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Eindrücke zur Fachtagung „Grenzsituationen der Kriminalitätsbekämpfung“

Das Plenum lauschte der Podiumsdiskussion 'Erfolgreiche Bewältigung von Belastungssituationen'. Foto: Kay Herschelmann.

Ende November hatten wir mit mehreren Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Hessen die Gelegenheit, die zweitägige Fachtagung „Grenzsituationen in der Kriminalitätsbekämpfung“ in Berlin zu besuchen.

Kolleginnen und Kollegen aus dem gesamten Bundesgebiet waren eingeladen, im Rahmen des 40-jährigen Jubiläums der Zeitschrift „Die Kriminalpolizei“ die angebotenen Fachvorträge zu besuchen und sich aktiv an der Debatte im Anschluss an eine Podiumsdiskussion zu beteiligen.

Die Themen, welche für die Veranstaltung ausgewählt worden sind, zeigen deutlich, in welcher Vielfalt belastenden Situationen im Berufsalltag der Kriminalpolizei vorkommen. Ob der Arbeitsdruck bei der Bewältigung von Massenkriminalität, die Bearbeitung von sexualisierter Gewalt zum Nachteil von Kindern oder die Ermittlungsarbeit in Todesermittlungsverfahren, im Fazit wurde dem Publikum gleichermaßen deutlich, wie extrem und bedrückend der polizeiliche Arbeitsalltag werden kann.

Ein Statement ist mir hierbei besonders in Erinnerung geblieben, welches KHK´in Andrea Schütte von der HÖMS in ihrem Vortrag zum Thema „Kindesmissbrauch, sexueller Missbrauch und Kinderpornografie“ dem Publikum mitgab: „Kleine Kinder wimmern und Täter dabei stöhnen zu hören, das nimmt man nicht nur nach Feierabend mit nach Hause. So etwas und die intensive Auseinandersetzung dramatischer Lebensgeschichten von extrem Schutzbedürftigen kann einen bis ans Lebensende begleiten“.

Eine große Anzahl der Polizeibeschäftigten hat schon ein- oder mehrmals eine dienstliche Situation erleben müssen, welche man nicht einfach so nach Dienstschluss mit der Waffe ins Schließfach legen kann. Die Belastungen sind hierbei genauso vielfältig, wie die Ereignisse, welche damit verbunden sein können und vieles behält man länger in Erinnerung, als einem lieb ist.

Folgerichtig befasste sich ein Vortrag mit dem Thema Bewältigungsstrategien und Prävention, um Belastungen verarbeiten zu können, damit sie nicht am Ende in Krankheit und Dienstunfähigkeit enden – ein Szenario, welches sich nur allzu häufig abspielt.

Das „Grenzsituationen“ aber auch aus völlig anderem Grund entstehen können, wurde in dem Vortragsteil „Medien als Stressfaktor“ aufgearbeitet. Karsten Bech gab dem Publikum in seiner Funktion als Vorsitzender des Hauptpersonalrats des Landes Hessen hierzu einen Einblick in diesen Bereich, welchen er anhand von Fallbeispielen eindrucksvoll darstellte.

Insgesamt hat diese Veranstaltung deutlich gemacht, dass sich die Arbeitgeber des Problems dringen annehmen müssen, um zu vermeiden, dass Bedienstete der Kriminalpolizei durch Überlastung erkranken und hierdurch irgendwann dauerhaft auszufallen drohen. Finanzielle Entschädigung in Form einer Belastungszulage für besonders belastende Tätigkeiten sind hierbei nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Eine ausreichende Ausstattung mit Personal und Technik gehört mindestens im gleichen Maß berücksichtigt, wie der Rückhalt der Politik – wie in allen Teilen der Polizei. Für diese Ziele werden wir als GdP gemeinsam weiterkämpfen. Das Format dieser Veranstaltung war hierfür eine wertvolle Plattform.

Lars Elsebach,
Bundesfachausschuss Kriminalpolizei - Vorsitzender -
Bezirksgruppe Nordhessen

Mit großer Vorfreude über einen Teilnahmeplatz unserer Bezirksgruppe Mittelhessen an der Veranstaltung reiste ich am 21.11.2023 stellvertretend in Berlin an.

Bereits innerhalb der Begrüßungsworte durch Jochen Kopelke wurden erste Aussichten auf die Inhalte der anstehenden Veranstaltung bekannt. Im Vordergrund stand das 40-jährige Jubiläum der Zeitschrift „Die Kriminalpolizei“, wobei auch hier Hartmut Brenneisen seine Grußworte an die Teilnehmer im grün-erleuchteten Tagungssaal richtete.

