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VGH Baden-Württemberg: Personalrat darf Dienstpläne ablehnen, wenn Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefährdet

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat mit Beschluss vom 02. Juli 2010 (Az.: PB 15 S 820/10) die Mitbestimmungsrechte der Mitarbeitervertretung in der Bundespolizei in Arbeitszeitfragen deutlich gestärkt. Zuvor hatte das Bundespolizeipräsidium Potsdam die Direktion Stuttgart angewiesen, einen seit 16 Jahren bewährten und von der weit überwiegenden Mehrheit der Mitarbeiter getragenen Dienstplan abzuschaffen und neue Rahmendienstpläne einzuführen. Als der Personalrat sich dem mit Verweis auf die schlechtere Vereinbarkeit von Familie und Beruf widersetzte, ordnete das Bundespolizeipräsidium an, das Mitbestimmungsverfahren abzubrechen, weil es die Argumente der Mitarbeitervertretung für unbeachtlich hielt. Der Abbruch des Mitbestimmungsverfahrens bei der Einführung eines neuen – und, aus Sicht der Personalräte, schlechteren – Dienstplanes auf Weisung des Präsidenten der Bundespolizei war jedoch, wie der VGH Baden-Württemberg nun feststellte, rechtswidrig. Das Mitbestimmungsverfahren muss jetzt fortgeführt werden. Die Beschwerde des Bundespolizeipräsidiums gegen eine gleichlautende erstinstanzliche Entscheidung des VG Stuttgart (Beschluss vom 10. März 2010, Az.: PB 21 K 648/10) wurde als unbegründet zurückgewiesen. Der Präsident der Direktion Stuttgart hatte sich am Beschwerdeverfahren schon nicht mehr beteiligt und die Entscheidung der 1. Instanz akzeptiert. Der VGH erachtet es als zulässig, dass der Personalrat seine Zustimmungsverweigerung zu einem neuen Dienstplan darauf stützt, dass damit eine deutliche Verschlechterung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf einträte. Zulässig sei es auch, dass der Personalrat die Beibehaltung des bisherigen Dienstplanes aus eben diesem Grund fordere; das sei keinesfalls „unbeachtlich“. Das Bundespolizeipräsidium hatte zuvor erfolglos geltend gemacht, Ausnahmeregelungen in Arbeitszeitfragen könnten nicht auf „subjektive Vorlieben“ gestützt werden und Ausnahmeregelungen gäbe es nur für dienstliche Belange, nicht aber für „private Belange der Beschäftigten“. Der VGH konnte dieser Sichtweise und den Schlussfolgerungen des Präsidiums ausdrücklich nicht beipflichten. Die Personalvertretung kann vielmehr zu Recht einwenden und fordern, der vorgelegte neue Rahmendienstplan führe zu einer schlechteren Vereinbarkeit von Familie und Beruf, weshalb der alte Dienstplan fortgelten solle; erst im weiteren Verfahren der Mitbestimmung müssten dann Alternativen und Vorschläge diskutiert werden. Jedenfalls darf das Präsidium das Verfahren nicht wegen angeblicher Unbeachtlichkeit abbrechen. Der Personalrat darf und muss Gründe, die aus der Interessensphäre der Beschäftigten und ihrer Familie herrühren, in die Bewertung vorgelegter Dienstpläne einbringen; die Debatte ist keinesfalls auf „dienstliche Gründe“ beschränkt. Die Gewerkschaft der Polizei hofft, dass die klaren richterlichen Worte nunmehr zur Rückkehr zu vernünftigem und partnerschaftlich-kooperativem Umgang mit den Personalräten in Arbeitszeitfragen der Bundespolizei führen und einseitige Anordnungen in Arbeitszeitsachen, insbesondere aber der untunliche Abbruch von Mitbestimmungsverfahren durch die Dienstseite, endgültig der Vergangenheit angehören.
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