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„Gewalt, nein Danke“

Chance vertan oder „Der verschossene Elfmeter“

Halle.

Eine erste Nachbetrachtung zu den Ausschreitungen in der Regionalliga Nord im Jahre 2009 (siehe Deutsche Polizei 11/09) – die Gerichtsverhandlungen in Zeiten der Forderung nach härteren Strafen bei Angriffen auf Polizeibeamte

16 Monate nach der Tat erfolgten die von allen mit Spannung erwarteten Prozesse nach den gewalttätigen Übergriffen sogenannter Fußballfans auf eine Beweis- und Festnahmeeinheit (BFE) in Halle/Saale. Dazwischen lagen eine Vielzahl von Ermittlungen und u.a. erfolgreiche Öffentlichkeitsfahndungen.

Als damaliger Führer der eingesetzten BFE und gleichzeitig Geschädigter der massiven Angriffe mittels Holzlatten, scharfkantiger Blechplatten etc. hatte ich die Aufgabe vor dem Amtsgericht Halle auszusagen.

Ausgangspunkt der Prozesse war der Gewaltexzess hallescher „Fußballfans“ nach dem letzten Saisonspiel und verpassten Aufstieg in die dritte Liga in Halle (HFC – VFC Plauen am 07.06.2009).

Bei den Angriffen des halleschen Mobs wurden damals mehrere meiner Kollegen durch Wurfgeschosse, Schlag- und Stichwerkzeuge wie Kanthölzer etc. verletzt.

Das Amtsgericht Halle sprach nun die ersten Urteile. Aufgrund der geständigen Einlassung der Angeklagten sowie der im Wege des Augenscheins in die Hauptverhandlung eingeführten Lichtbilder vom Tatgeschehen stand der Sachverhalt fest. Bei der konkreten Strafzumessung ging das Gericht bei den sechs Personen zwischen 20 und 29 Jahren von einem besonders schweren Fall des Landfriedensbruchs gem. § 125a Ziffer 2 StGB aus. Die nachweisliche Tat beschränkte sich bei den Angeklagten auf das Werfen von einer oder mehrerer Holzlatten auf die eingesetzten Polizisten ohne dabei jemanden zu treffen.

Das Gericht hielt bei den zwei erwachsenen Angeklagten eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten (wohlgemerkt die Mindeststrafe) für tat- und schuldangemessen. Beide waren geständig, zeigten in der Verhandlung echte Reue und Scham über ihre Tat und beide machten in der Verhandlung auch nicht den Eindruck typischer Hooligans. Ihnen wurde weiterhin zu Gute gehalten das es sich nicht um Rädelsführer der Ausschreitungen handelte.

Und sie sind nach Aussage des Gerichts auch schon durch die verhängten Stadionverbote gestraft genug. Da beide u.a. auch über gefestigte soziale Verbindungen verfügen konnte die Strafe nach Überzeugung des Gerichts auch noch zur Bewährung ausgesetzt werden.

Vier weitere Angeklagte waren zur Tatzeit Heranwachsende, so dass hier Jugendstrafrecht (§ 105 Abs. 1 JGG) zur Anwendung kam. Dem Gericht erschien angesichts ihrer Geständigkeit und der Tatsache, dass sie zuvor niemals einschlägig aufgefallen waren, eine Auflage gem. § 15 JGG als ausreichend. Die Eintragungen aus der Vergangenheit bei zwei der Heranwachsenden wegen Diebstahls, Sachbeschädigung, Nötigung oder Fahren ohne FE möchte ich hier nicht unerwähnt lassen, auch wenn sie für das Gericht ja nicht von Belang waren.
Zu den Urteilen im Detail. Den vier Angeklagten, zur Tatzeit Heranwachsende, wurde, je nach Tatbeteiligung (ob ein oder mehrere Würfe mit Holzlatten auf die Beamten) folgendes auferlegt: 80 bzw. 100 Stunden gemeinnützige Arbeit, die anderen beiden bekamen eine Geldauflage in Höhe von 500 bzw. 600 Euro.

Was den ersten Prozessen noch fehlte, nämlich die Haupttäter (Rädelsführer), hatte eine weitere Verhandlung zu bieten. Wie sonst sollte man einen Angeklagten (ein Erwachsener!!) bezeichnen, der sich fast eine halbe Stunde darin übte, Kanthölzer auf die Beamten zu werfen, damit zu schlagen und zu stechen, seine Mitstreiter aufwiegelte und sogar Kanthölzer aufhob und an andere verteilte.

Auch dieser bzw. diese Angeklagten verließen den Gerichtssaal einzig mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, natürlich ausgesetzt auf Bewährung, im Gepäck. Zusätzlich gab es noch eine Geldstrafe in Höhe von ca. 1000 Euro. Die Begründungen des Gerichts waren analog der oben nachzulesenden, also sie waren geständig, zeigten Reue etc.!!

Die Polizei hat ihre Hausaufgaben hervorragend gemacht, jedoch lässt das Endergebnis aus meiner Sicht zu wünschen übrig.

Um mir nicht den Mund zu verbrennen möchte ich es nur so formulieren: persönlich bin ich, auch im Hinblick auf die m.E. verpasste Chance, der gestiegenen Gewalt gegen Polizisten durch eine entsprechende Strafe und der damit einhergehenden Signalwirkung entgegenzutreten, sehr enttäuscht. Es steht mir nicht zu, die Justiz, in diesem Fall das AG Halle zu kritisieren, aber es bleibt ein ganz bitterer Beigeschmack. Der Strafrahmen ist von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Wer dabei war oder sogar verletzt wurde, wie auch ich, der weiß mit welcher ungeheuren Gewaltbereitschaft und teilweisen Brutalität gegen die Polizeibeamten vorgegangen wurde. Dem Gericht sind die Vorfälle nur die Mindeststrafe bzw. ein wenig darüber hinaus wert gewesen. Mit Verlaub, mir persönlich fehlt die Vorstellung über noch schlimmere und gewalttätigere Übergriffe, die das Gericht evtl. zur Ausschöpfung des Strafrahmens verleiten würden.

In allen Gremien, auf allen Ebenen wird über die Erhöhung der Strafrahmen, die Einführung neuer Normen diskutiert, es werden Forderungen erhoben, Gesetzesänderungen auf den Weg gebracht. Unter Betrachtung der Urteile meines Erachtens nach wenig zielführend. Was nützt mir als Polizeibeamter die Erhöhung des Strafrahmens wenn der Angeklagte doch nur die Mindeststrafe erhält? So werden wir den verloren gegangenen Respekt gegenüber uns Polizisten nicht zurückgewinnen.

Wäre ich Trainer einer Fußballmannschaft und das Ganze ein Spiel, so würde ich folgendes Fazit ziehen:

Auf die druckvollen Angriffe gut reagiert, die Ordnung wieder hergestellt, das Spiel die verbleibende Zeit dominiert, den Gegner an die Wand gespielt, doch letztlich im Abschluss versagt. Und es damit versäumt für klare Verhältnisse inklusive nachhaltiger Wirkung zu sorgen.

Guido Steinert
Vorsitzender der Bezirksgruppe LBP

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