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DP-Wahlcheck mit Janine Wissler (DIE LINKE)

Foto: Fraktion Die Linke/Hessischer Landtag
Foto: Fraktion Die Linke/Hessischer Landtag

An erster Stelle stehen für uns die Wiederherstellung einer bundeseinheitlichen Besoldung für alle Beamtinnen und Beamte und bessere Arbeitsbedingungen.

DP: Die GdP hat Ende April eine Wertschätzungskampagne für die Polizeibeschäftigten gestartet. Was werden Sie effektiv dazu beisteuern?
Janine Wissler: Wir unterstützen als LINKE – auch in unserem Wahlprogramm zur Bundestagswahl – ihre Forderungen nach einer besseren Wertschätzung der Arbeit der Beamten und Beamtinnen und aller Beschäftigten bei der Polizei und im öffentlichen Dienst. Dazu gehören neben Verbesserungen bei den Beamtengesetzen auch ein Tarifvertrag für alle, gleicher Lohn für gleiche Arbeit und eine bessere Bezahlung der anstrengenden und verantwortungsvollen Arbeit. Personalmangel führt zu Überstunden und gesundheitlichen Belastungen. Um Überstunden bei der Polizei abzubauen, braucht es mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen.

DP: Die Polizei ist nach Auffassung der GdP in wesentlichen Bereichen wie Besoldung und Ausstattung eine Mehrklassengesellschaft. Wie und wo wollen sie mildernd einwirken?
Wissler: Die Föderalismusreform und jahrelange Kürzungspolitik haben dazu beigetragen. Hier muss die Politik gegensteuern. An erster Stelle stehen für uns die Wiederherstellung einer bundeseinheitlichen Besoldung für alle Beamtinnen und Beamte und bessere Arbeitsbedingungen, auch um Burn-out und Konkurrenz der Bundesländer um Personal zu vermeiden. Zudem brauchen wir eine bessere Durchlässigkeit vom mittleren in den gehobenen Dienst. Auch die Digitalisierung ist eine Mammutaufgabe – hier fordern wir mehr Investitionen und entsprechendes Personal. Bei der Ausstattung sind wir offen für gemeinsame Beschaffungsvorhaben des Bundes und der Länderpolizeien – zu fairen Konditionen. Es darf nicht sein, dass sich wenige Unternehmen am öffentlichen Beschaffungswesen die Konten füllen.

DP: Warum haben wir den Eindruck, dass manche Gesetzesvorhaben durch die Gremien gepeitscht werden, ohne ausreichend auf Praxistauglichkeit abgeklopft zu werden?
Wissler: Das mag damit zu tun haben, dass die vom Bundesinnenministerium festgelegten Fristen zur Stellungnahme für Gewerkschaften und Verbände zu kurz bemessen sind, sodass für eine umfassende Stellungnahme nicht ausreichend Zeit bleibt. Und oft werden die Einwände seitens der Gewerkschaften und Verbände von den Regierungsfraktionen schlicht ignoriert. Auch die Mitbestimmung der Beschäftigten und Betroffenen in allen Bereichen des öffentlichen Dienstes wie Polizei, Bildung, Gesundheitsversorgung muss gestärkt werden. Dafür machen wir konkrete Vorschläge – unter anderem zur Stärkung der Mitbestimmungsmöglichkeiten der Personalräte in den Personalvertretungsgesetzen. Der öffentliche Dienst der Zukunft muss stärker, bürgernäher und demokratischer sein!

DP: Die „Innere Sicherheit“ ist aus unserer Sicht meist ein mit Moos besetzter Punkt auf der „Bloß-nicht-vergessen“-Liste für das anstehende Wahlprogramm. Wo ist das Lebendige, wo sind die Perspektiven?
Wissler: Wir wollen eine Polizei, die sich auf ihre Kernaufgaben in der Abwehr konkreter Gefahren und in der Strafverfolgung konzentrieren kann. Eine vielfältige, bürgerorientierte und transparente Polizei, die Kritik aus der Gesellschaft aufgreift und sich daran weiterentwickelt.
Die beste Kriminalpolitik ist eine gute Sozialpolitik. Mehr Sicherheit braucht mehr sozialen Zusammenhalt, Schutz vor Armut, mehr Sozialarbeit und einen starken Sozialstaat. Wir wollen ein verbindliches Recht auf kostenfreie Weiterbildung. Wir setzen uns für Vielfalt im öffentlichen Dienst und für Supervisionsangebote ein, die bei der Bewältigung belastender Arbeitserfahrungen helfen.
Wichtig ist für uns, eine solidarische Antwort auf die Krisen und Verunsicherungen in unserer Gesellschaft zu finden, die wir als wesentliche Ursache für steigende Gewaltbereitschaft sehen. Statt die Polizei am Ende die Scherben zusammenkehren zu lassen, sollte sich die Politik den gesellschaftlichen Ursachen von Gewalt und Kriminalität zuwenden und Präventionsprogramme im umfassenden Sinne stärken.

