Zum Inhalt wechseln

Aktuelle Rechtslage & Geltendmachung von Besoldungsansprüchen in Hessen 2023

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, immer zum Jahresende stellt sich die Frage, ob Beamtinnen und Beamte mit Blick auf die Amtsangemessenheit der Besoldungshöhe (erneut) Ansprüche geltend machen sollten. Wir informieren und geben eine Entscheidungshilfe. Eine ausführliche Erklärung sowie die Musterwidersprüche findet ihr ganz unten auf dieser Seite.

Der Landtag hat im Februar 2023 ein Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz für 2023 und 2024 beschlossen, mit einer Erhöhung von Besoldung und Versorgung im Jahr 2023 um insgesamt 4,89 Prozent und im Jahr 2024 um noch einmal 3 Prozent sowie mit weiteren Maßnahmen, die sich auf die Besoldung auswirken. Zudem hat der Innenminister bis einschließlich 2022 auf die zeitnahe Geltendmachung verzichtet, so dass die Beamtinnen und Beamten des Landes Hessen mögliche Ansprüche nicht in jedem Kalenderjahr geltend machen mussten. Durch die Neuregelung der Besoldung für die Jahre 2023 und 2024 gibt es nun eine neu zu bewertende Rechtslage.

Wir empfehlen folgenden Gruppen vor dem 31.12.2023 einen Antrag auf amtsangemessene Alimentation für das Jahr 2023 und die Folgejahre zu stellen:


    · Beamtinnen und Beamte des Landes Hessen, die in den vergangenen Jahren seit 2016/2017 keinen Antrag gestellt haben/in Widerspruch gegangen sind (insbesondere weil erst danach die Verbeamtung erfolgte),

    · Beamtinnen und Beamte der Hessischen Kommunen oder anderer hessischer Dienstherren, bei denen der Dienstherr generell oder im Einzelfall nicht auf die zeitnahe Geltendmachung verzichtet hat,

    · Beamtinnen und Beamte mit drei oder mehr Kindern,

    · rein vorsorglich Beamtinnen und Beamte des Landes Hessen die bereits Widerspruch erhoben haben, falls der Dienstherr keinen Verzicht auf die zeitnahe Geltendmachung bis zum Jahresende erklärt.


Nachstehend ein Überblick über den aktuellen Sachstand:

Allgemeines

Im Besoldungsrecht gilt der Grundsatz der „zeitnahen Geltendmachung“. D. h., wer mit seiner oder ihrer Besoldung nicht einverstanden ist, weil sie bzw. er diese z. B. für verfassungswidrig zu niedrig hält, muss eine verfassungsgemäße Besoldung „zeitnah“ (im Laufe eines Kalenderjahres) geltend machen. Der Anspruch wirkt dann, soweit berechtigt, auf den Anfang des Haushaltsjahres zurück. Die Geltendmachung wirkt grundsätzlich so lange, wie die angegriffene Rechtslage gilt. Bei einer neuen Entwicklung, z. B. der Erhöhung der Besoldung im laufenden Jahr, ist evtl. der Anspruch erneut geltend zu machen.

Parallel dazu ist die besoldungsrechtliche Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 13 HBesG zu beachten (§ 13 Satz 2 HBesG i. V. m. §§ 199 Abs. 1; 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Trotz einer Geltendmachung muss deshalb ggf. der Anspruch gerichtlich geltend gemacht werden, damit er nicht verfällt. Das gilt nicht, wenn der Dienstherr entweder generell, z. B. durch einen Erlass oder im Einzelfall schriftlich und damit nachweisbar erklärt, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten. In diesem Fall muss die Beamtin bzw. der Beamte nicht innerhalb von drei Jahren gerichtlich gegen den ablehnenden Bescheid des Dienstherrn vorgehen.

Aktuelle Rechtsprechung zur Besoldung

Die DGB-Gewerkschaften kritisieren Landesregierung und Landtag weiterhin nachdrücklich für die Besoldungsentwicklung in den Jahren 2015 bis 2018 (u. a. Null-Runden und 1 Prozent Steigerung). Viele Kolleginnen und Kollegen haben gegen ihre Besoldung Widerspruch eingelegt. Die GdP hat bereits 2017 Musterklagen vor allen fünf hessischen Verwaltungsgerichten eingereicht, die Verfahren sind bis zur Entscheidung des BVerfG ausgesetzt. Unter den Verfahren ist explizit auch eines indem es um die Alimentation eines Beamten mit vier Kindern geht.

