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Gewerkschaft der Polizei stellt „Studie zur Berufszufriedenheit in der Bundespolizei“ vor „Die Säule ist stark angeknackst!“

Eine Bewertung der „Strohmeier“-Studie durch Josef Scheuring, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, Bezirk Bundespolizei

Die „Strohmeier-Studie“ ist die bisher größte und am tiefsten gehende Studie zur inneren Befindlichkeit einer Polizei in Deutschland.

Sie bestätigt und vertieft den bedenklichen Befund, der bereits bei der Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages im Juli 2010 zur Situation in der Bundespolizei deutlich wurde und auch als Ergebnis ministerieller Belastungsstudien vorliegt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Bundespolizistinnen und –polizisten anlässlich des 60. Gründungsjubiläums der Bundespolizei als „eine der tragenden Säulen unserer Gesellschaft“, deren „Dienst […] eine der Voraussetzungen dafür [sei], dass wir in Sicherheit leben können“.

Die Strohmeier-Studie zeigt jedoch deutlich: Diese Säule ist angeknackst und die Bundesregierung tut bisher zu wenig zu deren Stabilisierung!

Die Gewerkschaft der Polizei stellt eine erhebliche Diskrepanz zwischen den politischen Erklärungen und der öffentlichen Darstellung der Bundespolizei einerseits und dem tatsächlichen inneren Zustand andererseits fest.

Dem berechtigten Anspruch von Bundesinnenminister Friedrich, „die Stärke jeder Organisation und insbesondere auch der Bundespolizei liegt nicht in den Ausrüstungen, sondern sie liegt bei den Menschen“, wird der gegenwärtigen inneren Situation nicht gerecht. Die Mitarbeiter selbst lieben mehrheitlich ihren Polizeiberuf und sind in hohem Maße dafür engagiert und sogar sehr stark bereit, sogar Polizeiarbeit im Ausland zu erledigen. Sie leiden jedoch an dem Umstand, dass seit Jahren ihre Probleme ignoriert und bestenfalls in Führungszirkeln benannt, aber keiner Lösung zugeführt werden. Die Mitarbeiter spüren, dass die polizeiliche und ministerielle Führung hilflos nur versucht, auf die in der Bundespolizei spürbaren Defizite lediglich mit immer neuen Umorganisationen und „Managementmethoden“ zu reagieren, während die Belange der Mitarbeiter dabei in sehr vielen Bereichen völlig aus dem Blick geraten sind.

Die Diskrepanz zwischen dem eigenen Berufsanspruch als Polizeibeschäftigter und den vorgefundenen Rahmenbedingungen lässt sich zusammenfassen: „Bundespolizist sein, ja! Aber nicht unter diesen Bedingungen!“ Die letzte bundesweite dienstliche Mitarbeiterbefragung in der Bundespolizei fand im Jahr 1996 statt; seither wurden keinerlei umfassende Befragungen mehr durchgeführt. Dies spricht für ein erschreckendes Desinteresse an den Befindlichkeiten und Ansichten der eigenen Mitarbeiter.

Ein alarmierend großer Teil der Bundespolizisten sind mit ihrer beruflichen Situation nicht zufrieden und fühlen sich in ihrem Dienst und ihren Lebensbedingungen durch die Politik und die Polizeiführung nur unzureichend ernst genommen und unterstützt.

Das Verhältnis zwischen dem, was den Bundespolizisten heute physisch, psychisch und familiär abverlangt wird, und dem, was ihnen als Ertrag ihrer Arbeit und Rücksichtnahme auf ihre Belange zugebilligt wird, ist aus den Fugen geraten.

Die Ursachen für die erschreckende Bestandsaufnahme des inneren Zustandes sind vielfältig und liegen insbesondere in Versäumnissen der ministeriellen und politischen Führung.

Der Umbenennung von BGS in Bundespolizei im Jahr 2005 folgten - mit Blick auf die Dienst- und Einsatzorganisation, die Personalentwicklung und die Dienstbedingungen - keine zukunftsweisenden Weiterentwicklungen.

