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GdP-Fachtagung zur Flüchtlingssituation mit 120 Teilnehmenden

Die GdP Niedersachsen hat am 22. Juni in Hannover mit Fachleuten sowie Kolleginnen und Kollegen aus der polizeilichen Praxis zum Thema „Flüchtlingssituation in Niedersachsen – auch eine wichtige Aufgabe für die Polizei“ diskutiert.

Insgesamt rund 120 Teilnehmende kamen zur Fachtagung, unter anderem Landespolizeidirektor Knut Lindenau, weitere Führungskräfte der Polizei und aus dem Innenministerium, Personalräte, die GdP-Bundesgeschäftsführerin Alberdina Körner und die DGB-Vertreterin Naciye Celebi-Bektas.

In seiner Einführung bedankte sich der GdP-Landesvorsitzende Dietmar Schilff zuallererst beim Landespolizeipräsidium (LPP) und der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen (ZPD) für die Nutzung der Räumlichkeiten sowie für die Anerkennung als im dienstlichen Interesse durchzuführenden Veranstaltung. Er konstatierte, wie wichtig es sei, hilfesuchenden Menschen - insbesondere Verfolgten und Flüchtlingen aus Krisenregionen - zu helfen. „Neben der humanitären Verpflichtung übernimmt die Polizei diesen Menschen gegenüber weitere elementare Aufgaben. Doch gerade bei den aktuellen Flüchtlingszahlen besonders an den Standorten der Landesaufnahmebehörden muss sie personell, materiell und fachlich auch darauf eingestellt sein“, sagte er. Die Idee für die Veranstaltung sei ihm gekommen, als er den eindrucksvollen Beitrag eines Kollegen der hannoverschen Polizeiinspektion (PI) Mitte in den „PD-Nachrichten“ der Behörde gelesen habe. Dort schilderte der Autor, wie sehr die Notlagen der Geflüchteten die dortigen Polizeibeschäftigten berühre und dass sie zum Beispiel privat Geld für Getränke und Essen für die Flüchtlinge sammeln würden. Zum Ende seiner Einführung thematisierte Schilff außerdem die Vorwürfe gegen einzelne Kollegen der PI und der Bundespolizei, die aufs Schärfste zu verurteilen seien, sollten sie sich bestätigen. Er verwahrte sich darüber hinaus gegen Pauschalverurteilungen und öffentliche Äußerungen, ohne die Ergebnisse der Ermittlungen abzuwarten.

Die Landesbeauftragte für Migration und Teilhabe, Doris Schröder-Köpf, hielt danach ein Impulsreferat zu den zentralen Anliegen der Flüchtlings- und Asylpolitik in Niedersachsen. „Immer mehr Regionen weltweit haben sich zu Kriegs- und Krisengebieten entwickelt. Die Lage ist dramatisch“, sagte Schröder-Köpf und führte mit Blick auf die Flüchtlingszahlen in der Landesaufnahmebehörde aus: „Sie haben auch direkte Auswirkungen auf die Arbeit der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten hier in Niedersachsen. Aus meiner Sicht ist die niedersächsische Polizei gut aufgestellt und zudem bereit, sich mit konstruktiver Kritik und Verbesserungsvorschlägen offen auseinanderzusetzen.“

Unmittelbar nach ihrem Referat kamen die Fraktionen des Landtages in einer Diskussionsrunde zu Wort. Dabei zeigten Jörg Bode (FDP), Angelika Jahns (CDU), Belit Onay (Grüne), Christos Pantazis und Ulrich Watermann (beide SPD), dass ihre Positionen in diesem Politikfeld zu großen Teilen recht eng beieinander liegen, wobei eine ausgeprägte Willkommenskultur gerade aufgrund der großen Flüchtlingszahlen vonnöten sei. Die beiden Oppositionsvertreter kündigten an, sich parlamentarisch für eine bessere personelle Ausstattung der Polizei - angesichts der steigenden Arbeitsbelastung - einzusetzen, was von den Regierungsfraktionen grundsätzlich geteilt, jedoch mit einem Finanzierungsvorbehalt bedacht wurde.

Ihre speziellen Sichtweisen auf das Thema legten dann Klaus Siems von der Landesaufnahmebehörde Braunschweig und Sibylle Naß von „kargah e.V.“, eines Vereins für Migrations- und Flüchtlingsarbeit in Hannover, dar. Siems zeigte die formellen Abläufe nach Ankunft der Flüchtlinge auf und machte deutlich, wie schwierig eine geeignete Unterbringung und Betreuung der enormen Zahl von anreisenden Menschen ist. Im Anschluss an seinen Vortrag stellte er sich den zahlreichen Fragen und Anmerkungen des Publikums, das sich in erheblichem Maß aus dienstlich mit dem Bereich befassten Polizeibeschäftigten rekrutierte. Naß berichtete anschließend über die Arbeit von „kargah e.V.“, wobei die konkrete Hilfe für Flüchtlinge vor Ort im Mittelpunkt stehe, wie bei Sprachkursen und Behördengängen. Einen großen Teil dieser Arbeit mache die interkulturelle Kommunikation aus, die beispielsweise auch beim Kontakt mit der Polizei hilfreich sei.

