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Polizeitage 2010 in Hamburg

Ein Forum gegen Gewalt

Am 12. März 2010 fand im großen Saal der Handwerkskammer Hamburg die Auftaktveranstaltung der bundesweiten Kampagne „Polizeitage 2010“ statt. In Zusammenarbeit mit dem Behördenspiegel und 3M wurde angeregt über das Thema „Gewalt – ein zunehmende Herausforderung für Politik, Polizei und Gesellschaft“ diskutiert.

Im Rahmen dieser Veranstaltung durften wir als Gastredner den Bundesvorsitzenden der GdP, Konrad Freiberg, unseren Innensenator Christoph Ahlhaus, den innenpolitischen Sprecher Dr. Andreas Dressel, den innenpolitischen Sprecher der CDU Kai Voet van Vormizeele, den Polizei-Vizepräsidenten Hamburgs Reinhard Fallak, sowie den Sicherheitsbeauftragten des DFB, Herrn Helmut Spahn begrüßen. Für die GdP Landesbezirk Hamburg sprachen unser Landesvorsitzender Uwe Koßel, sowie sein Stellvertreter Gerhard Kirsch.

Die Auftaktveranstaltung wurde durch Beiträge der dipl Psychologinnen Frau Ellrich und Frau Zietlow, die die sogenannte KFN Studie (Kriminologischen Forschungsinstituts Hannover) betreuen bzw. durchführen, weiter wissenschaftlich aufgewertet.

Nach der Eröffnung der Tagung durch den Chefredakteur des Behördenspiegels Uwe Proll ergriff der Bundesvorsitzende Konrad Freiberg das Wort. Er wies darauf hin, dass das Problem der ansteigenden Gewalt und eines zunehmende Werteverfalls von der Politik erkannt wurde. Perfider Weise reagiert der Staat aber momentan mit einem Abbau des Personals, so soll allein in Mecklenburg Vorpommern die Personaldecke von 9.800 Polizeibeamten um ca. 1.700 Beamte reduziert werden. Eine solche vorgehensweise ist gerade kein klares Signal gegen Gewalt. Weiterhin stellt weiterer Stellenabbau eine Beeinträchtigung der allgemeinen Sicherheitslage dar. Freiberg wies daraufhin, dass auch der Staat von der Finanzkrise betroffen ist; weitere Kürzungen rund um das Thema Polizei und Sicherheit seien daher anzunehmen. Freiberg hob den Finger und mahnte die Politik, nicht am falschen Ende zu sparen.




Daran schloss sich die Rede des Innensenators Christoph Ahlhaus.

Ahlhaus forderte dazu auf, „die Politik müsse dringend zu einer "Kultur des Hinsehens" gelangen“. Es müssten auch durch staatliche Institutionen wie der Schule wieder Normen vermittelt werden, die im sozialen Umgang akzeptiert würden. Ahlhaus nahm den Anlass „Schanzenfest und Angriff auf Polizeibeamte mit Brandsätzen“ zum Anlass zur Forderung nach härterer Strafe. „Der Staat gerät in Gefahr", so Ahlhaus weiter, „wenn Polizisten in Uniform als Vertreter des Staates angegriffen würden und ohne Vorliegen einer konkreten Auseinandersetzung Gewalt angewendet würde.“ Der Polizeibeamte werde nicht „in seiner Person“ angegriffen, sondern in seiner Funktion als Amtsträger. Daher müsse der Staat auch vor solchen Angriffen schützen. Ahlhaus sagte zu, sich in der Innenministerkonferenz dafür einzusetzen, dass der Angriff gegen Polizeibeamte gesondert unter Strafe gestellt wird, so wie es die GdP mit der Einführung des § 115 StGB fordert.

