Zum Inhalt wechseln

Klage zu Beamtenbesoldung mit Vergleich beenden – besteht Angst vor einem Urteil?

Amtsangemessene Alimentation

Mainz.

Diese und viele andere Fragen rund um das Thema Beamtenbesoldung in Rheinland-Pfalz stellt sich aktuell die GdP Rheinland-Pfalz, nachdem am Freitag in der Rhein- Zeitung auf Seite 2 ein Artikel von Ursula Samary zu diesem Thema erschienen ist.

Bereits 2022 und 2023 informierten wir euch umfassend über das Thema der amtsangemessenen Alimentation. Wir warfen die Frage auf, inwiefern unsere Besoldung nicht angemessen sein könnte, und stellten euch Mustertexte für die Widersprüche zur Verfügung, nachzulesen hier: https://t1p.de/evks2

Der Sachverhalt in der Rhein-Zeitung

Der Artikel der Rhein-Zeitung beschreibt einen Sachverhalt rund um einen Vermessungshauptsekretär. Dieser hatte beklagt, dass er in den Jahren von 2012 bis 2014 in der Besoldungsstufe A 8 nicht amtsangemessen vom Land Rheinland-Pfalz bezahlt worden sei. Für ihn stellte sich die Frage, ob sein Nettoeinkommen noch 15 Prozent über den Sozialleistungen des Staats – also dem heutigen Bürgergeld –liege, diese Messlatte hatte das Bundesverfassungsgericht bereits in einer Entscheidung klargestellt. Dies sollte nun das Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz klären. Dem klagenden Beamten wurde dem Artikel nach, durch Prozessvertreter von Finanzministerin Doris Ahnen ein Vergleich angeboten. Wenn dieser Vergleich geschlossen würde, würde die Prüfung hier enden. Deshalb die Frage, warum scheut man ein Urteil? Die Reaktion des DGB auf den Vorgang findet ihr unter: https://t1p.de/e2m8q, richtigerweise fordert auch die Vorsitzende des DGB Rheinland-Pfalz / Saarland, Susanne Wingertszahn am gestrigen Tag, dass die Thematik mit einer höheren Priorität zu bearbeiten ist.

Zum Hintergrund

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einer wegweisenden Entscheidung vom 5. Mai 2015 (vgl. 2 BvL 6/12) für den Besoldungsgesetzgeber bindende Begründungs- und Prüfpflichten festgelegt und in weiteren Entscheidungen vom 4. Mai 2020 (vgl. BVerfG 2 BvL 4/18; 2 BvL 6/17) konkretisiert und die Berechnungsparameter präzisiert. Danach prüft das BVerfG eine mögliche verfassungswidrige Unteralimentation in drei Prüfungsstufen. Auf der ersten Prüfstufe zieht es dazu fünf Parameter heran, wobei die Entwicklung der Besoldung mit der Entwicklung des TV-L, aller Tariflöhne und der Inflation verglichen wird, wobei innerhalb von 15 Jahren bei keinem der Parameter die Besoldung um mehr als 5 Prozentpunkte zurückbleiben darf. Weiter dürfen sich die Besoldungsgruppen nicht zu stark annähern und die durchschnittliche Besoldung der übrigen Länder und des Bundes darf nicht mehr als 10% unterschritten werden. Zusätzlich kommt dem sogenannten Abstandsgebot zur sozialen Grundsicherung erhebliche Bedeutung zu.

Eine Frage des Abstandsgebotes

In den letzten Jahren konnte rechnerisch nicht nachgewiesen werden, dass die rheinland-pfälzische Besoldung einen oder mehrere der fünf Parameter „verletzt“. Da die statistischen Werte für 2022 (und die Folgejahre mit Inflation usw.) noch nicht fest ermittelt sind, ist dies noch nicht abschließend bewertbar. Danach könnte 2022 insbesondere ab der Besoldungsgruppe A 10 die Besoldung um mehr als fünf Prozentpunkte hinter der Entwicklung aller Tariflöhne zurückbleiben.