Aus der polizeilichen Praxis berichten dann Ann Oldiges (Leiterin des Polizeikommissariats Bramsche) und Reiner Fladung (Leiter der Polizeistation des Braunschweiger Stadtteils Querum) sowie der GdP-Kollege Martin Schilff für die Bundespolizei. Oldiges und Fladung konnten anhand von Fakten verdeutlichen, welche großen Belastungen die Polizistinnen und Polizisten erlebten, die mit den enorm gestiegenen Flüchtlingszahlen befasst seien. Sie legten sachlich und mit viel Verständnis für die Belange der Flüchtlinge dar, dass bestimmte Deliktsarten inzwischen unverkennbar häufiger auftreten als vor dem erheblichen Anstieg der Unterbringungszahlen in den Flüchtlingseinrichtungen. Gemeinsam mit Martin Schilff, der nachdrücklich auf den bundesweiten Anstieg der Arbeitsumfänge bei gleichzeitigem Personalabbau hinwies, wünschten sie sich vor allem eine angemessene personelle Ausstattung, um die eingesetzten Kolleginnen und Kollegen zu entlasten sowie gleichzeitig vor Erkrankungen aufgrund der physischen und psychischen Überbeanspruchung zu schützen.

Am Nachmittag der Fachtagung präsentierte Carsten Rose (Abteilungsleiter für Lehre und Forschung) von der Polizeiakademie Niedersachsen schließlich eine Übersicht der Lehrinhalte und weiterer Anstrengungen hinsichtlich interkultureller Kompetenzen. Auch die Werteorientierung und die Vermittlung der herausragenden Bedeutung der Menschenrechte im Polizeistudium betonte Rose.

Landespolizeidirektor Knut Lindenau bedankte sich für die Ausrichtung der Fachtagung und zeigte sich beeindruckt über die vielfältigen und praxisorientierten Ausführungen. Hinsichtlich personeller Entlastung in den besonders angespannten Bereichen konnte er keine Zusagen treffen, sagte jedoch zu, Innenminister Boris Pistorius detailliert über die Erkenntnisse der GdP-Tagung zu informieren. In seinen Ausführungen machte Lindenau deutlich, dass der kultursensible Umgang mit Betroffenen eine wichtige Herausforderung sei, ebenso wie die Klarstellung, dass einzelne Vorwürfe und unbewiesene Anschuldigungen aus der Vergangenheit gegen die Polizei nicht das positive Gesamtbild der Organisation in der Bevölkerung beschädigen dürften.

Dietmar Schilff bedankte sich am Ende der Fachtagung für die offenen und konstruktiven Beiträge. „Die überaus große Resonanz zu diesem Thema zeigt, dass es richtig war, der Polizeiführung und der verantwortlichen Politik die Sichtweise der Polizeibeschäftigten zu verdeutlichen und zugleich weitere Perspektiven zu integrieren“, sagte der GdP-Landesvorsitzende und fasste einige zentrale Aspekte zusammen, die auch aus der Diskussion der Tagung resultierten: „Die Polizei benötigt dringend ausreichend Personal, um alle ihre Aufgaben bewältigen zu können. Dasselbe gilt für die Landesausnahmebehörden. Der Austausch von Daten zwischen ihnen und der Polizei muss zudem dringend den Erfordernissen entsprechen, auch um Personen feste Identitäten zuordnen zu können. Die Strafverfolgung durch die Justiz ist der neuen Dimension dieses Arbeitsfeldes ebenso anzupassen. Die Flüchtlinge benötigen unbedingt menschenwürdige Unterkünfte und gesundheitliche Versorgung, ebenso brauchen die eingesetzten Polizeikräfte psychosoziale Betreuung und Gesundheitsvorsorge.“ Auch praktische Veränderungen, die aus der Veranstaltung stammten, nahm Schilff auf. „Eine Dolmetscher-Zentrale in der Art eines Call-Centers wie in den Niederlanden würde viele Sprachprobleme lösen. In den einzelnen Unterkunfts-Häusern sollte es Ansprechpartner seitens der Flüchtlinge für die Polizei geben. Außerdem ist ein ständiger Austausch zwischen der ortsansässigen Bevölkerung, der Verwaltung und der Polizei sinnvoll.

Seine Ausführungen beendete der GdP-Landesvorsitzende mit einem Zitat des UNHCR-Flüchtlingskommissars António Guterres: „Überall auf der Welt fliehen Menschen. Die Zahlen sind gewaltig. Diese Menschen sind Schwestern, Brüder, Väter, Mütter, Kinder. Sie sind wie Du und ich, die zur Flucht gezwungen wurden. Es sollten sich alle daran erinnern, was uns verbindet: unsere gemeinsame Menschlichkeit.“

Die GdP Niedersachsen wird die durch die Fachtagung aufgeworfenen Fragen beziehungsweise Forderungen formulieren, an die verantwortliche Politik weiterleiten und öffentlich dazu Position beziehen.



Dietmar Schilff (alle Fotos: Jana Herzog)


Doris Schröder-Köpf


Die Mitglieder des Landtages und Hoffmann


Teilnehmende der GdP-Fachtagung


Klaus Siems


Sibylle Naß


Christian Hoffmann, Ann Oldiges, Reiner Fladung und Martin Schilff


Carsten Rose


Knut Lindenau
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