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GdP-Pressemitteilung

Studie: „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt:innen (KViaPol)“

Mainz.

Kunz: „Kriminologe Prof. Dr. Singelnstein kritisiert mit einer nicht repräsentativen und offensichtlich methodisch fragwürdigen Studie die tragende Säule der Inneren Sicherheit und schadet dem Image der rheinland-pfälzischen Polizei. Die Hochschule der Polizei und die Wissenschaft reagieren.“

Bereits im September 2019 hatte Prof. Dr. Singelnstein der Ruhr-Universität Bochum den Zwischenbericht seiner Studie „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt:innen (KViaPol)“ vorgelegt und schaffte es, in der Medienlandschaft mit den Ergebnissen einer nicht-repräsentativen Befragung Erwähnung zu finden, wonach die Dunkelziffer rechtswidriger Polizeigewalt sehr groß zu sein schien und scheint. Während in den Sommermonaten landauf und landab über die Durchführung von Racial Profiling und über strukturellen Rassismus in den Sicherheitsbehörden diskutiert wurde, legte Prof. Dr. Singelnstein im Oktober 2020 überraschend einen weiteren Zwischenbericht - nun über scheinbaren Rassismus in der Polizei - vor. Das Abschlussergebnis lässt auf sich warten. Nach Veröffentlichung der Zwischenberichte bleibt der nicht gerechtfertigte Vorwurf, die Polizei in Deutschland sei gewalttätig und rassistisch. Im Kreis diverser Wissenschaftler:innen werden die Studie und das methodische Vorgehen von Prof. Dr. Singelstein kontrovers diskutiert und kritisiert.

Landeschefin Sabrina Kunz beschäftigt sich mit dem Forschungsvorhaben von Beginn an:
„Von Anfang an konnte der Eindruck gewonnen werden, dass bei dieser Thematik allein die Schlagzeile zählt! Selbst Prof. Dr. Singelnstein bewertet seine Studie als nicht repräsentativ. Zudem seien die Befunde „nicht ohne Weiteres verallgemeinerungsfähig“ und es handele sich um „Verdachtsfälle“ und „subjektive Einschätzungen Betroffener“. Dennoch versucht er weiterhin in der Medienlandschaft mit seinen Thesen stattzufinden. Daher freuen wir uns, dass nunmehr erste Wissenschaftler:innen die Thesen in Aufsätzen kommentieren, widerlegen und die fragwürdige Methodik analysieren. Der GdP als Vertretung der Beschäftigten wurde für ihre Kritik im letzten Jahr eine Abwehr- und Reflexhaltung unterstellt. Fest steht: wir brauchen mehr, auch eigene, Forschung, um solchen voreingenommenen Forschungsarbeiten empirisch belegbar den Nährboden zu entziehen.“

Ausgangslage

Anhaltekontrollen, Personalienfeststellungen, erkennungsdienstliche Behandlungen, Blutentnahmen, Mitnahmen zur Dienststelle oder in ein Krankenhaus, Vorführungen, Ingewahrsamnahmen, Festnahmen mit oder ohne Haftbefehl, Durchsuchungen, Sicherstellungen etc.pp.

Maßnahmen, die Polizist:innen tagein und tagaus im Dienst treffen, um Straftaten zu verfolgen oder Gefahren abzuwehren. Die GdP schätzt, dass allein die Polizei Rheinland-Pfalz am Tag 1.500 dieser gravierenden Eingriffsmaßnahmen durchführt. Hochgerechnet auf das Jahr wären das weit über eine halbe Million solcher Maßnahmen. Nach Königsteiner Schlüssel kommen nach defensiver Schätzung für die Bundesebene weit über 10 Millionen dieser Grundrechtseingriffe zusammen, denen dann die ausgewerteten, anonymen Online-Rückläufe von subjektiv Betroffenen gegenüberstehen, die Prof. Dr. Singelnstein anführt.

Landesvize Stefanie Loth zeigt sich selbstbewusst: „Allein diese quantitative Relation sollte schon dazu führen, nicht am Empörungswettbewerb in den Medien teilzunehmen.“
Außerdem müsse man wissen, wie das der Studie zugrunde liegende Zahlenmaterial zustande kommt, erklärt die heimische GdP. „Alle eingangs erwähnten Eingriffsmaßnahmen stellen sich in der ersten und formalen Betrachtung als Rechtsverletzungen dar“, erläutert Loth. Meist seien es jedoch keine Straftaten, da die Maßnahmen aufgrund der polizeilichen Befugnisse gerechtfertigt seien.
Gerechtfertigt ist dieses Handeln durch die gesetzlichen Eingriffsbefugnisse, welche die Polizei – bis hin zur Gewaltanwendung bzw. Schusswaffengebrauch – hat, da ihr das staatlich Gewaltmonopol übertragen wurde. Dies erklärt auch, warum solche Strafanzeigen gegen Polizistinnen und Polizisten ganz überwiegend eingestellt werden, besonders wenn man die Einstellungsquote im Verhältnis von anderen Strafanzeige. Die Maßnahmen waren dann – auch unter Anwendung von Gewalt – gerechtfertigt und eben keine rechtswidrige Polizeigewalt.