Im Jahr 2021 hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass die Beamtenbesoldung in Hessen in den Jahren 2013 bis 2020 nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprochen hat und dem Bundesverfassungsgericht ein die Besoldung nach A 6 betreffendes sowie ein Besoldung nach W 2 betreffendes Verfahren zur abschließenden Entscheidung vorgelegt.

Entschieden wurde am 30.11.2021, dass ein nach A 6 besoldeter Justizbeamter seit mindestens 2016 nicht verfassungsgemäß besoldet wurde. Der VGH ermittelte, dass das Mindestabstandsgebot in keinem der überprüften Jahre eingehalten wurde. In den unteren Besoldungsgruppen wurde das Grundsicherungsniveau sogar unterschritten!

Ein derartiger Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot betrifft das gesamte Besoldungsgefüge, da sich der vom Gesetzgeber gesetzte Ausgangspunkt für die Besoldungsstaffelung als fehlerhaft erweist. Somit hat der VGH auch die Verfassungswidrigkeit der Besoldung einer nach W 2 besoldeten Professorin zwischen 2013 und 2020 festgestellt.

Bei den Klageverfahren geht es ausschließlich um hessisches Recht (HBesG, Besoldungsanpassungsgesetze), gleichwohl leitet sich der Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation aus Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz ab. Da die abschließende Beurteilung der Frage, ob eine Regelung gegen das Grundgesetz verstößt, allein dem Bundesverfassungsgericht zukommt, hat der VGH die Verfahren dem BVerfG zur abschließenden Entscheidung vorgelegt.

Die Maßnahmen im Jahr 2023

Mit dem Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz für 2023 und 2024 (Landtags-Drucksache 20/9499) wurden die Besoldung und die Versorgung zum 01. April 2023 um 3 Prozent erhöht. Zum 1. Januar 2024 erfolgt eine weitere Anhebung um 3 Prozent. Zusätzlich wurden die Ergebnisse der Tarifeinigung für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes des Landes Hessen vom 15. Oktober 2021 zeitgleich und „systemgerecht“ auf die Beamt*innen übertragen. Das bedeutete noch einmal eine lineare Erhöhung um 2,2 Prozent ab 01. August 2022 und um 1,89 Prozent ab 01. August 2023. Außerdem wurden die Besoldungsgruppe A 5 gestrichen, die R-Besoldung neu geordnet und die Kinderzuschläge moderat um je 100 € für das erste und zweite Kind sowie deutlich um je 300 € für das dritte und jedes weitere Kind erhöht.

Das reicht sehr wahrscheinlich nicht:


    · Der HessVGH hat berechnet, dass im Jahr 2019 die Besoldungshöhe in der Besoldungsgruppe A 5 Stufe 1 um 9,5 Prozent unterhalb des Grundsicherungsniveaus lag.

    · Zwischenzeitlich ist die Besoldungsgruppe A 6 maßgeblicher Ausgangspunkt der Besoldungsstaffelung. Im Jahr 2019 betrug der Unterschied zwischen A 5 Stufe 1 und A 6 Stufe 1 2,2 Prozent.

    · Zum 01. März 2019 wurde die Besoldung um 3,2 Prozent erhöht, zum 01. Februar 2020 ebenfalls um 3,2 Prozent, zum 01. Januar 2021 um 1,4 Prozent. Ab 01. August 2022 erfolgte eine Anhebung um 2,2 Prozent. Hinzu kam eine Corona-Sonderzahlungen in Höhe von insgesamt 1000 € (in den Jahren 2021 und 2022) Schließlich wurde die Besoldung im Jahr 2023 um insgesamt 4,89 Prozent angehoben.

    · Gleichzeitig sind die Grundsicherungsleistungen seit 2019 deutlich erhöht wurden, da insbesondere die Kostensteigerungen bei Energie und Lebensmitteln arme Haushalte besonders betreffen.

    · Auch die Wohnkosten sind seit 2019 deutlich angestiegen.


