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GdP News vom 20.03.2011

Im Auslandseinsatz: EUPM - European Police Mission in Bosnia and Herzegovina

Braunschweig/Sarajevo.

Michael seit Sommer des vergangenen Jahres zum wiederholten Mal, zusammen mit seiner Frau, in einer Polizeimission auf dem Balkan. Im folgenden berichtet er von seinen Erfahrungen.

Vor dem allgegenwärtigen Thema „Afghanistan“ ist es in der öffentlichen Wahrnehmung eher ruhig um diese Missionen geworden. Dennoch gibt es hier, wenngleich mit einem unterschiedlichen Ansatz, im Hinblick auf europäische Sicherheitsstrukturen auch mehr als 15 Jahre nach Kriegsende ein wichtiges Feld internationaler polizeilicher Betätigung. Hier mein Bericht zum aktuellen Stand der Mission.

 
 

Nicole und Michael Rügenhagen, EUPM, 11.12.2010 (Foto: EUPM)
 
 

Geschichtlicher Hintergrund und politische Situation

Vor fast 20 Jahren begann der Zerfall des jugoslawischen Bundesstaates. Nach kurzen Gefechten an der slowenischen Grenze und einem blutigen Waffengang zwischen serbischen und kroatischen Truppen, insbesondere in der Krajina, griff der Krieg im April 1992 auf Bosnien-Herzegowina über. In dem über dreieinhalbjährigen, brutal geführten Konflikt zwischen serbischen, kroatischen und bosnischen Verbänden fanden mehr als 100.000 Menschen den Tod, bis der Friedensvertrag von Dayton der Aggression im November 1995 ein Ende setzte.

Das Land wurde in zwei Entitäten geteilt, die Serbische Republik (Republika Srbska) und die bosnisch-kroatische Föderation mit 10 teilautonomen Kantonen, ergänzt durch das Sonderverwaltungsgebiet Brcko, die durch einen losen Bund zusammengehalten werden. Die Atmosphäre zwischen den ethnischen Gruppen ist heute friedlich, aber distanziert.

Internationale polizeiliche Aufgaben in Bosnien und Herzegowina

Neben der militärischen Stabilisation durch IFOR- und später SFOR-Truppen (Intervention-/Stabilisation-Force) erfolgte parallel hierzu unter UN-Mandat ab Februar 1996 die Implementierung der internationalen Polizeimission IPTF (International Police Task Force) mit dem Ziel der Überwachung der Einhaltung rechtsstaatlicher Standards durch die Exekutivorgane.

Anfang 2003 übernahm die Europäische Union im Land weitestgehend die Aufgaben der Vereinten Nationen. Die militärische Komponente wurde hierbei durch EUFOR-(European Force) Truppen übernommen, die polizeiliche durch die EUPM. Diese unterstützt den Aufbau der Exekutive in Bosnien und Herzegowina mit dem perspektivischen Ziel einer vollständigen Integration in die EU. Schwerpunkt bilden hierbei drei strategische Säulen:

    • Die Unterstützung beim Kampf gegen die organisierte Kriminalität.
    • Stärkung der Verantwortlichkeit der lokalen Polizei.
    • Unterstützung bei der Durchführung polizeilicher Reformen.
Das Mandat wird durch Beratung, Anleitung und Kontrolle der mittleren und höheren Führungsebene wahrgenommen.

Konkrete Tätigkeiten in der aktuellen Mission

Zur Zeit sind ca. 90 internationale Polizeibeamte in der Mission tätig, darunter 13 deutsche. Diese sind verteilt auf die Standorte Sarajevo, Banja Luka, Tuzla und Mostar und überwiegend als Berater der lokalen Behörden im kriminal- und grenzpolizeilichen Bereich tätig.

Meine Frau Nicole arbeitet im Regional Office Sarajevo nahe der historischen Altstadt. Ihre Kernaufgaben sind:

    • Monitoring und Mentoring der jeweiligen Leiter des Departments für Organisierte Kriminalität (inklusive der Unterabteilungen Tötungsdelikte, Menschenhandel, Eigentumskriminalität und Kriegsverbrechen) und des Departments für Intelligence (Austausch, Sammlung und Weiterleitung von Informationen, Auswertung und Analyse).
    • Monitoring und Mentoring der herausragenden Ermittlungsverfahren der genannten Departments.
    • Erstellung der wöchentlichen und monatlichen Lageberichte, inklusive einer Bewertung der Geschehnisse/Entwicklungen.
    • Mitarbeit in der Arbeitsgruppe CIDA (Criminal Intelligence Data Base).
    • Mitarbeit in der Arbeitsgruppe zur Installation/Umsetzung des „National Intelligence Models“ zur Bewertung von Informationen und deren Quellen nach dem 4x4-System.
Ich bin als Berater für die „State Investigation and Protection Agency“ (SIPA) im Hauptquartier der EUPM in Sarajevo tätig. SIPA ist als gesamtstaatliche Behörde mit dem BKA, strukturell allerdings eher mit einem LKA vergleichbar. Meine Haupttätigkeiten sind:
    • Monitoring und Mentoring des Führungspersonals des SIPA Regional Office in Tuzla, hierbei u. a. Begleitung herausragender Ermittlungsverfahren mit Bezug zur Organisierten Kriminalität und Korruption, ermittlungs- und einsatztaktische Beratung.
    • Beratung der Ermittlungseinheiten der State Agency bei allen verdeckten Ermittlungen, insbesondere beim Einsatz von VP'en/VE'n.
    • Monitoring und Mentoring der landesweit eingesetzten „Prison Liaison Officers“ (sollen polizeilich relevante Informationen über feste Ansprechpartner in den Strafanstalten sammeln).
    • Unterstützung der „Anti Corruption Experts“ der EUPM zur Implementierung entsprechender europäischer Standards in SIPA.
    • Teilnahme an der Arbeitsgruppe „Data Exchange“.
    • Teilnahme an der Arbeitsgruppe „Informant Handling Policy“ (zur Erstellung neuer Regelungen in Bezug auf den Umgang mit Informanten/VP'en).
Perspektiven

Die Standards (kriminal-)polizeilicher Arbeit in Bosnien und Herzegowina sind nach allgemeiner internationaler Auffassung inzwischen als hoch einzustufen. Diese dürften in den meisten Bereichen den deutschen kaum nachstehen und sind wahrscheinlich höher als in einigen EU-Mitgliedsstaaten. Probleme gibt es vor allem im höheren Management, was zum einen einer „Unternehmenskultur“ mit ihren Wurzeln in alten, autoritär-sozialistischen Strukturen, zum anderen der ausgeprägten politischen Einflussnahme geschuldet ist. Ansätze zu erheblichen Verbesserungen existieren sicher auch noch im Bereich der Staatsanwaltschaften.

Des weiteren ist Korruption auf dem Balkan und in den Staaten Ex-Jugoslawiens nach wie vor ein Thema und verdient auch in den nächsten Jahren noch die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft und insbesondere der EU.

Ein Hemmnis für die Weiterentwicklung des Staatsapparates, gerade auch im exekutiven Bereich, liegt in den im Friedensvertrag von Dayton geschaffenen Strukturen. Die teilautonome, zentralistisch regierte Republika Srbska und die in zehn Kantone mit einem immensen Verwaltungsapparat zersplitterte bosnisch-kroatische Föderation entfernen sich mehr und mehr voneinander. Ein aus gegenseitigen Misstrauen resultierender, äußerst mangelhafter Informationsaustausch und Probleme in der polizeilichen Zusammenarbeit sind die Folge. Eine von der EU initiierte Polizeireform, die eine Straffung des exekutiven Apparates bewirkt hätte, scheiterte Anfang 2007 nahezu in Gänze an ethnisch-politischen Widerständen. Seitdem wird versucht, in anderer Weise Strukturen zu schaffen, die eine enge Zusammenarbeit der landesweiten Polizeibehörden unterstützt bzw. sicherstellt. Dies ist eine Grundvoraussetzung, um das Land näher an die EU, mit dem langfristigen Ziel einer Vollmitgliedschaft, heranzuführen. Ausgang offen – den sympathischen Menschen in diesem schönen Land wäre es zu wünschen.

 

Foto: EUPM

Zur Person

Nicole Rügenhagen Kriminaloberkommissarin, 38, Angehörige der ZKI der PD Braunschweig. In der EUPM seit August 2010, eine vorherige Mission im Kosovo (UNMIK) 2006/2007.

Michael Rügenhagen Kriminalhauptkommissar, 51, Angehöriger der PI Braunschweig. In der EUPM aktuell seit Juli 2010, vorherige Missionen im Kosovo (UNMIK) 2003 und 2006/2007 sowie in Bosnien und Herzegowina (EUPM) 2008/2009.

 
 
 
Michael Rügenhagen mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten, Christian Wulff
Foto: EUPM
 

Sarajevo
(Bildquelle: Wikimedia [Originally from en.wikipedia; description page is/was here. Original uploader was Kahriman at en.wikipedia Licensed under the GFDL by the author; Released under the GNU Free Documentation License.])
 
Externe weiterführende Links:
  • European Union Police Mission in Bosnia and Herzegovina: Who is Who >>>
  • Der Zerfall Jugoslawiens 1989 bis 2008, Animation >>>
  • Karte von Bosnien und Herzegovina >>>
 
 

Textautor: Michael Rügenhagen, Sarajevo, Februar 2011

Redaktion: Uwe Robra

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