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Klartext 2010

Von Sven Hüber, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bezirk Bundespolizei Klartext 2010 heißt: Wir haben ein paar Fragen. Und zwar zur Mitarbeiterzufriedenheit. Wann wurde das letzte Mal danach in der Bundespolizei gefragt? – Stimmt: 1996. Damals regierte noch Helmut Kohl das Land, Manfred Kanther war Innenminister, die Bundespolizei hieß Bundesgrenzschutz und bestand zur Hälfte aus bereitschaftspolizeilichen Verbänden. Seither hat der Begriff der Mitarbeiterzufriedenheit eher den Anstrich von Behäbigkeit und Innovationsverweigerung verpasst bekommen: Wer zufrieden ist, scheint veränderungsunwillig. Stattdessen blühten andere Begriffe inflationär auf und bekamen Worthülsengewicht: Zielvereinbarungen, Kennzahlen und „Produkte“ ersetzten den Wert von Mitarbeiterzufriedenheit, für die es eben keine Kennzahl gibt. Heute sucht man in allen Strategiepapieren – und mehr oder weniger groben oder feinen Reformkonzepten der Bundespolizei auch nur das Wort Mitarbeiterzufriedenheit oder Berufszufriedenheit vergeblich. Das ist einer der unschönen Unterschiede zu den Polizeien der Länder. Denn dort findet sich, wie der Polizeiwissenschaftler Prof. Hans-Jürgen Lange in „Die Polizei der Gesellschaft“ beschreibt, in fast allen Reformkonzepten die Mitarbeiterzufriedenheit als eines von vier Organisationszielen wieder. Nur bei der Bundespolizei nicht. Warum eigentlich? Die anzustrebende Mitarbeiterzufriedenheit ist nach Prof. Lange (eigentlich) ein Ziel der ganzen Polizeiorganisation, weil persönliche Erfolge von Mitarbeitern immer auch dienstliche Erfolge sind. Dabei haben Mitarbeiter die Erwartung, sinnvolle Arbeit zu leisten, sich in das Arbeitsleben einzubringen und Gestaltungs- und Entscheidungsräume eigenverantwortlich zu nutzen. Wenn man ihnen diese Möglichkeit gibt, steigt die Zufriedenheit und damit auch die Leistung, wobei die motivierende Kraft in erster Linie aus der Überzeugung kommt, etwas bewirken oder bewegen zu können. Natürlich haben auch die Landespolizeien einen oft unschönen Bruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Aber das Ziel, zufriedene Mitarbeiter zu haben, wird dort wenigstens als Ziel der Polizei benannt und drückt Wertschätzung aus. Will die Bundespolizei zufriedene Mitarbeiter? – Ist das ein Ziel des täglichen Wirkens in den Dienststellen? Spannende Fragen… Man könnte meinen, wenn sie es wollte, würde man die Mitarbeiter auch danach befragen. Tut sie aber nicht. Warum eigentlich nicht? Natürlich gab es immer wieder einmal Ansätze, sich den eigenen Mitarbeitern insgesamt zuzuwenden, um – wie es zu der Befragung vor 14 Jahren hieß – „Informationen über Verbesserungsmöglichkeiten in der internen Organisation und Kommunikation sowie zum Grad der Mitarbeiterzufriedenheit zu gewinnen“. Zudem sagte man damals noch eine Bekanntgabe der Ergebnisse zu. Das hat sich allerdings im weiteren Verlauf unserer Polizeigeschichte dramatisch geändert. – Leider! Zwar gab es noch vereinzelt Ansätze regionaler Befragungen. Das war es dann aber auch schon. Im Jahr 2004 wagte das Bundesinnenministerium sich noch einmal daran, ein Konzept für Mitarbeiterbefragungen zu erarbeiten, das dann allerdings den Leidensweg so vieler Konzepte ging: lange erarbeitet und dann schnell verblüht. Von dem Vorhaben, als Teil eines „umfassenden Controlling“ den Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, „ihre Sichtweisen, Kenntnisse und Erfahrungen“ einzubringen und „Informationen über Verbesserungsmöglichkeiten (…) sowie zum Grad der Mitarbeiterzufriedenheit zu gewinnen“, blieb nichts mehr übrig: die Ergebnisse einer Probebefragung im Osten verschwanden heimlich, still und leise. Und die ministerielle Zusicherung an den Staatssekretär, die Mitarbeiterbefragung „nach der Fußball- WM 2006 in allen Behörden der Bundespolizei zeitgleich“ durchzuführen, fiel dem Vergessen anheim. Dabei gibt es deutlichen Handlungsbedarf! Die Stimmungslage in der Bundespolizei ist durchwachsen. In der so genannten „Beerlage-Studie“ der Hochschule Magdeburg-Stendal über den Arbeitsalltag von Einsatzkräften der Bundespolizei in Berlin wurden schon im Herbst 2006 einige Warnlampen angeknipst: Denn eingeschränktes Wohlbefinden, „Burn out“ und krankheitsbedingte Fehltage in der Bundespolizei resultieren danach weniger aus dem Polizeidienst selbst, sondern aus den Rahmenbedingungen der Arbeit. Das müssen zum Beispiel auch diejenigen wissen – und damit ihr eigenes Handeln reflektieren –, die als dienstlich Verantwortliche mitten in der Reform in einigen Bereichen einen Kleinkrieg mit den Personalräten anzetteln, um familien- und pendlerunfreundliche Arbeitszeitmodelle durchzudrücken. Dazu müssten sie aber die Mitarbeiter befragen, um deren Zufriedenheit mit solchen fragwürdigen Rahmenbedingungen zu erfahren. Die GdP möchte nicht so lange warten, bis ein dienstliches Erwachen wieder einsetzt. Sie hat Prof. Dr. Gerd Strohmeier und die Technische Universität Chemnitz beauftragt, eine unabhängige wissenschaftliche Studie über die Mitarbeiterzufriedenheit in der Bundespolizei zu fertigen und dazu alle GdP-Mitglieder zu befragen. Die Antworten von 19 000 GdPMitgliedern sind mehr als repräsentativ für die Bundespolizei. Und für die GdP, aber auch für die Vorgesetzten aller Ebenen und die politisch Verantwortlichen kann es nicht egal sein, wie es um die Mitarbeiterzufriedenheit in einer der wichtigsten Sicherheitsbehörden Deutschlands bestellt ist und was zu tun bleibt. Deshalb wollen wir, dass unsere Mitglieder in dieser Befragung Klartext reden. – Endlich wieder mal.
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