DP: Bei Begriffen wie Bürger- oder Erwerbstätigenversicherung schwant Beamtinnen und Beamten zu Recht Böses. Nehmen Sie uns die Sorge.
Wissler: Das Prinzip einer solidarischen Finanzierung der Sozialversicherungen bietet klare Vorteile – auch für die meisten Beamten. Zwei Beispiele: Wir wollen eine stabile gesetzliche Rente auf einem Niveau wie in Österreich schaffen. Bei der Pflegeversicherung wollen wir eine „Vollkasko-Versicherung“, die alle notwendigen Pflegeleistungen unbürokratisch übernimmt, orientiert an den individuellen Situationen und Bedürfnissen – ohne steigende Beiträge und ohne Eigenbeiträge. Hinzu kommt als Vorteil, dass Angehörige ohne Einkommen in der solidarischen Erwerbstätigenversicherung stets kostenfrei mitversichert sind, im Rahmen der beitragsfreien Familienmitversicherung. Die Länder und der Bund können zudem ihren Beamtinnen und Beamten weiter freie Heilfürsorge gewähren.
Im Übergang müssen für Beamtinnen, Beamte und andere miteinzubeziehende Gruppen wie Freiberufler, Abgeordnete und Selbstständige erworbene Anwartschaften geschützt bleiben. Außerdem steht Beamtinnen und Beamten ein dem Arbeitnehmeranteil entsprechender Vergütungsausgleich zu.

DP: Mehr als zwei Drittel der Deutschen hat nach einer GdP-Umfrage Angst vor zunehmender Internetkriminalität. Forensische Ermittler werden von der Polizei seit Jahren gesucht, Fachleute entscheiden sich aber häufig für einen Arbeitsplatz in der Wirtschaft. Warum ist das so?
Wissler: Hierfür gibt es ein Bündel an Ursachen. Ganz zentral geht es schlicht um Geld: Fachleute für forensische IT-Analyse haben in der Wirtschaft deutlich höhere Einstiegsgehälter als bei der Polizei. Der Staat wird bei den Gehältern alleine niemals konkurrenzfähig sein, das wäre auch sozial ungerecht gegenüber anderen Beschäftigten in der Polizei und im öffentlichen Dienst. Aber attraktive Arbeitsbedingungen würden helfen. Ablauforganisationen müssen flexibler werden und Gestaltungsmöglichkeiten bieten. Die Vorzüge des öffentlichen Dienstes müssen gestärkt und weiterentwickelt werden durch Vereinbarkeit von Familie und Beruf, berufsbegleitende Fort- und Weiterbildung, Mitbestimmungsrechte und gute Arbeitsbedingungen.

DP: Wir glauben, die Digitalisierung in allen Bereichen auf die Überholspur zu bringen, muss „Chefsache“ sein. Wie fangen Sie das an?
Wissler: Für DIE LINKE ist Digitalisierung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die sich durch fast alle Lebens- und Arbeitsbereiche zieht. Niemand darf abgehängt werden. Im internationalen Vergleich steht Deutschland an vielen Punkten nicht gut da, wenn es um Digitalisierung geht: Um endlich beim Breitbandausbau und dem Mobilfunknetz, bei der Digitalisierung in Schulen und in der Verwaltung aufzuholen, brauchen wir nicht nur schöne Worte und bunte Regierungswebsites, sondern endlich die nötigen Ressourcen. Wir wollen deshalb den Netzausbau mit Investitionen von zehn Milliarden Euro jährlich in ganz Deutschland fördern. Die Kommunen sollen die Netze dauerhaft in öffentlicher Hand betreiben können. Internet muss zur Grundversorgung zählen. Dazu ist aus unserer Sicht nicht unbedingt ein Digitalministerium erforderlich, sondern dass Digitalisierung in allen Ressorts eine größere Bedeutung hat und gleichzeitig übergreifende Fragen besser koordiniert werden: beispielsweise bei IT-Sicherheit, moderne IT-Infrastruktur, mehr geschultes Personal, Datenschutz. Wir setzen auf Open Source.

Janine Wissler: zur Person

Janine Wissler ist seit Februar zusammen mit Susanne Hennig-Wellsow Vorsitzende der LINKEN. Von 2001 bis 2012 absolvierte sie ein Studium der Politikwissenschaften an der Johann Wolfgang von Goethe-Universität Frankfurt am Main. Seit 2007 ist Wissler Mitglied der Partei DIE LINKE sowie im LINKE-Parteivorstand. Später amtierte sie als stellvertretende Vorsitzende. 2008 zog die Diplom-Politologin als Abgeordnete in den Hessischen Landtag ein, ein Jahr später übernahm sie den Fraktionsvorsitz der Linksfraktion
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