Darüber hinaus wurden innerhalb der Begrüßungsworte durch Jochen Kopelke die aktuell gesellschaftspolitischen Themen im polizeilichen Kontext angesprochen, wie beispielsweise eine bundesweite einheitliche Gesetzgebung i. S. Versammlungsrecht, die bereits erfolgreich debattierten §§ 113, 114 StGB, den fortschreitenden Digitalisierungsbedarf sowie die Bekämpfung der Massenkriminalität.

Mit über 200.000 Mitgliedern beschrieb Jochen Kopelke eine immer stetig wachsende Solidargemeinschaft, die sich u. a. für die eben beschriebenen Themen einsetzen und stark machen wird.

Echte Belastungen und wirksame Empfehlungen - Massenkriminalität

Friedel Durben und Jörg Wilhelm referierten stellvertretend für die Polizei in Rheinland-Pfalz über das Zusammenwirken einzelner eingerichteter AGen und Teilprojekte, welche zusammengefasst die Anforderung an die Resilienz der Kolleg*innen in Bezug auf die Bearbeitung von Massenkriminalität erfassen sollen. Dahingehend sollen Lösungsansätze u.a. innerhalb Expertennetzwerken unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Megatrends erarbeitet werden. Das Projekt würde unter Bezugnahme auf erhoben Studienergebnissen der Uni Trier und der Teilnahme von rund 300 Kollegen einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, um Abläufe anzupassen und ggf. eine Umstrukturierung innerhalb der Organisationsstruktur vorzunehmen. „Tat-, Täter- und Serviceorientiert“, um Belastungsspitzen abzufangen.

Die Thematik erweckte mein besonderes Interesse, da ich aus meiner vergangenen, dienstlichen Verwendung und Tätigkeitserfahrung zumindest temporär beurteilen kann, was ebendiese angesprochene Resilienz i.Z.m. der Arbeit innerhalb einer Organisationeinheit in der Sachbearbeitung/ Bewältigung von Deliktsfeldern der Massenkriminalität einhergehend mit der angespannten Personalstruktur bedeutet. Beeindruckt über die Initiative und Energie zur Erfassung der Problematik sowie „kompetenz- und anforderungsorientiert“ zu agieren, konnte ich vergleichend mit den hessischen Strukturen allerdings bereits erste positive Aspekte in der Umsetzung wahrnehmen.

Fazit: Die Qualität und der persönliche Anspruch der Vorgangsbearbeitung dürfen unter keinen Umständen aufgrund der vorgenannten Gegebenheiten leiden. Der Vortrag verdeutlichte einmal mehr, dass der Anspruch an einen „guten Polizisten“ stetig steigt und (qualitativ/quantitativ) immer mehr abverlangt wird. Unter Einhaltung der vorgenannten Faktoren steht und fällt die fortwährende persönliche Zufriedenheit und Identifikation mit dem Polizeiberuf.

Kindesmissbrauch – „Unantastbar“

Der darauffolgende Redebeitrag sollte neben den zunächst sehr sachlich vorgestellten Themen eine Wendung darstellen. Nachdem Kriminalhauptkommissarin Andrea Schütte das Wort ergriff und auf 30 Jahre Ermittlungsarbeit in dem Themenfeld zurückblickte, kehrte gänzlich Stille im gut gefüllten Tagungssaal ein.

Bereits innerhalb der vorangegangenen 45 KW. konnte ich an einem Wochen-Seminar von Andrea Schütte an der HöMS teilnehmen und ihre persönliche Identifikation mit dem Thema wahrnehmen.

Ergreifend, realitätsnah und gänzlich ungeschönt wurden die Schattenseiten der Ermittlungsarbeit durch Andrea Schütte aufgezeigt, die bis ins Privatleben ragen. Einhergehend und verknüpfend konnte ich Parallelen zur vorangegangenen Massenkriminalität dahingehend herleiten, dass auch das Thema der Häuslichen Gewalt und oftmals einhergehender, betroffener und schutzbedürftiger Kinder große Schnittmengen aufweist und daher den Ermittlern enorme Sensibilität abverlangt.

Auch diese angesprochenen Themen kann ich aufgrund meiner polizeilichen Tätigkeit sehr gut nachvollziehen. Sie verdeutlicht die Wichtigkeit der vorgenannten Resilienz in Bezug auf die Thematik der Vorgangsbearbeitung.

Lars Oeffner aus dem LKA Schleswig-Holstein stellte anknüpfend den Einsatz von künstlicher Intelligenz insbesondere im Zusammenhang mit der Sachbearbeitung von sog. „NCMEC-Verfahren“ und entsprechender „Griffeye-Hashwerte“ vor.

Die Anwendungsmöglichkeiten von KI erschien mir nach der Vorstellung durch Lars Offner aktuell bei sog. „Hands-Off-Delikten“ nicht als tatsächliche Entlastung der Kollegen, da die Software einer Weiterentwicklung unter wissenschaftlicher Begleitung bedarf, um ohne abschließende Sichtung und menschlicher Qualitätskontrolle verlässlich einzusetzen ist.

