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Gedenken an Michael Scheuermann

Mainz.


Enthüllung der Gedenktafel im Polizeipräsidium Mainz am 08.12.2012



Ansprache von Pfarrer Martin Schulz-Rauch


„Wachbleiben – wachhalten:
Das heute zu tun - sind wir zusammengekommen.

Wir wollen die Erinnerung wachhalten – in Gedanken wachhalten, was vor 26 Jahren – genau an diesem Ort – geschah.

Wir wollen nicht vergessen – und werden deshalb gleich eine Tafel aufhängen, die erinnern soll an Michael Scheuermann – der heute 50 Jahre alt geworden wäre.

Wir wollen diese Erinnerung gemeinsam hochhalten – eine Erinnerung, die Sie liebe Familie Scheuermann, über lange Jahre hinweg weitgehend alleine im Bewusstsein gehalten haben.

Dafür sind wir Ihnen auch zu ganz besonderen Dank verpflichtet, stellvertretend für uns alle haben Sie nicht zugelassen, dass etwas vergessen werden könnte, was nicht vergessen werden darf.

Sie waren es auch, die mit ihrer Initiative den Anstoß gegeben haben, zu dieser wichtigen Veranstaltung heute.

Sie stehen mit Ihrem Bedürfnis nicht alleine – spätestens mit der Enthüllung dieser Tafel sind Sie nicht mehr alleine dafür verantwortlich, dass die Erinnerung an damals nicht verblasst.

Das Wachhalten – wir alle machen es uns zum Anliegen – wenn wir diese Tafel aufhängen:
Alle Diensthabenden der PI 2, aber auch künftige Generationen, sollen daran erinnern, was mit Michael Scheuermann geschehen ist.

Dabei geht es gewiss nicht um Heroisierung – sondern um Verantwortung.

Denn das Wachhalten der Vergangenheit beinhaltet einen Auftrag an die Zukunft.

Das Wachhalten der Ereignisse um den tragischen Tod von Michael Scheuermann soll stets die Gefahren vor Augen halten, die der Polizeiberuf beinhaltet.

Zum Wachhalten gehört nämlich untrennbar das Wachbleiben, sich nicht einlullen durch falsche Sicherheiten, nicht nachlassen darin, stets die Eigensicherung hochzuhalten, nicht aus Bequemlichkeit auf Eigensicherung und Vorsicht verzichten, weil ja schon oft gut gegangen ist, weil man es gerade eilig hat, weil es zu mühsam ist.

Wenn wir die Erinnerung an Michael Scheuermann wachhalten, dann soll vor allem das Bewusstsein wachbleiben, dass wir in unserem Dienst immer zuerst an uns denken.

Das ist überhaupt nicht egoistisch misszuverstehen!

Denn erst wer etwas für sich getan hat, kann auch für andere etwas tun und mutig für die Schwachen eintreten.

Wachhalten - ich denke noch etwas anderes muss in uns wachbleiben:

Nämlich das Bewusstsein dafür, dass die Gefahren, die die polizeiliche Arbeit mit sich bringt, gemeinsam getragen werden müssen.

Wenn nämlich trotz aller Vorsicht doch ein Unglück passiert, dann müssen alle, die geschädigt wurden an Leib und Seele, unterstützt und betreut werden.

Sie - liebe Familie Scheuermann - haben erlebt, wie bedrückend, wie zusätzlich bedrückend es ist, wenn man das Gefühl hat, mit seiner Not alleine zu sein.

Sie als Familie hatten dafür Sorge zu tragen, dass Ihr schwer verletzter Sohn und Bruder angemessen verpflegt wird.
Sie haben dafür fast übermenschliche Opfer erbracht, weil Sie selbst uneingeschränkt die Verantwortung für Ihren Michael übernehmen wollten.

Nun leuchtet es jedem ein, dass Sie bei diesem Dienst immer wieder Ihre Grenzen geraten sind.


Sich dann aber auch noch alleine gelassen zu fühlen, vielleicht gar abgespeist zu werden mit bürokratischer Gleichgültigkeit, ja vielleicht sogar noch Hindernisse in den Weg geworfen zu bekommen, das wäre für viele ein Grund zu verbittern.

Sie haben sich nicht beirren lassen.

Wir aber wollen wachsam sein – wollen das Bewusstsein wachhalten:
Betroffene, Geschädigte, Versehrte und Schwache dürfen wir niemals alleine lassen.

