörde werden, und die zuständigen Ermittlungsdienste von Bund und Ländern müssen wieder stärker und möglichst zeitnah bei ernsthaften Hinweisen in die Weiterbearbeitung von Geldwäscheverdachtsmeldungen einbezogen werden. Da müssen wir hin.

DP: Wie stünde denn die FIU nach der Wende dar?
Buckenhofer: Sie wäre deutlich stärker kriminalistisch und strategisch ausgerichtet. Sie wäre ein klassischer „Intelligence-Dienst“, der sowohl die notwendigen Sachmittel, das kriminalistisch und finanzwirtschaftlich fachkundige Personal und die zur kriminalpolizeilichen Bewertung der eingehenden Verdachtsmeldungen benötigten Zoll- und Polizeidaten online zur Verfügung hätte. Sie würde den Staatsanwaltschaften, Polizei- und Zollbehörden zeitnah ermöglichen, aus den vorliegenden Geldwäscheverdachtsmeldungen brauchbare Ermittlungsansätze zu generieren. Und sie wäre, zumindest aus unserer Sicht, eine eigenständige Behörde, die mit den Nachrichtendiensten wechselseitig ihre Daten sachgerecht teilt. Im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum (GTAZ) würde dann auch noch ein FIU-Vertreter sitzen, der bei der Terrorbekämpfung mithilft.

DP: Datenschützer dürften bei euren Positionen die Ohren spitzen.
Buckenhofer: Wollen wir eine effiziente und schlagkräftige Behörde, oder nicht? Da gibt es doch nichts zu verschweigen oder zu verheimlichen. Gerade weil die FIU keine Polizeibehörde ist, sollten deren Mitarbeiter auf alle Datenbestände der Landespolizeibehörden, des BKA, der Bundespolizei und des Zolls zugreifen können. Die verarbeiteten Daten bleiben natürlich im Intelligence-Dienst der FIU.

DP: Das Titelbild eures Positionspapiers symbolisiert gewaschenes Geld.
Buckenhofer: Ja, das finde ich auch gut und treffend. Wir müssen nämlich hinkriegen, irregulären Bargeldfluss spürbar einzudämmen. Es gibt viel zu viele Fälle unbekannter Bargeldherkunft. Das akzeptieren wir nicht. Weil Geldwäscher in der Regel polizeilich unbekannt sind, wollen wir übrigens, dass entsprechende Bargeldfeststellungen wie Geldwäsche-Verdachtsmeldungen behandelt werden. Solche Meldungen sollten auf jeden Fall fünf Jahre gespeichert werden.

DP: Den meisten Leserinnen und Lesern ist dieses Gebiet nicht so sehr vertraut.
Buckenhofer: Aus illegalem Geld legales zu machen, wird allgemein Geldwäsche genannt. Das dürfte jeder schon einmal gehört haben. Dafür braucht man wahrscheinlich keinen Telefonjoker. Fakt ist: Geldwäscheverdachtsmeldungen von Banken an die heutige FIU brauchen zu lange. Auch Fehler sind ein Problem. Man muss auch sehen, dass eigentlich eine örtliche Polizei- oder eine Zollbehörde zuständig wäre. Das Geldwäschegesetz müsste dahingehend verändert werden, dass Banken neben der FIU auch direkt an Polizei- und Zoll melden können. Die Mitarbeiter in den Compliance-Abteilungen der Geldinstitute leisten doch meist gute Arbeit. Aber, ich möchte noch eines sagen, die Vermögensabschöpfung ist da auch noch ein Thema. Klar ist für uns jedenfalls, dass die mit solchen Ermittlungen beschäftigten Kolleginnen und Kollegen von Polizei und Zoll mit der FIU in standardisierten Verfahrensabläufen einen besseren Datenaustausch haben.

DP: Das ist schon sehr speziell.
Buckenhofer: Stimmt, man muss sich schon ein wenig auskennen. Ich weiß ja nicht, ob das, was ich jetzt sage, etwas anschaulicher ist: Wir müssen erreichen, dass die FIU nicht blind, oder sagen wir sehbehindert bleibt. Sie muss eben Betrugsfälle und andere Straftaten mit nennenswerter Gewinnerzielungsabsicht besser erkennen können. Warum: damit das verdächtige Geld sofort eingefroren und der Sachverhalt an die örtlich und sachlich zuständige Polizei- oder Zollbehörde weitergeleitet werden kann.

DP: Vielen Dank für das …
Buckenhofer: Moment bitte, da ist noch was. Bei der ganzheitlichen Bekämpfung von Geldwäsche ist es uns wichtig, es prüfen zu lassen, ob auch Geldwäschehandlungen unter Strafe gestellt werden können, bei denen der Geldwäscher keine wirkliche Kenntnis von der Vortat hat. Damit gemeint ist ganz einfach, dass quasi schon aus dem Gesamtzusammenhang der Transaktion einem die Illegalität des Vorgangs ins Auge springen muss. Damit könnte also auch solche Geldwäsche bestraft werden, die sich mittlerweile als selbstständige Dienstleistung im illegalen Milieu etabliert hat. Illegales Geld wird dabei beispielsweise von einem Dienstleister ohne Kenntnis über Herkunft des Vermögens durch einen scheinbar legalen Wirtschaftsvorgang geschleust und somit legalisiert. Das muss ja nicht so bleiben.

DP: Lieber Kollege Buckenhofer, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte DP-Chefredakteur Michael Zielasko.

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