Medien als Stressfaktor

Leicht hatte es der Moderator Christoph Tiegel nun nicht, um mit den anknüpfenden Tagesordnungspunkten fortzufahren.

Jana Reuter (Pressesprecherin des MIKWS) Schleswig-Holstein gelang es, einen komprimierten Einblick in die Zusammenarbeit/ Problematiken zwischen Polizei und Presse zu gewähren. Die zuvor innerhalb des Vortrages angesprochene „Zwangsehe“ wurde dahingehend durch die anwesende Kathrin Gräbner (Chief of desk – Senior Editor bei RTL) entkräftet und eine überwiegend harmonische Zusammenarbeit zwischen Polizei und Presse beschrieben. Die Problematiken würden dabei durch in der Bevölkerung teilweise aus dem Zusammenhang gerissenen, veröffentlichten Bilder und Texte entstehen.

Karsten Bech (HPR) rundete den Beitrag aus Personalratssicht ab.

Belastungen innerhalb einer Mordkommission/ Schockeinsatz Ahrtal

Am zweiten Veranstaltungstag wurden auf unterschiedlichen Weisen thematisch Begegnungen mit dem Tod dargestellt.

Dirk Brauer aus der ZKI Ludwigshafen erläuterte eindrucksvoll anhand tatsächlicher Fallbeispiele, zu welchem Zeitpunkt ein einzelnes Kommissariat auch an die personelle Belastungsgrenze gelangt und was dies für die einzelnen Kolleg*innen im Nachgang bedeutet.

Der Kriminalhauptkommissar Hartmut Weis des Polizeipräsidiums Rheinpfalz berichtete über seinen persönlichen Einsatz im Hochwassergebiet Ahrtal.

Mir persönlich wurde während des Vortrags einmal mehr deutlich, was den eingesetzten Beamten ohne jegliche Vorbereitung (psychisch wie physisch) abverlangt wurde. Darüber hinaus war aufgrund der kurzfristigen Kräftegestellungen eine psychologische Begleitung des Einsatzes nicht möglich.

Podiumsrunde

Abschließend und die zweitägige Fachtagung zusammenfassend folgte eine Podiumsrunde, um Lösungsansätze zur erfolgreichen Entlastung/ Bewältigung von Belastungssituationen jeglicher Natur zu diskutieren.

Das Thema abschließend „auf den Punkt zu bringen“ gelang in der bemessenen Zeit allerdings nur bedingt.

Persönliches Fazit:

Die innerhalb der Fachtagung dargebotenen Tagesordnungspunkte reichten von Massenkriminalität, über sexualisierte Gewalt, Sachbearbeitung u. mögliche Entlastung durch KI, bis hin zu Begegnungen mit dem Tod und zur abschließenden Podiumsrunde mit politischem Bezug. Damit bot die Veranstaltung ein breites Spektrum an polizeilichen Thematiken und einen Einblick in die aktuellen, gesellschaftspolitischen Themen.

Die Veranstaltung verdeutlichte insbesondere durch die qualitativ hochwertigen Vorträge der Referenten, dass die Entwicklung ein jeder Polizeiinstitution „am Puls der Zeit“ erfolgen muss.

Da ich persönlich mit großem Interesse an der Veranstaltung teilnahm und im Vorfeld nicht erahnte was mich tatsächlich erwarten wird, wurde ich positiv überrascht. Die Veranstaltung zeichnete sich durchweg als gelungen und organisatorisches Highlight ab. Aus den dargestellten Inhalten werde ich innerhalb meines polizeilichen Dienstes Verwendung und Zugewinn finden.

Mit hoher persönlicher Identifikation einzelner Themen aus dem polizeilichen Alltag konnte ich regelrecht „in der Lage“ leben. Die Veranstaltung hat gezeigt, wie unterschiedlich Belastungen sein können und welche negativen Begleiterscheinungen ein Nichterkennen ebendieser bei Kolleg*innen auftreten können. Verdeutlicht werden sollte an dieser Stelle die hohe Verantwortung jeder einzelnen Führungskraft im sensiblen Umgang mit den Mitarbeitern/ Kolleg*innen, um Überlastungsanzeichen frühzeitig zu erkennen um hier präventiv entgegenwirken zu können.

Abschließend komme ich jedoch bei aller vorgetragenen Initiative immer wieder zu dem Ergebnis, dass stetig wachsende Themenkomplexe und Aufgabengebiete zur angemessenen Bewältigung einen analogen Personalansatz voraussetzt.

Alice Pfaff - Bezirksgruppe Mittelhessen

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