Wer Unterstützung braucht, muss sie auch bekommen.

Besonders von der Behörde, zu deren uneingeschränktem Dienst Michael Scheuermann sich einst durch seinen Eid verpflichtet hat.


Wachbleiben – die Augen offen halten - für die Not, die unter uns herrscht – insbesondere auch bei den Beamten, die durch ihren Dienst Schaden genommen haben und unsere Solidarität brauchen!

Sie, liebe Familie Scheuermann wissen:
Hier hat sich in den letzten 25 Jahren ein ungeheurer Bewusstseinswandel ereignet.

Es gibt Sozialberater und soziale Ansprechpartner, es gibt umfangreiche Betreuungskonzepte, es gibt vor allen ein intensives Bewusstsein bei allen Vorgesetzten und Behördenleitern, dass Belastung welcher Art nicht mit
Schulterklopfen abgetan werden kann, sondern dass ganz konkrete Unterstützung
erforderlich ist.

Das wissen wir – und wollen doch wachbleiben - dass unsere Aufmerksamkeit niemals nachlässt aufeinander zu achten.



Sie wissen, dass wir momentan in der Adventszeit sind.

Advent aber heißt - wachsam sein – wachsam sein und warten - auf die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus – wachsam sein aber auch für die Nöte unserer Mitmenschen - für ihre oft unausgesprochene Bitte, ja ihr Flehen um unsere Aufmerksamkeit.

Ich denke, es gibt kaum eine bessere Zeit - selbst wenn Sie kirchlich eher distanziert sind – es gibt kaum eine bessere Zeit für die Enthüllung einer solchen Plakette, als gerade die Adventzeit – eine Zeit, die als besondere Botschaft hat:

Augen aufhalten – wachbleiben!

Nicht müde werden, für die Gefahren, die uns umgeben, nicht müde werden einzutreten für die, die unserer Unterstützung bedürfen.“




Brief des Bruders Andreas Scheuermann


Tod des Polizisten Michael Scheuermann / Gedenktafel im Polizeipräsidium Mainz

„Allzu oft wird sich über Vorgehensweisen "unserer" Polizisten aufgeregt - pauschal und nicht detailliert reflektiert. Wissen diese Kritiker, wie schwer die tägliche Arbeit dieser Mitbürger – die Polizeiuniform tragen - sein kann? Manche Menschen wollen zwar in unserer Gesellschaft leben, akzeptieren unsere Rechtsform jedoch nicht immer. Dafür brauchen wir Menschen, die sich die Polizeiuniform anziehen und sich für uns alle einsetzen. Wie dankbar sind diejenigen, denen unsere Polizei helfen konnte - das muss auch deutlich gesagt werden. Wie viele Verbrechen wurden verhindert, weil unsere Polizisten präventiv agierten? Kritik wird öfter geäußert als die Wertschätzung unserer heutigen, modernen Polizei. Auch die macht sicher Fehler, aber nur diejenigen machen keine Fehler, die nichts tun! Meiner Meinung ist jedoch das Nichtstun sogar ein größerer Fehler.
Ich möchte an dieser Stelle meinen herzlichen Dank für die Unterstützung ausdrücken, die ich von Polizeikollegen Karl-Heinz Weber, Achim Hansen, Pfarrer Martin Schulz-Rauch und den Vertretern des Innenministeriums Johannes Kunz und Tobias Burkey erhalten habe. Ohne ihre Hilfe wäre die Gedenkstunde und die Berichterstattung nicht so würdig geworden, wie sie war!“


Michael Scheuermann - „Wach bleiben und wach halten!“ Gedenken und Mahnung

Selbst für Außenstehende war es eine bewegende und gleichzeitig auch nachdenkliche Veranstaltung. Über 30 Kolleginnen und Kollegen hatten sich am Samstag, dem 08.12.12, zu einer kleinen Gedenkfeier im Vorraum der PI Mainz 2 eingefunden, um mit den Angehörigen, dem Vater, dem Bruder und der Schwester von Michael Scheuermann, dessen 50. Geburtstag zu feiern.

Was war geschehen?
Polizeimeister Michael Scheuermann war Angehöriger der PI Mainz 2 und wurde am 02.08.1985 in der Wache, damalige Polizeiwache Mainz-Neustadt, durch den Messerangriff eines psychisch gestörten Täters so schwer verletzt, dass er am 14.01.1989 im Alter von nur 26 Jahren nach knapp 3 ½ Jahren Wachkoma an den Folgen dieser Verletzung starb.