Hier soll keine „Besoldungsrechnung“ angestellt werden. Die Pflicht, rechnerisch nachzuweisen, dass die Besoldung den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht, trifft die Landesregierung bzw. den Gesetzgeber. Auch dem genügt das Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz 2023/2024 nicht.

    · Die Landesregierung und der Gesetzgeber rechtfertigen die zu niedrige Besoldung lediglich mit pauschalen Hinweisen auf den „weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers“ und eine Abwägung mit „gleichrangigen Rechtsgütern“.


Die Zusammenstellung verdeutlich aber, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen wahrscheinlich weiterhin nicht eingehalten werden und die hessischen Beamtinnen und Beamten in ihrem subjektiven Recht auf amtsangemessene Alimentation verletzt sein dürften.

Das sieht die Landesregierung letztendlich genauso: Laut Gesetzentwurf sollten im Jahr 2023 „erste Maßnahmen zur Behebung des bestehenden Alimentationsdefizits ergriffen werden“, „im Rahmen des derzeit Haushaltsmöglichen (…) in zwei ersten Schritten auf dem Weg hin zu einer vollumfänglich verfassungsgemäßen Alimentation im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG“.

Und seitdem? Nichts!

Für die Jahre 2023 und 2024 ist kein zusätzliches Geld im Landeshaushalt für weitere Schritte zur Besoldungsanpassung eingeplant. Es wurden auch keine Rückstellungen für Nachzahlungen gebildet. Zum Umgang mit den 124.000 offenen Widersprüchen kommt von der Landesregierung kein Wort. Auf unsere Aufforderung, weiterhin auf die zeitnahe Geltendmachung zu verzichten, hat der Noch-Innenminister nicht reagiert.

Wer sollte im Jahr 2023 eine verfassungskonforme Alimentation geltend machen?

Jetzt sollten Beamtinnen und Beamte mit drei oder mehr Kindern, Beamtinnen und Beamte des Landes Hessen, die in den Jahren 2016/2017 keine Anträge gestellt haben, u.a. weil sie erst später verbeamtet wurden sowie Beamtinnen und Beamte anderer Dienstherren, die nach dem Hessischen Besoldungsgesetz besoldet werden, Ansprüche gegenüber dem jeweiligen Dienstherrn geltend machen. Beamtinnen und Beamte, die in den zurückliegenden Jahren bereits Anträge gestellt haben, können dies vorsorglich erneut tun, wenn sich abzeichnet, dass der Dienstherr seine Zusage nicht aufrechterhält, auf die zeitnahe Geltendmachung zu verzichten.

Ob eine Beamtin bzw. ein Beamter nicht verfassungskonform alimentiert wird, richtet sich nach dem Einzelfall. Dem Gesetzgeber steht ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Er ist daher nicht verpflichtet, die Grundgehaltsbeträge umfassend zu erhöhen. Er steht aber klar in der Pflicht, die Besoldung verfassungskonform auszugestalten, diese Ausgestaltung nach den Kriterien des BVerfG hinreichend zu begründen sowie Lösungen für Ansprüche aus den Jahren seit 2016 zu finden. Das fordern die DGB-Gewerkschaften für ihre Mitglieder ein! Gerechte Besoldung jetzt!

Musterwidersprüche findet Ihr hier für die Geltendmachung für Landesbeamt*innen (Aktive Beamt*innen, Versorgungsempfänger, Besoldung bei drei und mehr Kindern):

Für Beamt*innen die keine Landesbediensteten sind gibt es drei Muster als World-Dateien, dort ist oben die zuständige Bezügestelle einzutragen. Diese dürfte auf dem Bezügenachweis zu finden sein.

>>> DGB-Flugblatt Geltendmachung 2023 <<<

>>> Besoldung 2023_Alimentation ab drittem Kind_Musterantrag_Landesbeamte <<<

>>> Besoldung 2023_Alimentation ab drittem Kind_Musterantrag_Kommunalbeamte <<<

>>> Besoldung 2023_Musterantrag_Aktive_Landesbeamte <<<

>>> Besoldung 2023_Musterantrag_Aktive_Kommunalbeamte <<<

>>> Besoldung 2023_Musterantrag_Versorgung_Landesbeamte <<<

>>> Besoldung 2023_Musterantrag_Versorgung_Kommunalbeamte <<<

This link is for the Robots and should not be seen.