Ahlhaus wies auf die Bemühungen des Hamburger Senats zur Bekämpfung von Gewalt an Schulen hin. Die Anzeigepflicht für Lehrer und Schulleitungen bei Gewalttaten an ihren Einrichtungen und Unterrichtseinheiten, die von Polizeibeamten durchgeführt würden und eine "Sondereinheit" Cop 4 you sind erste Ergebnisse.

Der Senator wies auf eine IMK-Studie hin, nach der untersuchte Straftäter im Alter von 13 bis 30 Jahren nur zu 16 Prozent tatsächlich für ihre Taten verurteilt würden. Dies sei ein unhaltbarer Zustand und man müsse auch die Justiz daran erinnern, dass die Erfahrung mit einer Strafe immer hilfreich zur Verhinderung einer kriminellen Karriere sei. "Die notwendige Präventionsarbeit muss mit Blick auf die Gewalt in der Gesellschaft intensiviert werden. Niemals dürfen wir der Gewalt mit Gleichgültigkeit, trotz der professionellen Distanz, die auch die Polizeiarbeit erfordert, begegnen." Wirtschaft, Vereine, Familien und Schule – alle Institutionen der Gesellschaft müssten sich in einer Koalition zur Gewaltprävention wiederfinden.


Diesem Redebeitrag folgte tiefgehender Beitrag des Landesvorsitzenden der GdP Hamburg, Uwe Koßel. Er regte an, genau festzustellen, wo das Epizentrum der Gewalt liege. Hier seien die Familien, die Kindergärten und Schulen gefragt, um Gewalt und sozialpolitische Missbildungen im Keim zu ersticken. Für die geistige und auch besonders die gewaltpräventive Entwicklung der Kinder sei die soziale Gruppe notwendig. Hier ist der Staat gefragt, unterstützend tätig zu werden.

Er plädierte für eine Präsenzpflicht im Kindergarten. Es sei der falsche Weg Eltern 125 Euro für die Nichtinanspruchnahme eines Kindergartenplatzes zu zahlen, Geld was möglicher Weise gar nicht bei den Kindern ankommt. Vielen Kindern wird in ihren Familien nicht das geboten, was unserer Vorstellung von Wertevermittlung entspricht.

Heute sei es an Grundschulen zu beachten, wie sich nach Rücksprache mit Lehrerinnen und Lehrern ergab, dass montags ersten zwei bis drei Schulstunden allein für aufgewendet werden müssen, um einen Aggressionsabbau bei den Kindern zu erreichen, die diese am Wochenende in ihrer familiären Situation aufgestaut hätten.

Koßel forderte den Senat auf, die Verletzung der Schulpflicht zu kontrollieren und vor allem auch zu sanktionieren. So sei bei jungen Straftätern oftmals festzustellen, dass diese erhebliche Fehlstunden in den Schulen aufzuweisen haben. Die Jugendlichen geraten oftmals in einen Sumpf, aus dem sie nicht mehr heraus kommen. Die Nichteinhaltung der Schulpflicht führt zu schlechten oder teils ausbleibenden Schulabschlüssen, die den Kindern und Jugendlichen jegliche berufliche Perspektive nehme.

Oftmals „leisten“ Familien nicht das, was wir, unsere Gesellschaft, uns als Familienleitbild vorstellen. Der Zusammenhalt fehlt. Jugendliche flüchten sich in Ersatzfamilien: der Fanclub oder die Gang, hätten zunehmend schlechten Einfluss auf die Entwicklung der Jugendlichen. Käme noch Arbeitslosigkeit oder schlecht bezahlte Arbeit der Eltern hinzu, würden die durch Fernsehen und Werbung geweckten Konsumwünsche nicht befriedigt, Karrieren mit Alkohol und Drogen und letztlich Gewalt würden so gelegt.

Die Gewalt sei aber kein ausschließliches Phänomen sozial schwieriger Schichten, sondern es gebe auch die sogenannte "Wohlstandsverwahrlosung". Nach Ausschreitungen gäbe es in Hamburg schon mal das Phänomen, dass auch gut betuchte Eltern ihre Kinder, die in Polizeigewahrsam säßen, gar nicht abholen wollten, weil sie selbst befürchteten, dass ihr alkoholisierter Nachwuchs auch ihnen gegenüber Gewalt anwende.