Kennzeichnend ist, dass der Bundespolizei seither weitere neue, zusätzliche Aufgaben übertragen wurden, ohne dass der Bundestag dafür zusätzliches Personal zur Verfügung stellte. Im Stellenplan der Bundespolizei sind heute wesentlich mehr Arbeitsplätze ausgewiesen, als die Bundespolizei überhaupt Mitarbeiter haben darf.

Für fast 2 Millionen Polizeiarbeitsstunden gibt es kein Personal – die Arbeit und die Einsätze müssen von den vorhandenen Mitarbeitern mit übernommen werden. Weder die Bundesregierung noch der Bundestag hat bisher darauf reagiert. Im Gegenteil: Durch seit 15 Jahren anhaltende ersatzlose Streichung von Verwaltungspersonal mussten vielfach deren administrative Aufgaben zusätzlich von den Polizeibeamten übernommen werden.

Aus der übergroßen Diskrepanz zwischen verfügbarem Personal und polizeilichen Aufgaben resultiert auch die erhebliche Belastung aus langen heimatfernen Abordnungen in andere Dienststellen sowie zunehmend häufigeren Dienst- und Wohnortwechseln. Die Strategie „Loch an Loch – und hält doch!“ ist hier erkennbar an ihre Grenzen gestoßen. Die oftmals lange Trennung vom sozialen Umfeld und eine belastend hohe Arbeitsdichte bleiben nicht ohne Auswirkungen auf die mentale Gesundheit und Motivation der Mitarbeiter und auf die familiären Beziehungen.

Obwohl die in den letzten zwanzig Jahren eingetretenen Veränderungen der Arbeitswelt für Bundesbedienstete wie bei der Bundespolizei gravierend und von einem wachsenden Pendlergrad geprägt sind, hat Bundesregierung bisher keinerlei Anstrengungen unternommen, die Rahmenbedingungen für dieses Berufsbild „Bundespendler in Sachen Sicherheit“ auch nur ansatzweise zu verbessern.

Auch hat sich in den Jahren seither der Anteil der zu höchst unterschiedlichen Zeiten und an den Wochenenden Schicht- und Einsatzdienst leistenden Mitarbeiter zwar dramatisch erhöht. Die Zahl der getrennt von ihren Familien lebenden Pendler ist deutlich in die Höhe geschossen; der Krankenstand stieg.

Ein in den letzten Jahren enorm gestiegenes Auslandsengagement der Bundespolizei dünnt die Dienststellen und täglichen Einsatzstärken der Bundespolizei im Inland zudem weiter aus, weil auch für diese neuen Aufgaben kein neues Personal eingestellt werden darf.

Die Kumulation dieser Negativpunkte führt zwangsläufig zu den Ergebnissen in Sachen Berufszufriedenheit, wie sie die Strohmeier-Studie erhoben hat.

Zudem droht eine Überalterung der Bundespolizei. In wenigen Jahren werden weit mehr als ein Drittel der Beamten jenseits der Fünfzig sein. Das hat gravierende Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit der Polizei, aber auch auf den Arbeitsalltag und das „Wegstecken“ von physischen und psychischen Belastungen. Weder die Führung der Bundespolizei noch der Bundesinnenminister hat sich dieser Entwicklung bisher gestellt, die Entwicklung wurde im Wesentlichen verschlafen. Es fehlt jeder konzeptionelle Ansatz, wie dieser Überalterung entgegengewirkt und welche Veränderungen in der polizeilichen Arbeitswelt ergriffen werden müssen, um diesem besonderen „demografischen Knickt“ abzufedern.

Da die Bundesregierung zudem die (auch europaweit) schlechteste aller Altersgrenzenregelung für Polizisten einführte und – anders als die Länder – bei Bundespolizisten keinerlei Rücksicht auf die Dauer des Dienstes im Schicht- und Einsatzdienst nimmt, wird sich dieser Zustand noch weiter verschärfen.