Der Bruder von Michael Scheuermann, Andreas, hatte im vergangenen Oktober zunächst bei der PI Mainz 2 nachgefragt, ob im Polizeipräsidium in irgendeiner Art seinem Bruder anlässlich dessen 50. Geburtstages gedacht wird, und sich dann an die Pressestelle gewandt.
Polizeipräsident Karl-Heinz Weber nahm diesen Hinweis zum Anlass, den tragischen Fall noch einmal in Erinnerung zu rufen. In enger Abstimmung mit der Familie Scheuermann wurde eine Gedenktafel konzipiert, die dann am 08.12.12 im Rahmen dieser kleinen Gedenkfeier an der Flurwand in der PI Mainz 2, also unmittelbar am Ort des Geschehens, angebracht wurde, zur Mahnung und Erinnerung.
Über 30 Kolleginnen und Kollegen, aktive und mittlerweile pensionierte, kamen zu der Feierstunde, darunter auch der damalige Leiter der Schutzpolizei, Robert Himmler, der PI-Leiter, Günter Pratzer, und viele ehemalige Weggefährten und Schichtkollegen. Darüber hinaus konnte Polizeipräsident Weber unter anderen die Herren Johannes Kunz, Ernst Scharbach, Albert Kohls und Tobias Burkey vom ISIM begrüßen.
In seiner Begrüßung schilderte PP Weber noch einmal den Geschehensablauf aus heutiger Sicht und wies an Hand der Vorkommnisse auf die Besonderheit der Räumlichkeit für die Gedenkfeier hin, die sich in unmittelbarer Nähe des Tatortes befindet, und nicht, wie üblich für solche Gedenkfeiern, im Jakob-Steffan-Raum. Diese Gedenkstunde soll aus seiner Sicht sowohl zum Gedenken als auch zur Mahnung dienen. Weber: „In dieser schnelllebigen Zeit darf der Tod von Michael Scheuermann nicht dem Vergessen preisgegeben werden.“ Michael Scheuermann war ein junger engagierter Kollege mit vielen Plänen für die Zukunft und Idealismus. Die Gedenktafel soll auch zur Mahnung dienen für die heutigen jungen Kollegen, wie schnell ein offenbar normaler, alltäglicher Einsatz zur Katastrophe führen kann, so Weber. In diesem Zusammenhang erinnerte PP Weber erneut daran, dass die Eigensicherung oberstes Gebot im polizeilichen Einsatz ist. Insgesamt ist die Gewalt gegen Polizeibeamte ein Problem unserer Zeit. Weber: „Die Öffentlichkeit muss zur Kenntnis nehmen, dass entschlossenes Eingreifen auch für die Eigensicherung von großer Bedeutung ist und eben kein Hinweis auf polizeiliche "Übergriffe"!"
Unter dem Thema „Wach bleiben und wach halten!“ hob Polizeiseelsorger Dr. Martin Schulz-Rauch nicht nur das Gedenken und die Mahnung in seiner Ansprache hervor, sondern auch die extrem belastende Situation der Angehörigen, sowohl durch den Vorfall als auch auch die aufopfernde Pflege durch die Familie über nahezu 3 ½ Jahre.
Im Anschluss an die Redebeiträge von Polizeipräsident Karl-Heinz Weber und Dr. Martin Schulz-Rauch wurde im Flur der PI Mainz 2 die Gedenktafel aufgehängt und zu einer kurzen Schweigeminute inne gehalten.
Zum Schluss bedankte sich Andreas Scheuermann im Namen der Angehörigen bei allen Beteiligten und freute sich über die enorme Resonanz, die er als Wertschätzung für seinen Bruder wertete. Andreas Scheuermann griff die Worte vom Polizeiseelsorger auf „Wach bleiben und wach halten“. Auch er habe in den vielen Vorgesprächen mit allen Beteiligten positiv vermerkt, dass die Polizeibeamten und -beamtinnen im Laufe der vergangenen Jahre immer besser auf ähnlich gelagerte Extremsituationen geschult und ausgestattet werden.
Für die musikalische Umrahmung der Veranstaltung sorgte das Saxophon Quartett des Polizeiorchesters Rheinland-Pfalz.

Autor: PHK Achim Hansen