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Rechtsstaatliches Handeln und darauffolgende Konsequenzen muss eine Demokratie aushalten

Rechtsextreme haben innerhalb der hessischen Polizei keinen Platz

In der Online-Ausgabe der Frankfurter Rundschau hat Professor Singelnstein eine Bewertung über den Zustand der hessischen Polizei abgegeben. Das wollen wir nicht unkommentiert lassen: Tobias Singelnstein sieht in Hessen „einen gewissen Anteil an rechtsextremen Polizisten“ 

Stellungnahme zum Interview Prof. Singelnstein

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fühlt sich von der kritischen Bewertung der polizeilichen Arbeit im Interview mit der FR durch Herrn Singelnstein pauschal und zu Unrecht diffamiert! In unseren Reihen gibt es eben keinen Anteil an Rechtsextremen! Der Rechtsstaat muss auch für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten gelten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wenn Ermittlungen im strafrechtlichen Bereich nicht abgeschlossen sind, dann ist es so. Das ist Sache der Justiz. Disziplinarverfahren schließen sich erst an abgeschlossene Strafverfahren an.

Wir sind es als Polizei durchaus gewohnt, bei jeder Amtshandlung in der Öffentlichkeit kritisiert zu werden. Niemand ist froh darüber, wenn ein Fehlverhalten durch die Polizei bekannt und sanktioniert wird. Weder in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren noch in einem Strafverfahren. Die von Herrn Singelnstein aufgestellte These, dass Menschen mit Migrationshintergrund der Polizei weniger Vertrauen, ist undifferenziert und nicht belegt. Wir tolerieren in unseren Reihen weder Rassisten noch Antidemokraten.

Die Vorschläge der Expertenkommission sind im Volumen messbar. Das bloße abarbeiten von Ziffern ist das eine, die Implementierung der Expertenkommissionsvorschläge in den Alltag der Polizei das andere. Nehmen wir das Leitbild. Ein Beteiligungsprozess in der Polizei hat stattgefunden und das neue Leitbild wurde in vielen öffentlichkeitswirksamen Prozessen nach Innen geführt. Ob und in welcher Tiefe das Leitbild bei unseren Kolleginnen und Kollegen angekommen ist, kann man nicht von „außen beurteilen“. In jeder Uniform steckt auch ein Mensch! Der Faktor Mensch mit all seinen Facetten findet bei den Bewertungen von Herrn Singelnstein kaum Berücksichtigung. Wir sind eine rechtsstaatliche, zivile Bürgerpolizei, die sich streng nach Recht und Gesetz verhält. Das ist unsere DNA und das sind die Regeln!

Es kann der Eindruck entstehen, wir hätten es hierzulande mit einer Polizei zu tun, die sich regelmäßig außerhalb des Gesetzes bewegt. Dieser Eindruck ist ausdrücklich falsch. Angesichts von Tausenden Einsätzen jährlich, von denen ein steigender Teil konfliktträchtige Situationen für unsere Kolleginnen und Kollegen vorhält, halten wir es für – mindestens –gewagt, mit einer Fallzahl von „Gewalt durch Polizeivollzugsbeamte“ aufzuwarten, die im Promillebereich liegt. Wir sagen nicht, dass es keine Übergriffe gibt, dies wäre vermessen. Aber wenn die Polizei handelt, dann müssen wir zunächst die Frage stellen, was ist denn überhaupt passiert und wie lautet die Definition für Polizeigewalt.

Die Anwendung von Zwang/Zwangsmitteln kann nicht pauschal als Polizeigewalt diffamiert werden. Wichtig ist, stets situationsangepasst zu handeln und das mildeste Mittel zu wählen. Die Verhältnismäßigkeit ist unumstößlich und stets gegenständlich, wenn Staatsanwaltschaften und Gerichte den Einsatz unserer Kolleginnen und Kollegen auf den Prüfstand stellen. Wir müssen situationsangepasst in Sekundenschnelle agieren und Entscheidungen treffen. Vor Gericht kann man dann Tagelang die polizeilichen Maßnahmen bewerten! Die derzeitigen Umfragewerte namhafter Wahlforschungsinstitute sehen die AfD bei den anstehenden Landtags- und Bundestagswahlen im deutlichen Aufwind. Ist deswegen die Gesellschaft in Deutschland in einem Auflösungs- oder Erosionsprozess? Auch das muss eine Demokratie wie unsere aushalten: radikalen Tendenzen widersprechen und demokratische Strukturen mit allem, was erlaubt ist, verteidigen! Dies ist das oberste Credo. Nun Pauschal der Polizei zu unterstellen, dass in unseren Reihen die Zustimmungswerte ähnlich hoch sind, ist eine bloße Unterstellung. Leicht zu sagen: Die Polizei ist ein Spiegelbild der Gesellschaft.