Zudem droht in wenigen Jahren eine Welle an in die Pension ausscheidenden Beamtinnen und Beamten, deren Weggang aufgrund fehlender Neueinstellungen nicht abgefangen werden kann. Im Gegensatz zu einigen Polizeien der Länder hat sich der Bund keinerlei Gedanken darüber gemacht, wie die Lukrativität für zu werbenden Berufsnachwuchs erhöht werden könnte. Die Bundesregierung hat zudem wegen der finanziellen Belastungen der Finanz- und Euro-Krise und den aufgespannten „Rettungsschirmen“ die Neueinstellungszahlen so weit reduziert, dass heute deutlich weniger Polizeinachwuchs eingestellt wird, als Beamte ausscheiden. Die Folge: immer weniger Bundespolizeibeamte sollen immer mehr Einsätze abfangen.

Die untaugliche Reaktion der Regierung und des Parlaments auf den selbst verschuldeten Zustand „Zu viele Aufgaben – zu wenig Polizisten“ führte direkt zum jetzt in der Strohmeier-Studie beschriebenen Überlastungsbefund. Denn der Bundesregierung fiel nichts Besseres ein, als die Wochenarbeitszeit zu erhöhen und damit den ohnehin überlasteten Beamten noch weitere Schichten abzupressen. Zudem beschloss der Bundestag im Haushaltsgesetz 2011, das Personaläquivalent dieser Arbeitszeiterhöhung auch in der Bundespolizei zu streichen. So werden hunderte Polizeistellen in den kommenden Jahren ersatzlos gestrichen. Die Folge: immer weniger Polizeibeamte sollen immer mehr Aufgaben in immer längeren Arbeitszeiten erledigen.

Der gewachsene Druck und die Überalterung wirken sich unweigerlich auf die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus. Die Zunahme von Erkrankungen jedoch wird von dem Bundesinnenministerium und der Polizeiführung im Wesentlichen tatenlos hingenommen. So schloss das Bundesinnenministerium im Dezember 2009 zwar mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) zwar eine Übereinkunft „Gemeinsame Initiative zur Förderung des Gesundheitsmanagements in der Bundesverwaltung“, verweigerte sich bisher aber allen Umsetzungsforderungen für die Bundespolizei. Vor allem den Beamten im Schicht- und Einsatzdienst stößt sauer auf, dass sie zwar immer mehr Jahre in immer höherem Alter zu immer unmöglicheren Zeiten zum Einsatz bereit stehen sollen, für die gesundheitlichen Folgen dieser Dienstorganisation aber niemand einstehen will. So verweigert die Bundesregierung ihren Polizeibeamten seit Jahren die bei vielen Polizeien üblichen Vorsorgekuren für Schicht- und Einsatzdienstleistende.

Der in der Studie aufgenommene Unzufriedenheitsgrad resultiert auch aus der immer krasser werdenden Diskrepanz zwischen den dienstlichen Beanspruchungen und den beruflichen Rahmenbedingungen und Entwicklungsmöglichkeiten.

Die starke Kritik an den Arbeitszeitregelungen in der Bundespolizei resultiert vor allem daraus, dass das Bundesinnenministerium und einzelne Vorgesetzte in vielen Fällen mit einem großen Maß an Rücksichtslosigkeit versuchten und versuchen, einseitig Arbeitszeitmodelle durchzusetzen, in denen die Interessen der Beschäftigten, vor allem der Pendler und Schichtarbeiter, auf Vereinbarkeit von Familie und Beruf keinerlei Rolle spielten.

Die von der Bundesregierung bisher beabsichtigten Änderungen im Laufbahnrecht würden zudem zu einer erheblichen Verschlechterung der Karrierekonditionen führen, weil das Alter für Aufstiegsmöglichkeiten erheblich angehoben werden soll. Die Bundespolizei hat damit weiterhin die schlechtesten Aufstiegsmöglichkeiten aller Polizeien in Deutschland.

