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Ausgaben für Sonderversorgungen steigen

von Edgar Große

Erfurt.

Erfurt (eg) Die Ausgaben des Freistaats Thüringen zur Erstattung an Sozialversicherungsträger für Rentenleistungen an Angehörige der Sonder- und Zusatzversorgungssysteme sind nach Aussagen der Thüringer Finanzministerin auf Grund von ausstehenden Urteilen des Bundessozialgerichts nach wie vor sehr schwer zu kalkulieren.

Diese Aussage hatte den Abgeordneten Werner Pidde (SPD) veranlasst, die Landesregierung zu fragen, wie sich die Ausgaben des Freistaats Thüringen zur Erstattung an Sozialversicherungsträger für Rentenleistungen an Angehörige der Sonder- und Zusatzversorgungssysteme in den Jahren 2000 bis 2005 entwickelt haben, welche rechtskräftigen Gerichtsurteile die Ausgaben des Freistaats Thüringen zur Erstattung an Sozialversicherungsträger beeinflusst haben, welche Sachverhalte mit möglichen Auswirkungen auf die Ausgaben des Freistaats Thüringen derzeit beim Bundessozialgericht anhängig sind, welche Berufsgruppen davon betroffen sind und wie die Auswirkungen dieser Verfahren aussehen.

Das Finanzministerium hat diese Anfrage beantwortet. Danach erstattet Thüringen dem Bund wie alle neuen Länder Aufwendungen für Leistungen an Begünstigte der Sonder- und Zusatzversorgung der ehemaligen DDR einschließlich der Verwaltungskosten der BfA. Diese Erstattungsregelung sowie auch der Verteilungsschlüssel nach Bevölkerungszahl wurden bereits im Einigungsvertrag festgeschrieben. Die Entwicklung der Kostenerstattungen durch Thüringen ist in nebenstehender Tabelle für die Haushaltsjahre 2000 bis 2005 dargestellt.

Im Bereich der Zusatzversorgungssysteme wurden seit 1998 durch Entscheidungen des Bundessozialgerichtes (BSG) und des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) der begünstigte Personenkreis erweitert sowie die Zahlbetragsbegrenzung aufgehoben und korrigiert.

Insbesondere die folgende Rechtsprechung des BVerfG hätten die Ausgaben ab Januar 2000 beeinflusst:

1. Entscheidung vom 28. April 1999
Bei dieser Entscheidung handelte es sich um die so genannte Systementscheidung.
Das BVerfG legte fest, dass
- eine Begrenzung der Anwartschaften aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen ab 1.August 1991 auf 2 700 Deutsche Mark unzulässig ist;
- die besitzgeschützten Zahlbeträge ab 1. Januar 1992 an die Lohn- und Einkommensentwicklung anzupassen sind (Dynamisierung);
- bei den Bestandsrenten mit Ansprüchen aus einem Versorgungssystem eine Vergleichsberechnung, auch aus dem letzten 20-Jahreszeitraum, zu erfolgen hat. Die Höhere der beiden Renten ist zu leisten.
Mit dem 2. Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungs-Änderungsgesetz (2. AAÜG-ÄndG) vom 27. Juli 2001 wurde den Festlegungen des BVerfG entsprochen. Die technische Umsetzung und Nachzahlungen wurden überwiegend im Jahr 2002 realisiert.

2. Entscheidung vom 23. Juni 2004
Das BVerfG entschied, dass die nach dem AAÜG-ÄndG von 1996 bzw. nach dem 2. AAÜG-ÄndG von 2001 immer noch bestehenden Entgeltbegrenzungen gemäß §§ 6 Abs. 2 und Abs. 3 AAÜG - weder bezüglich der Auswahl der in die Entgeltbegrenzung einbezogenen Berufsgruppen noch bezüglich der Wahl der für die Begrenzung maßgeblichen Entgelthöhe - mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes nach wie vor nicht vereinbar sind. Das Ziel des Gesetzgebers, politisch motivierten Versorgungszusagen ohne entsprechende Leistungen die Anerkennung zu versagen, ist zwar legitim, wurde jedoch mit dem zuletzt verabschiedeten 2. AAÜG-ÄndG 2001 nicht erreicht. Die nunmehr geltende Norm besagt, dass die Kürzung diejenigen Personen betrifft, die Weisungsbefugnis gegenüber dem MfS besaßen. Dazu wurde im Gesetzestext eine abschließende Aufzählung der betroffenen Personengruppen vorgenommen.

Da die Umsetzung der Rechtsprechung erst Ende des Jahres 2005 erfolgte, sei eine Bezifferung des finanziellen Aufwandes für Thüringen frühestens im III. Quartal 2006 möglich. Die Ausgaben für Erstattungsleistungen für Sonder- und Zusatzversorgungssysteme würden zusätzlich durch eine Vielzahl von Einzelurteilen des BSG, die teilweise ihre Wirkung auch auf vergleichbare Fälle ausgedehnt haben, beeinflusst.

Die Rechtsprechung des BSG beziehe sich überwiegend auf den anzuerkennenden Personenkreis sowie auf Grundsätze bezüglich der Voraussetzungen für eine Anwendung des AAÜG. Allein anhand dieser Grundsätze erfolgten Entscheidungen des BSG zur Frage der Anerkennung insbesondere im Bereich der Technischen Intelligenz am 09.04.2002, 10.04.2002, 31.07.2002, 18.06.2003, 18.12.2003, 31.03.2004, 06.05.2004, 08.06.2004, 27.07.2004, 29.07.2004, 26.10.2004 sowie 10.02.2005. Aus den Entscheidungen resultierende Kostenabschätzungen seien nicht möglich.

Allein aus dem Umstand heraus, dass kaum zuverlässige Informationen über den Kreis der Anspruchsberechtigten und deren Ansprüche bekannt sind, sei eine Einschätzung der aus den verschiedenen Gerichtsentscheidungen resultierenden Kosten nicht bezifferbar. Die Entwicklung der Fallzahlen und Anspruchshöhe für zukünftige Jahre sei nicht bekannt. Damit seien Kostenschätzungen mit einer hohen Unsicherheit verbunden.

Anhängige Sozialgerichtsverfahren bestünden noch für Mitarbeiter im Gesundheits- und Sozialwesen. Strittig sei die Frage, ob der nach DDR-Verordnung gewährte besondere Steigungssatz in Höhe von 1,5 v. H. anstatt 1 v. H. auf der Basis des Durchschnittsverdienstes der letzten 20 Kalenderjahre vor Beendigung der Tätigkeit bei der Rentenüberleitung ausreichend berücksichtigt wurde. Hierzu eingereichte Verfassungsbeschwerden beim BVerfG wurden mit einstimmigem Beschluss vom 18. Oktober 2005 nicht zur Entscheidung angenommen, da die Beschwerden ohne Aussicht auf Erfolg waren.

Über anhängige Verfahren einzelner Betroffener lägen keine Informationen vor. Es sei nicht einschätzbar, inwieweit diese Verfahren aufgrund des vorliegenden Einzelfalls auch zukünftig beim Bundessozialgericht positiv für den Betroffenen entschieden würden, bzw. inwieweit Allgemeingültigkeit angenommen werden kann. Aktuell bestünden keine Möglichkeiten, durch anhängige Verfahren bestehende Kostenrisiken zu beziffern.
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