Kunz zeigt sich überzeugt: „Erfahrungsgemäß werden die von polizeilichen Maßnahmen Betroffenen dies möglicherweise in ihrer subjektiven Wahrnehmung anders erleben. Oftmals wird dies mit uns im Einsatz auch breit diskutiert. Denken wir an den angetrunkenen Fahrzeugführer, ob er die Blutentnahme für rechtswidrig empfindet, wenn er sich uneinsichtig zeigt oder denken wir an den seine Frau misshandelnden Ehemann, ob er das Betreten der Wohnung durch die Polizei als rechtmäßig oder rechtswidrig empfindet? Genau nach diesen Wahrnehmungen hat Prof. Dr. Singelnstein in seiner Studie gefragt.“

Polizeiwissenschaftlicher und wissenschaftlicher Forschungsstand

Die GdP im Land begrüßt und unterstützt ausdrücklich, dass auf Initiative der Polizeivizepräsidenten und des Inspekteurs der Polizei an der Hochschule der Polizei eine interdisziplinär besetzt Arbeitsgruppe mit dem Arbeitstitel „Durchsetzung polizeilicher Autorität im Rechtsstatt (AG DPAR)“ eingesetzt ist, welche sich kritisch mit der Arbeit von Prof. Dr. Singelnstein auseinandersetzt, aber auch verschiedene eigene Ansätze und Forschungsvorhaben verfolgt.

Die Arbeitsgruppe hat ihre ersten Ergebnisse an alle Polizeibehörden übermittelt und einen eigenen Intranetauftritt für die Polizeibeschäfttigten erstellt. Dort können weitergehende Informationen zur Arbeitsgruppe eingesehen werden.

In der Ausgabe 1/2021 der Fachzeitschrift „Kriminalistik“ veröffentlichten Polizeirat Martin Hoch und Psychologierat Claudio Thunsdorff – beide Angehörige der Hochschule der Polizei – einen Aufsatz mit dem Titel „Die Ausübung des Gewaltmonopols durch die Polizei und die Mär von der generellen rechtswidrigen Polizeigewalt“.
Das Fazit:
Die durch Prof. Dr. Singelnstein vorgelegten Zwischenergebnisse sind „nicht geeignet, um repräsentative, aktuelle und differenzierte Schlussfolgerungen auf die Grundgesamtheit des Untersuchungsgegenstandes zu ziehen.“ Darüber hinaus ist „mehr Wissen erforderlich über die Beurteilungskraft von Bürger/innen hinsichtlich ihrer Fähigkeit, rechtswidrige Polizeigewalt richtig einzuschätzen.“

Auch andere Wissenschaftler:innen und Disziplinen melden sich nach und nach zu Wort. So hat der Direktor a.D. des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) Prof. Dr. Christian Pfeiffer, gemeinsam mit Prof. Dr. Dirk Bayer, Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention, ZHAW, Zürich in der gleichen Ausgabe der Kriminalistik einen Beitrag unter dem Titel „Rassismus in der Polizei – Wege und Irrwege der wissenschaftlichen Forschung“ verfasst. In zahlreichen Aspekten kritisieren die beiden Experten das Vorgehen und die Schlussfolgerungen von Singelnstein in aller Deutlichkeit.
In den Sommermonaten haben sich auch andere Universitäten und Wissenschaftler:innen bei der GdP gemeldet, welche die Arbeit von Prof. Dr. Singelnstein kritisch sehen und welche das GdP-Positionspapier: „Demokratie und Polizei – wir brauchen einander!“ anerkennend zur Kenntnis genommen haben.

Ein zusammenfassender Kommentar zur KViaPol-Befragung aus der Polizei Rheinland-Pfalz:
„Die von der Ruhr-Universität Bochum, Prof. Dr. Singelnstein, durchgeführte Befragung hat mit ihrem vorgelegten Zwischenbericht den gewünschten Erfolg erzielt. Die Medien haben die verkürzten und verzerrten Aussagen der Berichterstattung aufgegriffen und die Zitate ihrerseits zugespitzt. Rausgekommen ist ein Konvolut aus laienhaft-subjektiver Einschätzung über juristisch komplexe Sachverhalte, eine mutig-gewagte Hochrechnung einer Fallzahl auf der Grundlage von Schätzungen und ein zweifelhafter Expertenstatus als Polizeikritiker – immerhin vielgefragt, im Sommer 2020, dem Jahr des Polizei-Bashings. Daneben wird es kaum verwundern, dass diese markigen Aussagen dem Glauben an unser Rechtssystem und insbesondere dem Vertrauen in Rechtstreue der deutschen Polizei und daher mittelbar der Demokratie geschadet haben dürften. Der seriösen Erforschung des Phänomens der „echten“ rechtswidrigen Polizeigewalt wurde damit kein guter Dienst erwiesen.“ (Dr. Axel Henrichs in: Kriminalistik 1/2021, S. 54).

Landesvorsitzende Sabrina Kunz kommentiert die aktuelle Situation wie folgt:
„Wer von strukturellem Rassismus oder rechtswidriger Polizeigewalt in dieser Dimension spricht oder dies auf der Grundlage dieser Zwischenberichte postuliert, diskreditiert in aller erster Linie unseren Berufsstand.“








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