Der Stellenanteil in der Kommissarslaufbahn ist in keiner Polizei so niedrig wie bei der Bundespolizei. Keine Polizei in Deutschland hat einen derart hohen Anteil von Beamten in der nur mittleren Laufbahn.

Als geradezu dramatisch wird die Beförderungssituation wahrgenommen – was sie auch ist. Mehr als 10.000 Polizeibeamte des mittleren Dienstes befinden sich in der Besoldungsgruppe der Berufseinsteiger oder wurden lediglich einmal befördert. Inzwischen werden Beamte mit guten Leistungen pensioniert, die in 45 Dienstjahren lediglich einmal befördert wurden – ein bei den Landespolizeien undenkbarer Zustand. Besonders dramatisch ist die Situation bei der Polizeiverwaltung, weil dort jede frei werdende Beförderungsstelle der Einsparung zum Opfer fällt und nicht nachbesetzt werden darf. Diese Ignoranzbotschaft der Bundesregierung und des Bundestages kommt bei den Beschäftigten sehr deutlich an - „Leistung lohnt sich nicht!“. Die Bewertung der Mitarbeiter ist entsprechend eindeutig: erfolgreiche Polizeiarbeit wird gern eingefordert, ist dem Bund aber nicht viel wert.

Dies widerspiegelt sich auch in der Einschätzung der Mitarbeiter zum Beurteilungssystem, welches in der Bundespolizei von Quotenformalismus beherrscht wird und demotiviert. Zudem reichen selbst mehrfach gute Beurteilungsnoten meist nicht aus, auch nur die Chance einer Beförderung zu erhalten.

Aus Sicht der GdP stellen die enorm gestiegenen dienstlichen Belastungen und die im Gegenzug völlig unzureichenden beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten ein System „extensiver staatlicher Ausbeutung“ dar, das dringend gestoppt werden muss!

Von besonderem Gewicht scheint bei den unbefriedigenden Zufriedenheitswerten auch zu sein, dass die Mitarbeiter sich in ihre Arbeit nur ungenügend respektiert und geschätzt fühlen. Das in den Befragungsergebnissen vielfach zutage tretende Gefühl der Entfremdung, mangelnder Vertrauenskultur und fehlenden Interessenausgleichs hat auch mit Gründen zu tun, die nicht im politisch-administrativen Bereich, sondern in der Bundespolizei selbst wurzeln.

Vielen Mitarbeitern sind die „Strategien, Visionen und Zielen“ des Präsidiums der Bundespolizei unbekannt; sie wurden in deren Erarbeitung auch nicht einbezogen und die Mitarbeiterzufriedenheit spielt dort auch keine Rolle. Der Versuch, die Bundespolizei betriebswirtschaftlich mit Hilfe von Zielvereinbarungen und „Kennzahlen“ (eine Idee, die in den Polizeien der Länder längst wieder ad acta gelegt wurde), Rahmenkonzeptionen und Berichtswesen zu führen, wird vor allem von den „Polizisten auf der Straße“ als stark gängelnde Zumutung empfunden, da ihre Ansprüche sich darin nirgends wiederfinden. Auch gibt es in der Bundespolizei zum Beispiel kein transparentes, in sich geschlossenes Personalentwicklungskonzept.

Die Konsequenz aus der „Strohmeier-Studie“ kann nur lauten: Die Politik und das Präsidium der Bundespolizei muss wieder die ihren Dienst leistenden Menschen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit rücken und deren Situation und Zufriedenheit bewusst und breit angelegt verbessern wollen. Ein Teil davon wird Geld kosten müssen, ein großer Teil aber nur guten Willen.

Zusammenfassung und Bewertung der wesentlichen Ergebnisse der Studie zur Berufszufriedenheit in der Bundespolizei

Vorläufige Positionierung des DGB zur Neuordnung des Ausgleichssystems für Wechselschicht-, Schicht- und Einsatzdienstleistende des Bundes

Auf das Logo klicken um zu den Ergebnissen der Studie zur Berufszufriedenheit in der Bundespolizei der Technischen Universität Chemnitz zu gelangen.

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