Koßel nannte auch erste Lösungsansätze, so z.B. ein Verkaufsverbot für Alkohol nach 22 Uhr, wie es in anderen Bundesländern, so z.B. Baden-Württemberg und an Autobahntankstellen geübt würde. Es wäre nicht einzusehen, dass an Hamburger Bahnhöfen rund um die Uhr Alkohol verkauft werden könne. Auch solle der Verzehr von Alkohol in öffentlichen Verkehrsmitteln untersagt werden.




















Ein schwieriges Problem sei, so Koßel weiter, die Wertevorstellung, die bei Menschen anderer Kulturen anzutreffen ist und oftmals Auslöser der Gewalt sei. Als Beispiel nannte er russische Familien, in denen nicht nur der Alkohol eine besonders große Rolle spiele, sondern auch der "Männlichkeitskult" praktiziert werde, der mit dem in Deutschland geübten Wertesystem nicht übereinstimme. Dies gelte auch in weiten Teilen islamischer Familien, in denen die Rolle und Achtung der Frau nicht unseren gesellschaftlichen Wertevorstellungen und unseren Grundgesetz entsprechen. Er erlebe im Polizeialltag auch aufgrund dieser Konfliktlage eine besonders hohe Aggressivität bei ausländischen Mitbürgern, die – selbst wenn sie einen deutschen Personalausweis besäßen – bei einer Kontrolle sich darüber beschwerten, dass diese nur deswegen stattfinde, weil sie "eben Ausländer" seien.

Wenig hilfreich sei dabei die "Gutmenschenmentalität" mancher Politiker, die bei Auseinandersetzungen zwischen Polizei und ausländischen Mitbürgern immer die Schuld bei den staatlichen Kräften suchen würden. Polizei und Politik müssen Hand in Hand arbeiten, um Gewalt zu bekämpfen.

Im Anschluss an den Vortrag des Landesvorsitzenden stellten die Dipl. Psychologinnen Frau Ellrich und Frau Zietlow die sog. KFN Studie (s.o.) vor: Die am 08.02.2010 gestartete Studie „Gewalt gegen Polizeibeamte“ basiert auf einer früheren Untersuchung des KFN aus dem Jahr 2000.

Die Befragung richtet sich an alle Polizeibeamtinnen und –beamte der 10 teilnehmenden Länder (Hamburg nimmt an dieser Studie nicht Teil), unabhängig davon, ob sie ein Gewalterlebnis hatten oder nicht. Ziel ist es, Risikokonstellationen herauszuarbeiten; also jene Umstände, unter denen Polizeibeamtinnen und –beamte Opfer von Gewaltübergriffen werden. „Da nach früheren Erkenntnissen 2/3 aller Übergriffe auf Polizeibeamtinnen und -beamte im Streifendienst erfolgen, hätten wir gerne untersucht, welche Rolle individuelle Verhaltens- und Erlebensweisen des Beamten spielen. Darauf musste allerdings aufgrund der öffentlichen Diskussion verzichtet werden“, so die Dipl. Psychologinnen.

Vertieft wurden die Erkenntnisse durch etwa 30 Interviews, die mit Polizistinnen und Polizisten geführt wurden und nach einem Gewaltübergriff dienstunfähig waren. Von Interesse sind dabei neben einer Beschreibung der Situation auch die subjektive Bewertung des/r Einzelnen sowie die Art der Folgen (körperlich, psychisch, dienstlich). Erhoben werden zudem jene Faktoren, die als besonders hilfreich und unterstützend, aber auch als zusätzlich belastend erlebt wurden und werden. Gefunden werden soll eine Antwort auf die Frage, welche Dinge es braucht, um die Bewältigung eines Gewaltübergriffes möglichst erfolgreich zu gestalten.