Wie sieht es in der Polizei aus?

Nach der HKE-Studie verorten sich die meisten Polizeibediensteten in der demokratischen Mitte; nur wenige gaben an, sich selbst als ausgeprägt rechts oder links einzustufen. Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sprechen sich nach dieser Studie Polizeibedienstete sogar deutlicher für Demokratie und Toleranz aus als der Bevölkerungsdurchschnitt. Die als ein einzelnes, aber zentrales Kriterium für rechtsextremistische Einstellung genutzte Frage nach der „Übertreibung nationalsozialistischer Verbrechen“ erhält eine Zustimmung von 3,4 %, gegenüber 6,4 % in der deutschen Wohnbevölkerung (Frühjahr 2020). Die eher interpretationsoffene Frage nach einer „Islamisierung Deutschlands“ findet in der hessischen Polizei bei 28 % Zustimmung, in der Bevölkerung bei 36 %. Dieser Befund ist grundsätzlich positiv und deutet darauf hin, dass die Polizei nicht ein Spiegel der Gesamtbevölkerung ist, sondern vielmehr einen besonders demokratiebefürwortenden Ausschnitt der Gesellschaft repräsentiert. Hessisches Informations- und Kompetenzzentrum gegen Extremismus (HKE) im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport, Polizeiliche Alltagserfahrungen – Herausforderungen und Erfordernisse einer lernenden Organisation - Forschungsbericht 2020, S. 6 sowie S. 17 ff.An der Befragung haben 4.277 der ca. 17.000 Beschäftigten (ohne Studierende, externe Mitarbeitende, Praktikant:innen etc.) der hessischen Polizei teilgenommen. Das entspricht 25 %. Dabei zeigte sich, dass ein Tranchen-Versand offenbar fehlerhaft war und insgesamt 2.524 Polizeibeschäftigte nicht an der Befragung teilnehmen konnten, da sie die Aufforderungsmail zur Teilnahme nicht erhalten hatten. Davon waren insbesondere Beschäftigte des Hessischen Bereitschaftspolizeipräsidiums betroffen. Im Forschungsbericht 2020 des HKE wird nach Analyse der Stichprobenzusammensetzung erklärt, dass die Ergebnisse verwertbar und praktische Maßnahmen daraus ableitbar seien, da die Stichprobe die Zusammensetzung der hessischen Polizei insgesamt adäquat spiegele (4.2 Methodisches Vorgehen). (Auszug aus dem Bericht der Expertenkommission, Seite 29,30)

Wir haben uns an Recht und Gesetz zu halten. Persönliches hat bei der Dienstausübung nichts zu suchen. Ob es mir passt oder nicht: Wir müssen die genehmigten Demonstrationen von Links- und Rechtsaußen schützen, wenn es der Rechtsstaat so vorgibt. Alle Menschen sind gleich. Wenn Straftaten festgestellt werden, Zeugen und Beschuldigte bekannt werden, sind Personalien zu erfassen. Es müssen revisionssicher Identitäten festgestellt werden. Ist das Ethnisierung, wenn Staatsangehörigkeiten von Straftätern festgestellt und ggf. öffentlich bekannt werden? Beispielsweise bei den Krawallen am Opernplatz in Frankfurt am Main im Juli 2020 und unmittelbar in dessen Nachgang stellte der damalige Polizeipräsident Bereswill in einer Pressekonferenz klar, dass es sich beim Großteil der dort überprüften Menschen um deutsche und in der Mehrzahl nichtdeutsche handelte. Nicht mehr aber auch nicht weniger.

Das muss eine Demokratie aushalten. Problembehaftete Dienststellen gibt es nicht nur in Frankfurt. Das hat alles was mit Arbeitsaufkommen und Alltagserfahrungen zu tun. Im Übrigen hat sich dazu die Expertenkommission positioniert. Wenn die Maßnahmen Herrn Singelnstein nicht gefallen, ist das seine Einschätzung.

Die Leitplanken polizeilicher Arbeit sind in einem Rechtsstaat genau beschrieben. Man kann sich sicherlich darüber Gedanken machen, welche Aufgaben mittelbaren oder unmittelbaren Polizeibezug haben. Es wäre den meisten meiner Kolleginnen und Kollegen mehr als Recht, wenn die zuständigen Ämter und Behörden, beispielsweise im Bereich Ausländeramt, Jugendamt und Waffenerlaubnisbehörden 24 / 7 Dienst versehen könnten.

Bleibt aber leider nur ein Wunschtraum. Auch in unseren Reihen.

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