Daneben ist fraglich, ob das BVerfG einen „Trick“ der Landesregierung akzeptiert. Das Abstandsgebot zur sozialen Grundsicherung ist nach bisheriger Rechtsprechung des BVerfG gewahrt, wenn einer Beamtenfamilie mit zwei Kindern 15% mehr Nettoeinkommen verbleibt als einer vergleichbaren Familie, die Leistungen der sozialen Grundsicherung in Anspruch nehmen muss. Berechnet wurde dies anhand der Besoldung eines Partners, ohne Rücksicht auf mögliche Einkünfte des anderen Partners. Rheinland-Pfalz rechnet nun 5.400 € Einkünfte des anderen Partners auf die Jahreseinkünfte hinzu.
Ohne diesen „Trick“ wäre das Abstandsgebot eindeutig nicht gewahrt. Sollte das BVerfG dies als verfassungswidrig feststellen, müssten Familien höher alimentiert werden. Daneben stellt sich die Frage, ob das Besoldungsgefüge insgesamt verfassungswidrig wird und damit auch eine höhere allgemeine Besoldung gezahlt werden muss.

Ein oder zwei „gerissene“ Parameter der ersten Prüfstufe führen allerdings erst zu einer Prüfung auf der zweiten und dritten Stufe durch das BVerfG. Stellt das BVerfG eine Unteralimentation fest, bedeutet dies nicht automatisch eine Nachzahlungspflicht des Dienstherrn.

Ob die rheinland-pfälzische Besoldung (und daraus folgend auch die Versorgung) im Jahr 2022 und 2023 verfassungsgemäß war, ist weiter fraglich.
Es bestehen zumindest begründbare Zweifel daran.

Was hat die GdP unternommen und was ist wichtig zu wissen?

Die GdP hat gemeinsam mit dem DGB das Thema der Besoldung mit der Finanzministerin in einem Spitzengespräch bereits zu Beginn 2023 angesprochen und die Landesregierung aufgefordert, eine verfassungsgemäße Besoldung sicher zu stellen. Finanzministerin Doris Ahnen erklärte in ihrem Schreiben vom 28. April 2023 an unsere damalige Landesvorsitzende Sabrina Kunz: „(…) Entgegen Ihren Ausführungen im Schreiben vom 5. April hege ich jedoch keine Zweifel an der Verfassungskonformität der Alimentation im Jahr 2022.“

Die im Jahr 2022 eingelegten Widersprüche der Kolleginnen und Kollegen wurden im Sommer 2023 durch förmlich zugestellte Bescheide abgelehnt. Die GdP betreut einige Kolleg/-innen in unterschiedlichen Besoldungsgruppen und familiären Situationen mit dem DGB-Rechtsschutz.

Unsere Einschätzung:

Bereits 2022 und 2023 informierte die GdP ihre Mitglieder umfassend über das Thema amtsangemessene Alimentation und die Möglichkeit Widerspruch einzulegen. Es hagelte, nach sieben Monaten des Stillschweigens, im Sommer 2023 Widerspruchsbescheide. Die Kolleginnen und Kollegen hatten damit nur noch die Möglichkeit, den Klageweg zu beschreiten oder im Falle der Nichtklage einen möglichen Anspruch auf Nachzahlung zu verlieren. Für die GdP eine sehr fragliche Art und Weise mit seinen Beamt/-innen umzugehen und hier reihen sich einige weitere Beispiele wie die freie Heilfürsorge, Kostendämpfungspauschale als auch die Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage mit ein.

Aline Raber, stellvertretende Landesvorsitzende: „Der Verfahrensausgang zu dem in der Rhein- Zeitung beschriebenen Sachverhalt könnte richtungsweisend für unsere Polizei- und Verwaltungsbeamt/-innen sein. Wir finden es als GdP beschämend, die Beamtinnen und Beamten so hängen zu lassen. Dass hier zunehmend Unmut entsteht und auch bei der Nachwuchsgewinnung immer weniger Personal akquiriert werden kann verwundert uns nicht. Die Attraktivität unseres Berufes macht auch vor einer guten und angemessenen Bezahlung nicht halt.

Viele junge Kolleginnen und Kollegen fragen sich zurecht, ob ihre Bezahlung überhaupt noch in dem Verhältnis zu der Arbeitsleistung und der Gefahr, der man tagtäglich ausgesetzt ist, steht. Wir fordern daher, dass man die aktuellen Widersprüche ruhend stellt und zeitnah an die Befassung insgesamt geht.“

Der Landesvorstand