Im Rahmen seines Vortrags wies Dr. Andreas Dressel, den wir von Seiten der SPD begrüßen durften, darauf hin, dass er es begrüße, dass eine Diskussion um Werte und Gewalt in´s Leben gerufen worden ist. Dr. Dressel mahnte aber, dass es nicht nur bei einer Diskussion und guten Ideen bleiben darf, sondern auch eine praktische Umsetzung erfolgen müsse. Dr. Dressel verwies in diesem Zusammenhang insbesondere auf erfolgsbewährte Modelle in anderen Bundesländern. „Das Testkäuferverfahren“ so Dr. Dressel „hat dazu geführt, dass sich der widerrechtliche Ausschank von Alkohol nachweislich reduziert habe.

Schließlich sprach Helmut Spahn als Vertreter des DFB. Spahn wies daraufhin, dass eine Zusammenarbeit mit der GdP statt finde, um eine wirksame Zusammenarbeit von Polizei und Fußball und eine Aktion gegen Gewalt durchzuführen. „Wir arbeiten Hand in Hand sachlich und konstruktiv zusammen“, so Spahn weiter .Spahn forderte, dass die Gewalt in und um das Fußballstadion differenziert zu betrachten sei: Man wolle nur den Schädlingen den Zutritt zu den Spielen verwehren. Friedliche Fans dürfen nicht pauschal mit ausgeschlossen werden.

Spahn erwähnte, dass lediglich ein geringer Anteil von Fußballfans gewaltbereit sei, dieser ist heraus zu filtern und zu sanktionieren.

Auf dem Polizeitag sprach auch Gerhard Kirsch, der über die Gewalt gegenüber Polizeibeamten im Alltagsgeschäft sprach. Er berichtete vor einem gebannt zuhörenden Auditorium von seinen Erlebnissen aus der Zeit seiner fast 10-jährigen Verwendung als Dienstgruppenleiter in St. Pauli.

Gerhard Kirsch machte deutlich, dass die dort eingesetzten Kolleginnen und Kollegen besonderen Belastungen ausgesetzt sind. Dies gilt insbesondere für die Kolleginnen und Kollegen der Landesbereitschaftspolizei und der Einsatzzüge, denen es zu verdanken ist, dass der Stadtteil St. Pauli im Hinblick auf Gewaltdelikte nicht "umgekippt" ist.

Im Rahmen seiner Rede mahnte Gerhard Kirsch an, dass viele junge Beamte, die sich privat krankenversichern müssen, Opfer von Gewalttätern werden. Sie halten nicht nur in St. Pauli den Kopf für die Gesellschaft hin. Vor diesem Hintergrund forderte er die Politik auf, nach Gewaltexessen keine Sonntagsreden zu halten, sondern die Freie Heilfürsorge für alle Polizeibeamtinnen und -beamte wieder einzuführen.

Auch im Hinblick auf die Einforderung von Schmerzensgeld forderte er, dass der Dienstherr für seine Beamten in Vorleistung tritt und es den Kolleginnen und Kollegen nicht länger zugemutet wird, diesen Forderungen über eine lange Zeit und mit ungewissem Ausgang hinterher zu laufen.

Darüber hinaus thematisierte er die große Anzahl von vollkommen unbegründeten und frei erfundenen Anzeigenerstattungen gegenüber Polizeibeamten. Diese können sich nicht nur negativ auf anstehende Beförderungen auswirken. Gerhard Kirsch forderte, dass sich der Dienstherr schützend vor seine Beamten stellt. Dazu gehört auch, dass offenkundig erfundene Sachverhalte, die von der StA eingestellt werden, zum Anlass genommen werden, nun gegen den Anzeigenerstatter zu ermitteln.








Der Behördenspiegel hat zu dieser Veranstaltung ebenfalls einen interessanten Newsletter erstellt.
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